# taz.de -- Film „Touch me not“ auf der Berlinale: Ein Rollenspiel namens L… | |
> Regisseurin Adina Pintilie verlässt immer wieder ihren Machtraum. „Touch | |
> me not“ ist ein echtes Statement im Pseudo-Diversity-Getalke der | |
> Berlinale. | |
Bild: Transgressiv, feministisch: „Touch Me Not“ | |
Mitten im Film, wir sind da schon eingegroovt durch das | |
„Mela-Mela-Melancholia“ der Einstürzenden Neubauten, steigt Regisseurin | |
Adina Pintilie hinter der Kamera hervor, tritt ins Bild und setzt sich | |
neben ihre Protagonistin aufs Sofa – besser: auf die Couch, denn das | |
Gespräch nimmt kurz die Form einer Therapiesitzung an. | |
Beim Sex mit ihrem Partner gäbe es ein Problem: Ihr käme es vor wie in | |
einem Traum, als stehe ihre Mutter am Bett, nackt, nicht bereit zu gehen. | |
An dieser Hemmung, vernimmt man, droht ihre Beziehung zu zerbröseln. | |
Das Geständnis mag autobiografisch sein oder fiktiv, so genau weiß man das | |
nicht in diesem radikalen Experimentalfilm, der sich im an Erwartbarkeiten | |
kaum zu überbietenden Berlinale-Wettbewerb verirrt hat. Die Grenze zwischen | |
realdokumentarisch und fiktiv ist hier fluid. Im Rollenspiel namens Leben | |
liegt sie ja auch im Dazwischen. | |
Diesen Raum auszuloten, den eigenen Körper wahr- und ernstzunehmen, sein | |
Ich auf erste Schamgrenzen und letzte Intimitäten abzuhören, es (ihn) | |
therapeutisch abzuklopfen – zu diesem Experiment bereit sind in „Touch me | |
not“ unter anderem die Schauspieler Laura Benson und Tómas Lemarquis. Jetzt | |
müssen nur noch wir dieser nicht nur angenehmen Einladung zur | |
Selbstbefragung folgen. | |
## Den Machtraum verlassen | |
Für Laura geht es um Wut, um Berührungsangst, für Tómas um die Überwindung | |
von Ekel bei der Herstellung von Nähe. Unter anderem. Am Ende kommen die | |
beiden zusammen. Davor probieren sie sich aus. Sie durchschreiten | |
unterschiedlichste Sexualitätskonstellationen (vom Touch-Therapie-Workshop | |
mit teilweise körperlich schwerbehinderten Menschen bis zur hautnah, aber | |
unvoyeuristisch gefilmten Gruppen-BDSM-Session), die Adina Pintilie bewusst | |
in ein weiches Laborweiß hüllt. | |
Immer wieder werden die Szenen zudem durch den Blick auf Regie und Kamera | |
unterbrochen, neu gerahmt, reflektiert. „Touch me not“ entpuppt sich als | |
Transgressionsprojekt, das im konkreten Sinn feministisch ist. | |
Denn nie gerät die filmische Exploration von Disability und Sex | |
(überzeugend: der Kissability-Blogger Christian Bayerlein), von | |
Transsexualität (relaxt: Hanna Hofmann) oder auch von den vorgeblich | |
einfacheren Befreiungsübungen einer Frau zur Exploitation. Nichts wird | |
karikiert, persifliert. | |
Pintilie verlässt mehrfach den geschützten Machtraum, aus dem heraus | |
operiert wird beim Kino; ihn führt sie vor: Ein echtes Statement im | |
dahinplätschernden Pseudo-Diversity-Getalke der Berlinale. Vertrauen geben | |
ihr die Akteure, die um ihre Imperfektion wissen. Was ihr Begehren nicht | |
ausschließt. | |
23 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Barbara Wurm | |
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