| # taz.de -- Hamburgs Jahr 2018: Endlich wieder stolz sein | |
| > Jahresrückblick 2018: Wie Bürgermeister Scholz die Stimmung drehte, und | |
| > Bürgermeisterin Fegebank zu einer neuen Kleiderfarbe kam. | |
| Bild: Bunt gemischte Erfahrungen: Bürgermeister*innen Olaf Scholz (SPD) und Ka… | |
| ## Januar | |
| Auf der Elbe schwimmt die „Rickmer Rickmers“ in einem Chanel-Flakon – die | |
| Elbphilharmonie begeht ihr Einjähriges. Im großen Saal läuft das | |
| Helmut-Schmidt-Musical. Es darf geraucht werden. Auf dem Vorplatz findet | |
| eine liebevoll gemachte „Elphi – Welcome to Hell“-Demo statt. Die Damen | |
| tragen schwarze Roben, die Herren Smoking, man bewirft die eintreffenden | |
| Gäste mit Sektgläsern und Canapés. Alles verläuft sehr manierlich. | |
| Katharina Fegebank glänzt in einem roten Kleid. Scholz hält eine prima | |
| Rede: | |
| „Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, benutzen Sie Sonnencreme. Wenn ich | |
| Ihnen nur einen Ratschlag mit auf den Weg geben dürfte: Er würde | |
| Sonnencreme lauten. Der langfristige Nutzen von Sonnencreme ist | |
| wissenschaftlich erwiesen. Meine übrigen Ratschläge hingegen gründen auf | |
| nichts anderem, als auf meinen eigenen bunt gemischten Erfahrungen. | |
| Sorgen Sie sich nicht um Ihre Zukunft. Oder machen Sie sich von mir aus | |
| Sorgen. Aber denken Sie daran, dass das so viel nützt wie Kaugummikauen | |
| beim Lösen von Mathematikaufgaben. | |
| Wenn Sie sich für klüger halten als alle anderen, liegen Sie schon ganz | |
| richtig. | |
| Übernehmen Sie Verantwortung, aber überschätzen Sie sie nicht. | |
| Schmunzeln Sie. | |
| Benutzen Sie Zahnseide.“ | |
| Hamburg ist stolz. Zuversicht umwabert die Stadt. | |
| ## Februar | |
| Scholz Rede kursiert im Internet. Landesweites Entzücken. Bundespräsident | |
| Steinmeier gratuliert. CDU-Chef André Trepol verlautbart, dass Scholz’ Rede | |
| „einfach nur doof“ sei und außerdem ein Plagiat. „Alles geklaut aus der … | |
| Chicago Tribune von 1997“, so Trepol. „Es gibt nur drei Sätze, die Scholz | |
| sich allein ausgedacht hat. Ich kann mir sehr viel mehr Sätze selber | |
| ausdenken.“ | |
| Die zweite Bürgermeisterin ist verschwunden, twittert jedoch nach wenigen | |
| Tagen aus Estebrügge im Alten Land. „Es ist richtig, dass ich mich vor, | |
| während und nach G20 irgendwie nicht verhalten habe. Ich finde es | |
| allerdings absolut ok, auch mal unschlüssig zu sein. Das ganze mediale | |
| Gewese darum war sehr unnötig. Deshalb bleibe ich jetzt hier. | |
| Stiefmütterchenzucht ist sehr viel dankbarerer als Politik.“ | |
| ## März | |
| „Hübsch? Frech? Was mit Internet? Be Katja!“ Die Hamburger FDP startet die | |
| Initiative „FNTM – FDP’s next Topmodel“. Die Kandidatinnen sollen | |
| „irgendwas mit Yuppie“ und politisch schon ein bisschen interessiert sein. | |
| Beim glanzvollen Casting geht es um Katja-Suding-mäßige Sachen: eine | |
| positive Lebenseinstellung und darum, beim Sitzen hübsch die Knie | |
| beieinander zu halten. Gewinnerin von Anfang an: die Hamburger | |
| Instagramm-Influencerin Pamela Reif. Blond, drei Millionen Follower und | |
| zwei sehr gute Missionen: „Meiden! Negative Menschen einfach meiden. Und | |
| Grünkohlsmoothies zum Frühstück.“ | |
| Katharina Fegebank ist wieder da und findet die Veranstaltung „bedenklich, | |
| aber auch gut“. Sie glänzt in einem grünen Kleid. | |
| ## April | |
| Scholz’ zweiunddreißigster Talkshowauftritt 2018. Will unser Bürgermeister | |
| nach Berlin? „Das schmunzel ich jetzt einfach mal weg“, so Scholz. „Helmut | |
| Schmidt hat sehr richtig gesagt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Und | |
| ich habe einen sehr guten Arzt. Ich bleibe immer und ewig in Hamburg. Außer | |
| die Tabletten sind alle.“ | |
| Die AfD feiert Jubiläum. Seit drei Jahren ringt sie um einen Platz in der | |
| Härtefallkommission der Bürgerschaft. Insgesamt 18 Mal fielen ihre | |
| Mitglieder in dem Gremium, das über Abschiebefälle berät, durch. „Das ist | |
| eine gediegene Leistung, so etwas darf man auch mal honorieren“, lobt | |
| Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit. Es gibt niedliche | |
| Vergissmeinnicht-Sträußchen für die gescheiterten Kandidaten. | |
| ## Mai | |
| Ende der Bundesliga-Saison. Der HSV kommt in die Relegation gegen | |
| Sandhausen und versemmelt beide Spiele prächtig. „Einen sportlichen Absturz | |
