# taz.de -- Kommentar Reformationstag: Von stillen und lauten Feiertagen | |
> Das Reformationstheater und der Streit um einen muslimischen Feiertag | |
> zeigen, dass es mit der religiösen Neutralität des Staates nicht weit her | |
> ist. | |
Bild: Halskrause und Playmobil-Luther: prima Refo-Stimmung bei Bischöfin Kirst… | |
Kalender dienen dazu, Ordnung in die Unübersichtlichkeit der Zeitläufte zu | |
bringen. Aber dieses Bestreben, das Chaos zu zähmen, ist oft von Zufällen, | |
kruden Kalkülen und Willkür bestimmt. So wurde der Weltspartag, der seit | |
seiner Ausrufung 1924 auf den 31.Oktober fällt, hierzulande auf den 30. | |
Oktober vorverlegt, um den 31. als Reformationstag zu retten. Dieser hat | |
sich – erstmalig und exklusiv für dieses Jahr – als bundesweiter, | |
gesetzlicher Feiertag in den stattlich-christlichen Kalender gemogelt. | |
Dies geschah durch die Initiative der Ministerpräsidenten der Länder. Sie | |
haben den 500. Jahrestag von Luthers angeblicher Anbringung seiner 95 | |
Thesen in Wittenberg am 31. Oktober 1517 zum flächendeckenden Feiertag | |
geadelt. Zwar streiten sich Theologen und Kirchenhistoriker bis heute | |
darüber, ob der Thesenanschlag in Wittenberg überhaupt stattgefunden hat. | |
Aber um derlei Petitessen kümmert sich die Regie der zur | |
„Reformationsbotschafterin“ berufenen Margot Käßmann nicht. Schon allein | |
weil Katholiken am 1. November aller Heiligen gedenken, musste am 31. | |
Oktober aus Prestigegründen festgehalten werden. Der nur vermutete runde | |
Jahrestag wurde für 2017 als einmaliger Feiertag erfunden – ein Novum im | |
staats-liturgischen Feiertagskalenderwesen. | |
Dazu passt, dass es maßgebliche Politiker fast gleichzeitig mit der | |
Erfindung des „einmaligen“ Feiertags abgelehnt haben, über die Einführung | |
eines muslimischen Feiertags auch nur zu diskutieren. So viel zum Thema | |
„religiöse Neutralität des Staates“. | |
Nach einer feinsinnigen Unterscheidung, wie sie nur im subtilen | |
Doppelpass-Spiel von Staat und Kirche möglich ist, gibt es in Bayern stille | |
und nicht-stille Feiertage. Allerheiligen ist ein stiller Feiertag. Das | |
bedeutet, dass Sport- und Tanzveranstaltungen, Jahrmärkte sowie laute Musik | |
im Freien verboten sind. Der Reformationstag gilt dagegen nicht als stiller | |
Feiertag, denn in Bayern ist zumindest die Politik noch katholisch | |
imprägniert. Am 31. Oktober darf deshalb Halloween gefeiert und getanzt | |
werden, was das Zeug hält. Allerdings nur bis zwei Uhr früh, da hat der | |
„stille“ Feiertag Allerheiligen zwar schon vor zwei Stunden begonnen, aber | |
staatlich-christliche Ruhe ist nun angesagt. | |
Von staatlicher Neutralität kann bei den Veranstaltungen zum | |
Reformationstag nicht die Rede sein: Beim „Fernsehgottesdienst“ , bei der | |
„Reformationsgala“ mit ZDF-Moderatorin Gundula Gause – ausgerechnet im | |
rabenschwarzen Fulda, was Bischof Johannes Dyba im Grab rotieren lässt –, | |
und beim semi-säkularen „Festakt“ mit den obligaten Grußworten der „Spi… | |
aus Staat und Kirche“ (FAZ) fehlt nur der Ex-Staatszeremonienmeister Gauck. | |
Katholiken feiern am 1. November seit Papst Gregor IV. (827-844) | |
Allerheiligen und einen Tag später Allerseelen. Da gedenken Katholiken der | |
gemeinen Sünder, deren Seelen im Fegefeuer schmachten, und schmücken die | |
Gräber – in glaubensstärkeren Zeiten auch mal mit einer realen Wegzehrung | |
in Form von Broten, Kuchen oder Hefezöpfen. Ob aus kalendarischem Zufall | |
oder aus Ironie informiert auch die Deutsche Polizeigewerkschaft just an | |
Allerseelen über die „nötige Grundausstattung“ unter dem Titel: „Was | |
brauchen die Polizisten in Europa?“ Antwort: mehr Feier- und Brückentage, | |
aber bitte ohne christliche Kostümierung. | |
31 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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