| # taz.de -- Hamburgs SPD: Streit um Fraktionschef: Fröhliches Flügelschlagen | |
| > Kaum ist Olaf Scholz weg, geht es schon wieder los: Die SPD in Hamburg | |
| > sucht nach einem neuen Fraktionschef – und die alten Hahnenkämpfe | |
| > beginnen von neuem. | |
| Bild: Attacke: In Hamburg heißt es wieder mal Rot gegen Rot | |
| Hamburg taz | Das Haus ist schlecht bestellt. Seit Anfang Februar schon ist | |
| den 59 Abgeordneten der SPD in der Hamburger Bürgerschaft bewusst, dass sie | |
| ihren Fraktionsvorsitzenden Andreas Dressel verlieren werden. Zwar | |
| wechselte der am Mittwoch nicht als Bürgermeister, sondern als | |
| Finanzsenator in den Senat, aber seine Nachfolge ist noch immer ungeklärt. | |
| Mit der Folge, dass in der SPD längst überwunden geglaubte Lagerkämpfe | |
| wieder aufflackern. Ohne den langjährigen Zuchtmeister Olaf Scholz droht | |
| munteres Flügelschlagen. | |
| Milan Pein und Dirk Kienscherf heißen die Protagonisten, und über beide | |
| heißt es aus der Fraktion, dass sie von ihren jeweiligen Lagern eher | |
| gedrängt werden, als dass sie sich selbst nach vorn drängelten. Vom linken | |
| Flügel ist Pein, vom rechten Kienscherf, aus Eimsbüttel der eine, aus Mitte | |
| der andere. Pein ist selbst Kreisvorsitzender, Kienscherf der Gefolgsmann | |
| seines mächtigen, außerhalb seiner eigenen Gefilde aber ungeliebten | |
| Kreisfürsten Johannes Kahrs. | |
| Eine Mehrheit gibt es für keinen der beiden. Etwa ein Drittel der | |
| Abgeordneten, so raunt es aus der Fraktion, in der sich kaum jemand | |
| zitieren lassen will, lehnt beide ab. Eine alternative Kandidatin indes ist | |
| nicht in Sicht. Keine einzige der immerhin 26 SPD-Volksvertreterinnen hat | |
| bislang Ambitionen geäußert, auch Dressels bisherige drei | |
| Stellvertreterinnen Ksenija Bekeris, Martina Friederichs und Monika Schaal | |
| haben den Finger nicht gehoben. Und es wird immer unwahrscheinlicher, dass | |
| doch noch eine will: Sofort hätte sie den Ruf weg, nur eine deeskalierende | |
| Kompromisslösung zu sein. | |
| Nach Ostern will die Fraktion die Personalie geklärt haben, am 9. April | |
| steht die Wahl auf der Tagesordnung der Fraktionssitzung. Bis dahin aber | |
| müssen auch Revierfragen geklärt werden, die wichtig sind für die | |
| empfindliche Machtbalance in der Partei. | |
| Dressel ist Vorsitzender des mitgliederstärksten SPD-Kreisverbandes | |
| Wandsbek. Der besteht darauf, auch künftig in der Fraktionsspitze vertreten | |
| zu sein. Insbesondere der ehrgeizige Hauke Wagner, Sohn des langjährigen | |
| Bausenators „Beton-Eugen“ Wagner und stellvertretender Kreisvorsitzender, | |
| drängt nach höheren Würden. Der 35-Jährige vom rechten Flügel schließt | |
| jedoch aus, in Konkurrenz zu Kienscherf zu treten. Sollte indes der linke | |
| Pein sich als einziger Kandidat für den Chefposten durchsetzen, will Wagner | |
| gegen ihn antreten: „Das ziehe ich durch“, so Wagner zur taz. | |
| ## Traditionell verfeindete Bezirke | |
| Einen Aufstieg von Kienscherf, als parlamentarischer Geschäftsführer | |
| bislang die Nummer 5 in der Fraktionshierarchie, würden wiederum die mit | |
| dem Kreisverband Mitte traditionell verfeindeten GenossInnen in Altona und | |
| Eimsbüttel kaum akzeptieren. Speziell der große Kreisverband Altona, der | |
| mit Olaf Scholz sein prominentestes und mächtigstes Mitglied auf der | |
| Landesebene verliert, erwartet eine Kompensation. Auch der als links | |
| geltende Kreis Nord, dessen Chef Peter Tschentscher am Mittwoch im | |
| Landesparlament zum neuen Ersten Bürgermeister gewählt wurde, steht dem | |
| Kahrs-Lager mehr als reserviert gegenüber. | |
| Eine Zuspitzung bis hin zu einer Kampfkandidatur zwischen Kienscherf und | |
| Pein vermeiden will die erst vor einer Woche auf einem Parteitag zur neuen | |
| Landesvorsitzenden gewählte Sozialsenatorin Melanie Leonhard aus dem eher | |
| kleinen und unverdächtigen Kreis Harburg. Denn der letzte Vorfall dieser | |
| Art ist in der SPD noch nicht vergessen. | |
| Ende März 2004, nach der erneuten Wahlniederlage der SPD und der absoluten | |
| Mehrheit für CDU-Bürgermeister Ole von Beust, hatte der Parteirechte | |
| Michael Neumann, Kahrs’ Stellvertreter im Mitte-Vorsitz, den Fraktionschef | |
| Walter Zuckerer gestürzt, einen ausgewiesenen Linken aus Altona. Das | |
| Ergebnis von 21:20 Stimmen spiegelte die Zerrissenheit von Fraktion und | |
| Partei wider. Eine Neuauflage dieses Dramas vor genau 14 Jahren möchte | |
| niemand, das erhöht den Druck zur Einigung. | |
| ## Warnungen an die neue Parteichefin Leonhard | |
| Allerdings ist aus der Fraktion auch schon zu hören, Leonhard solle sich | |
| bloß nichts einbilden. Die Abgeordneten seien autonom, da habe eine | |
| Parteichefin und Senatorin gar nichts zu melden. Dem bisherigen | |
| Oberhäuptling Olaf Scholz derartig Grenzen aufzuzeigen, hätte sich niemand | |
| getraut. Ein erstes vertrauliches Gespräch zwischen Leonhard und den beiden | |
| Kandidaten am Mittwochabend endete denn auch ergebnislos. | |
| Und so dürfte die Frage des Fraktionsvorsitzes sogleich zur ersten | |
| Bewährungsprobe für die neue Landesvorsitzende werden. Hamburgs SPD lebt | |
| noch, lebt wieder, und sie flattert fröhlich mit den Flügeln, bevor sie | |
| aufeinander einhackt. | |
| 31 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven-Michael Veit | |
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