# taz.de -- Debatte um neuen Feiertag: Luther locker sehen | |
> Frei am Reformationstag? Ja, sagt Bremens Bürgermeister Carsten Sieling. | |
> Auch die Jüdische Gemeinde erhebt in Bremen keine Einwände – anders als | |
> in Niedersachsen. | |
Bild: Luther als Spielzeug gibt schon. Gibt's ihn bald auch als Feiertag? | |
Zumindest in einer Hinsicht muss Bremens Bürgermeister Carsten Sieling | |
(SPD) keine Konflikte befürchten: Den Vorstoß, den Reformationstag am 31. | |
Oktober zu einem neuen dauerhaften Feiertag zu machen, sieht die Jüdische | |
Gemeinde in Bremen – anders als in Niedersachsen – gelassen. Deutlich mehr | |
Probleme macht Sieling da der grüne Koalitionspartner. Am Mittwoch stand in | |
der Wirtschaftsdeputation nun ein Bericht über die Auswirkungen eines neuen | |
Feiertages auf der Tagesordnung. | |
In Niedersachsen hatte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen | |
Gemeinden den Reformationstag als neuen Feiertag als „untragbar“ | |
bezeichnet, weil der Tag vom „Judenhasser“ Luther nicht zu trennen sei. | |
Grigori Pantijelew, der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde | |
in Bremen, hingegen erklärte: „Wir sehen das locker.“ Er hoffe, dass die | |
heutige Gesellschaft fähig sei, auch die Schattenseiten an Martin Luther zu | |
sehen. „Wir nehmen wahr, dass es für die Evangelische Kirche | |
selbstverständlich ist, sich mit dem Antisemitismus von Luther kritisch zu | |
beschäftigen.“ Sieling habe das Thema mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde | |
Ende Dezember diskutiert. | |
Aufgeflammt war die Idee eines neuen dauerhaften Feiertags im Zuge der | |
Diskussionen um die 500-Jahr-Feier der Reformation im vergangenen Jahr. Vor | |
einer Woche hatten sich dann die Regierungschefs aus Hamburg, | |
Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen auf einer Sondersitzung der | |
„Konferenz Norddeutschland“ auf den 31. Oktober als gemeinsamen Vorschlag | |
für die weitere politische Diskussion geeinigt. | |
Sieling ist derzeit Vorsitzender der Konferenz und sagte, Ziel sei es, den | |
Reformationstag schon in diesem Jahr als einen gemeinsamen neuen Feiertag | |
zu begehen. Gleichwohl wollten die Nord-Regierungschefs den Reformationstag | |
nur als „eine Empfehlung“ verstanden wissen. | |
Eine „Empfehlung“, von der sich mancher Parlamentarier übergangen sah. Die | |
Bremer Grünen etwa sprechen sich wie die Linkspartei für den 8. Mai als | |
weltlichen Feiertag aus, um der Befreiung vom Nationalsozialismus zu | |
gedenken. | |
Eine Idee, die auch die Jüdische Gemeinde befürwortet: „Für uns ist der 8. | |
Mai ein besonderer Tag, am dem das Schreckenssystem zu Ende ging“, erklärt | |
Pantijelew. „Die älteren Juden, die aus der ehemaligen Sowjetunion in | |
unsere Gemeinde kamen, feiern den 8. Mai auch sehr aktiv, er ist in der | |
Erinnerung der Menschen und wir gestalten den Tag für die Senioren in | |
unserer Gemeinde.“ | |
Wann die Mehrheitsgesellschaft aber einen Feiertag ansetze, sei für ihn | |
zweitrangig, so Pantijelew: „Für uns wäre wichtiger, dass Juden, die sich | |
öffentlich als Juden zu erkennen geben, an ihren eigenen Feiertagen ohne | |
Angst sein dürfen.“ | |
## Abstimmung ohne Fraktionszwang | |
Für eine Befassung in der Bürgerschaft haben die Grünen zumindest Anfang | |
der Woche eine Abstimmung ohne Fraktionszwang vorgeschlagen. Ob die SPD und | |
die anderen Bürgerschaftsfraktionen das mitmachen, ist noch nicht | |
entschieden. Als Fraktion allerdings würden die Grünen gegen den | |
Reformationstag stimmen – eine Regierungsmehrheit käme somit nicht | |
zustande. | |
Auch bei der CDU könnte eine freie Abstimmung auf Gegenliebe stoßen. Als | |
Fraktion hatten die Christdemokraten zwar den Reformationstag beantragt, | |
doch auch bei ihnen gibt es abweichende Stimmen – etwa den CDU-Landeschef | |
und wirtschaftspolitischen Sprecher Jörg Kastendiek, der durch einen | |
weiteren Feiertag Nachteile für die Wirtschaft befürchtet. | |
Unter anderem zu jenen wirtschaftlichen Auswirkungen eines neuen Feiertages | |
legte das Wirtschaftsressort am Mittwoch einen Bericht in der Deputation | |
vor. Wegen Produktionsausfällen und Feiertagszuschlägen geht demnach das | |
Institut der Deutschen Wirtschaft von einer um 0,1 Prozent verringerten | |
Jahreswirtschaftsleistung aus. DGB, Hans-Böckler-Stiftung und ifo-Institut | |
rechnen durch die Erholung der Mitarbeiter hingegen unterm Strich eher mit | |
einer Produktivitätssteigerung. | |
Eins aber ist klar: Für Bremen als Stadtstaat innerhalb Niedersachsens, | |
Hafenstandort und „Transitland“ kommt eine Feiertagsregelung im Alleingang | |
nicht in Frage. Mindestens die Taktung in der Logistikbranche würde das | |
weit über Bremen hinaus durcheinander bringen. | |
8 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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