| und desaströse Finanzen sollte man nicht überbewerten“, kommentiert | |
| Investor Klaus Michael Kühne. „Man muss nicht jeden Kurs korrigieren, | |
| manchmal bringt es auch was, das Schiff einfach schön gegen den Eisberg | |
| fahren zu lassen.“ | |
| ## Juni | |
| Chi-Chi, Karl Lagerfelds unehelicher Hamburger Sohn, eröffnet ein | |
| Flüchtlingsheim in Schenefeld. Karl kommt und nuschelt Bonmots. „Stress? | |
| Kenn ich nicht. Ich kenn nur Strass.“ Seine Botschaft an die | |
| Hamburgerinnen: „Der emanzipierten Frau ins Stammbuch: Wer Ellbogen zeigt, | |
| kann auch Knie zeigen.“ Katharina Fegebank lächelt wissend und glänzt im | |
| silbernen Kleid. Kniefrei. | |
| Die Hamburger „Stabstelle Gleichstellung und geschlechtliche Vielfalt“ | |
| protestiert energisch. Dieter Bohlen meldet sich aus Tötensen. „Ja, der Typ | |
| is’ ’ne Fischvergiftung, aber das mit den kurzen Röcken ist pushy, pushy. | |
| Lass mal ’n Musical draus machen. Oder nee, lieber eins über mich.“ | |
| ## Juli | |
| Dennis Gladiator (Maxime: „Der Traum von Rom soll Wirklichkeit werden!“) | |
| stoppt den Protest gegen die Elbvertiefung. Allein. Der | |
| CDU-Bürgerschaftsabgeordnete verpflanzte den Schierlings-Wasserfenchel | |
| bereits Anfang des Jahres in seinen Gartenteich und wilderte ihn | |
| anschließend mit der neuen „Grüne Hamburger Jungunion“ an den Zuläufen d… | |
| Alster aus. Trepol gewährt Gladiator ein Ohr. | |
| ## August | |
| Rekord! Rekord! „Hamburg-Tourismus“ freut sich. Mächtig! Eine Million | |
| Übernachtungen, zehn Millionen Tagesgäste allein im Juli. Famos. In Harburg | |
| werden 43 neue Hotels geplant. Fünf Mississippi-Dampfer verkehren von den | |
| Landungsbrücken zum Harburger Binnenhafen. Und nach Barmbek. Und nach | |
| Osdorf. | |
| Die Hamburger radikalisieren sich. In Blankenese startet die Initiative | |
| „Blankenese den Blankenesern“. Auf dem Süllberg wird ein Camp eingerichtet. | |
| Eintreffenden Touristen wird aus Wasserpistolen Chanel-Parfum in die Augen | |
| gespritzt. | |
| Paddelboote und Alstersegler bilden eine Abfangkette auf der Elbe und | |
| blockieren einfahrende Kreuzfahrtschiffe. | |
| ## September | |
| Eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt muss erneuert werden. Die | |
| marode Lichtorgel in Planten un Blomen wird für drei Millionen Euro wieder | |
| in Schuss gebracht. Alle Fraktionen stimmen zu, allein der AfD- | |
| Landesvorsitzende bemängelt Begleitmusik und Farbenvielfalt der Fontainen. | |
| „Viel zu bunt“, so Dirk Nockemann. „Das macht nur wuschig. Unser Blau | |
| reicht völlig. Und dann diese Sache mit Tschaikowski und Smetana. Wir haben | |
| doch ausreichend sehr gute Hamburger Komponisten! Zum Beispiel Heine und | |
| Dieter Bohlen.“ | |
| ## Oktober | |
| Hanseatische Mildtätigkeit und Abenteuer gehen herrlich zusammen. Mit den | |
| ersten Herbststürmen veranstalten die Jachtklubs Seenotretter-Kurse in den | |
| Windkanälen der Außenalster. „Wer auch immer übers Meer kommt – immer re… | |
| ins Boot“, erklärt der Vorstand des Hamburger Segelklubs. | |
| ## November | |
| Die Unzufriedenheit der Hamburger mit dem Verkehrskonzept des Senats | |
| entgleist. Protest-Autokorsos und permanente Fahrraddemos bringen den | |
| Verkehr zum Kollaps. Rot-Grün beschließt eine vierwöchige Testphase unter | |
| dem Motto „Svdkds – schön vorsichtig, dann klappt das schon“’ Neue Reg… | |
| Jeder, wie er will. Das umständliche Geraffel von Busspuren, Autostraßen, | |
| Radwegen und Parkplätzen wird aufgehoben. Im Hamburger Volksmund firmiert | |
| das neue Konzept unter „Klappi“ und wird begeistert angenommen. Die Rote | |
| Flora plakatiert. „Das Chaos sind gefälligst wir, nicht die anderen!“ | |
| ## Dezember | |
| „Klappi“ klappt. Die Zahl der Unfälle hat sich innerhalb eines Monats um | |
| fünfzig Prozent reduziert. | |
| Katharina Fegebank vergibt jede Menge polierter Ehrenplaketten an | |
| engagierte HamburgerInnen und sagt, dass Glanz überhaupt sehr unterbewertet | |
| sei. Sie glänzt in einem goldenen Kleid. | |
| Die Kirchen sind proppevoll. Im Jahresverlauf wurden dreißig von ihnen | |
| geschlossen. Bischöfin Kerstin Fehrs und Erzbischof Stefan Heße sind sich | |
| einig. „Das hat einfach mehr Wumms ins Ganze gebracht.“ | |
| 31 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sylvia Heinlein | |
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