# taz.de -- Frei werdende Chefposten im Norden: Wer folgt auf Habeck und Scholz? | |
> Robert Habeck wechselt als Parteichef in die Hauptstadt, Olaf Scholz | |
> vielleicht als Vizekanzler. In Hamburg steht der Nachfolger fest, in | |
> Schleswig-Holstein nicht. | |
Bild: Könnten sich bald öfter in Berlin Treffen: Scholz und Habeck beim taz s… | |
HAMBURG taz | Sie wolle sich nicht drängen lassen, sagt Ann-Kathrin | |
Tranziska. Denn der Grünen-Vorsitzenden in Schleswig-Holstein ist bewusst, | |
dass sie und ihr Co-Chef Steffen Regis, erst Anfang Oktober gewählt, vor | |
der schwersten Aufgabe in ihrer noch jungen Amtszeit stehen: sie müssen | |
einen adäquaten Ersatz für Schleswig-Holsteins grünen Halbgott Robert | |
Habeck finden. | |
Spätestens im Spätsommer, wahrscheinlich früher, wird dieser seine Ämter | |
als 1. Stellvertretender Ministerpräsident, sowie als Minister für | |
Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung aufgeben | |
und sich vollständig seinem neuen Job als Co-Chef der grünen Bundespartei | |
widmen. Im nördlichsten Bundesland wird der Abgang des 48-Jährigen ein | |
politisches Loch hinterlassen – in der Landespolitik, in der | |
Jamaika-Koalition und vor allem in seiner eigenen Partei. | |
Ähnlich, aber in den Auswirkungen weniger dramatisch, dürfte es der | |
Hamburger SPD ergehen, wenn demnächst doch eintritt, was seit Jahren | |
vehement bestritten wird: die Rückkehr von Bürgermeister Olaf Scholz in die | |
Bundespolitik. | |
Er wolle 2020 erneut und zum dritten Mal in Hamburg als | |
Bürgermeister-Kandidat antreten, versichert Scholz bei jeder Gelegenheit. | |
Doch sollte die Partei ihn bitten, in einer Großen Koalition Vizekanzler | |
und Bundesfinanzminister zu werden, wird er sich weder verschließen wollen | |
noch können. Sein Nachfolger an der Elbe indes steht schon parat: | |
Fraktionschef Andreas Dressel wäre als neuer Regierungschef in seiner | |
Partei unumstritten, wie auch beim grünen Koalitionspartner wohl gelitten. | |
Eben da jedoch liegt eines der Probleme für Tranziska. Einen Mann oder eine | |
Frau zu finden mit der Strahlkraft des Talkshow-Lieblings Habeck ist fast | |
unmöglich. Zum Anforderungsprofil gehört zudem, den Gemischtwarenladen, den | |
Habecks Ministerium darstellt, leiten zu können, ohne sich zu verzetteln. | |
„Außerdem sollte es jemand sein, dessen oder deren Stil wir schätzen, und | |
zu Jamaika passen muss er oder sie auch“, sagt Tranziska. „Die eierlegende | |
Wollmilchsau muss deshalb auch nicht zwingend aus Schleswig-Holstein | |
kommen“, sagt die Landeschefin, „Das ist kein KO-Kriterium“. | |
Und schon brodelt die Gerüchteküche. Stefan Wenzel wird genannt, bis | |
November vorigen Jahres Umweltminister und Vize-Regierungschef in der | |
rot-grünen Koalition in Niedersachsen; auch der Name seines damaligen | |
Kabinettskollegen, Agrarminister Christian Meyer, fällt. Beide indes gingen | |
nach der Niedersachsen-Wahl im Oktober lieber in die Opposition, als über | |
Jamaika in Hannover zu sprechen – keine Empfehlung für Schwarz-Grün-Gelb in | |
Kiel. | |
Dafür kommt Anjes Tjarks ins Spiel, Fraktionschef der Grünen in der | |
Hamburger Bürgerschaft und dort auf dem besten Wege, sich einen mit Habeck | |
vergleichbaren Ruf zu erarbeiten. Der blitzgescheite Allleskönner, seit | |
Jahren ein enger Vertrauter von Habeck, ist mit seinen 37 Jahren eine | |
Option auf die grüne Zukunft – in Hamburg, in Kiel, vielleicht auch im | |
Bund. | |
Eine fachlich hochkompetente Lösung wäre Ingrid Nestle, promovierte | |
Energie- und Umweltmanagerin und bislang Habecks Staatssekretärin im Kieler | |
Ministerium. Sie aber sieht sich nicht wirklich als Landespolitikerin und | |
ist im September wieder in den Bundestag eingezogen, wo sie schon bis 2012 | |
saß. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die 40-Jährige sich zur Rückkehr | |
überreden lässt, um das Ministerium zu übernehmen, das sie gerade erst | |
verlassen hat. | |
## Bislang keine offiziellen Gespräche bei den Grünen | |
Eka von Kalben, grüne Fraktionschefin im Kieler Landtag, beteuert | |
glaubhaft, eben das bleiben zu wollen. Und Konstantin von Notz, grüner | |
Fraktionsvize im Bundestag, Innenexperte und Habeck-Freund, drängelt sich | |
überhaupt nicht nach dessen Job. Ihn müssten die Grünen zwischen den | |
Deichen auf Knien anflehen, doch bitte bitte Minister zu werden. | |
Bislang habe es „noch mit niemandem offizielle Gespräche gegeben“, beteuert | |
Ann-Kathrin Tranziska, nur mal „so lockeres Plaudern“. Nach der Wahl | |
Habecks zum Bundesparteichef am Sonnabend habe der Landesvorstand am | |
Montagabend aber beschlossen, nun in zielführende Verhandlungen zu gehen. | |
Dass schon auf der nächsten Sitzung des Parteirats, höchstes Gremium | |
zwischen den Landesparteitagen, am 8. Februar, eine Entscheidung fallen | |
könne, sei „möglich, aber nicht wahrscheinlich“, so Tranziska: „Wenn der | |
Name feststeht, werden wir ihn kommunizieren.“ | |
Wegen einer eventuellen Scholz-Nachfolge in Hamburg steht mit Andreas | |
Dressel der Thronfolger indes fest. Der 42-Jährige ist in Partei und | |
Fraktion gleichermaßen anerkannt und gilt als ebenso integrativ wie | |
führungsstark. Zusammen mit seinem grünen Amtskollegen Anjes Tjarks bildet | |
er die – wegen der Anfangsbuchstaben der Vornamen – „A-Team“ genannte | |
schnelle Eingreiftruppe, die Konflikte in der Koalition, wie vor allem mit | |
den BürgerInnen, wegzumoderieren versteht. | |
## Dressel versteht es, Konflikte wegzumoderieren | |
Beispielhaft war 2016 die Einigung mit der Volksinitiative zur | |
Unterbringung von Flüchtlingen, die einen Volksentscheid und damit eine | |
brisante gesellschaftliche Polarisierung verhinderte. Notfalls redet der | |
stets freundliche Zwei-Meter-Hüne Dressel so lange immer wieder dasselbe, | |
bis der Gesprächspartner aufgibt. | |
Zwei weitere Namen, die von interessierter Seite lanciert werden, sind | |
indes chancenlos. Sowohl Innensenator Andy Grote, erst seit zwei Jahren im | |
Amt, wie auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, werden ins Spiel | |
gebracht. Sie stammen beide aus dem SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte des | |
umstrittenen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, Chef des bundesweiten | |
„Seeheimer Kreises“ der SPD-Rechten. Allein deshalb sind sie für die | |
Mehrzahl der anderen Hamburger Kreisverbände als BürgermeisterIn unwählbar. | |
Von Kahrs werden die beiden ohnehin nur zum Pokern eingesetzt. Wenn er | |
Dressel nicht verhindern kann, will er wenigstens dessen Nachfolger als | |
Fraktionschef bestimmen: seinen Gefolgsmann Dirk Kienscherf, bisher als | |
Parlamentarischer Geschäftsführer die Nummer 5 in der Fraktionsführung, | |
will er als neuen Vorsitzenden installieren. | |
Ob Scholz aber ins Bundeskabinett wechselt, hängt noch von zwei | |
Kleinigkeiten ab. Erstens muss die SPD-Basis in einem Mitgliederentscheid | |
einen Koalitionsvertrag mit CDU/CSU akzeptieren, und zweitens muss | |
Parteichef Martin Schulz als Groko-Minister verhindert werden. Denn nach | |
der SPD-internen Macht-Arithmetik kann es kein u&o geben: Schulz oder | |
Scholz, das ist hier die Frage. | |
31 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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