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# taz.de -- Selbstfahrende Busse: Ein Pro und Contra: Fahren ohne Fahrer
> Die Hochbahn will in der Hafencity selbstfahrende Kleinbusse testen, um
> in zehn oder 20 Jahren vielleicht Hunderte einzusetzen. Ist das ein
> Fortschritt?
Bild: Niemand hinterm Steuer: So könnten die autonomen Kleinbusse aussehen
In der Hansestadt sollen ab Herbst erstmals autonom fahrende Busse im
Straßenverkehr unterwegs sein. Das Projekt mit dem Namen „HEAT“ („Hamburg
Electric Autonomous Transportation“) wird ab Februar starten. Das besondere
an HEAT im Vergleich zu anderen Projekten dieser Art ist, dass die
Fahrzeuge erstmals mit Geschwindigkeiten von bis zu 50 Stundenkilometern
auf städtischen Straßen unterwegs sind. Ist diese Entwicklung zu begrüßen?
## Ja, sagt Sven-Michael Veit
Zigmillionen Menschen halten sich für den besseren Fußball-Bundestrainer.
Mindestens genauso viele glauben, der oder die beste AutofahrerIn zu sein.
Und da liegt das Problem: Tatsächlich gibt es nichts, was unsicherer und
unökologischer wäre als Menschen hinterm Steuer.
Die Digitalisierung des Verkehrs und vor allem des öffentlichen Nahverkehrs
ist eine unverzichtbare Möglichkeit, die Zukunft der Mobilität zu
gestalten. Selbstfahrende Busse und U-Bahnen und Frachtschiffe ohne
Besatzungen sind längst Realität.
Die erste U-Bahn ohne Fahrer wurde 1985 in der nordfranzösischen Stadt
Lille auf die Schienen gesetzt, 2015 beförderten selbstfahrende Metros in
Europa mehr als eine Milliarde Fahrgäste. Es funktioniert unfallfrei und
besser: Durch höhere Taktdichte befördern digital gesteuerte U-Bahnen 20
Prozent mehr Passagiere und senken den Energieverbrauch um 30 Prozent –
beides senkt Betriebskosten und wirkt sich preisdämpfend auf Tarife aus.
Selbstredend ist ein in sich geschlossenes System wie eine unterirdische
und kreuzungsfreie U-Bahn für automatisiertes Fahren besonders geeignet.
Deshalb gibt es damit auch weltweit die meisten Erfahrungswerte. Es ist an
der Zeit, dieses Wissen auf andere Verkehrsträger zu übertragen. In vielen
großen Containerhäfen, auch in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven
transportieren Automated Guided Vehicles (AGV) die Container vom und zum
Schiff, geleitet von Transpondern, die auch den Weg und den Zeitpunkt zum
Batteriewechsel bestimmen. Es ist die Vorstufe zum selbstfahrenden Lkw und
Güterzug – beide werden kommen.
Sicher: Die Vorstellung, dass Busse ohne Busfahrer durch Städte wie Hamburg
fahren, ist gewöhnungsbedürftig. Aber es ist, analog zur U-Bahn, effektiver
und sicherer: Korrekte Geschwindigkeit und automatische Abstandshalter
vermindern die menschengemachte Fehlerquote drastisch. Unfälle verursachen
dann höchstens noch Autofahrer, die eine rote Ampel missachten oder
Fußgänger, die nur auf ihr Smartphone achten. Auch automatische Busse
können seitlich gerammt werden, das Problem wird sich so rasch nicht lösen
lassen.
Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass 95 Prozent eines Urlaubsfluges nur
noch vom Autopiloten gesteuert wird. Wenn das nicht so wäre, wäre das eine
höchst wackelige Angelegenheit, die zu dramatischen Passagierrückgängen
führen würde. Im Bus und in der U-Bahn müssten wir nur auf die sonore und
beruhigende Stimme des Kapitäns verzichten, der uns den Wetterbericht für
den Zielort bekannt gibt. Aber das Wetter in Hamburg kennen wir ja selbst.
## Nein, sagt Kaija Kutter
Die Hochbahn will in der Hafen-City autonom fahrende Busse testen. Sie will
sehen, ob sie in zehn oder 20 Jahren „Hunderte autonome Busse in Hamburg
einsetzen“ kann, dann bräuchte man „entsprechend weniger Busfahrer“, wird
der Hochbahn-Chef im Hamburger Abendblatt zitiert. Darüber ein Foto, auf
dem er lächelt.
Sterben denn bis 2030 die Busfahrer aus? Oder warum ist das eine gute
Nachricht? Noch wisse man nicht, ob man solche Busse einsetze, beruhigt ein
Hochbahn-Sprecher. Es gehe darum, die Technik zu erforschen – auch die
Akzeptanz – und darum, überhaupt einen Fuß in der Tür zu haben. Täten
öffentliche Firmen das nicht, kämen private Unternehmen damit auf den
Markt. Der selbstfahrende Verkehr, öffentlich organisiert, gilt als
Öko-Vision. Weil wir weniger Autos bräuchten, gäbe es mehr Platz, so die
Idee.
Aber ist es erstrebenswert, weitere Tätigkeiten abzuschaffen? Wo wir heute
schon zu wenig Berufe haben, für die man keine hohe Qualifikation braucht?
Einen Bus zu lenken, ist eine verantwortungsvolle Sache. Und trotz des
Geburtenrückgangs haben wir heute noch zu wenig Lehrstellen. Für junge
Menschen, die nicht wissen, wie sie sich beruflich einbringen sollen, ist
ein Fahrerjob oft die Rettung. Für die Jugendlichen, die nur Schule und
Zuhause den PC kennen, ist der Führerschein oft die erste „echte“ Sache.
Das ist wichtig, denn können Menschen nichts tun außer konsumieren, macht
es sie krank.
Und im Bus? Wenn man die Person vom Lenker abzieht, wer schaut hinten nach
dem Rechten? Der Fahrer lenkt nicht nur, er hat natürliche Autorität und
schlichtet Streit. Der tägliche Kontakt mit dem Busfahrer ist für viele
Menschen wichtig. Unsere Gesellschaft wird gerade so organisiert, dass in
immer mehr Bereichen mit niemandem mehr gesprochen wird. Auch das macht
krank. Und als Ersatz braucht man dann Security-Leute oder Fahrgastbetreuer
in roten Jacken, wie sie an Bahnhöfen stehen, seit es dort kaum noch
Schaffner mit echter Aufgabe gibt.
Diese autonomen Autos werden sowieso unheimlich. Angeblich wird derzeit
erforscht, wie die Autofenster zu [1][Bildschirmen] umfunktioniert und mit
Unterhaltung bespielt werden können, weil die Menschen ja nicht rausgucken
müssen. Dabei ist Rausgucken auch so eine echte Tätigkeit, die dringend
unter Kulturerbeschutz gehört.
Es muss nicht alles kommen, was technisch geht. Die Technik ist für den
Menschen da, nicht umgekehrt. Ein selbstfahrender Bus muss von
gesellschaftlichem Nutzen sein. Sonst ergibt er keinen Sinn.
15 Jan 2018
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## AUTOREN
Sven-Michael Veit
Kaija Kutter
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Öffentlicher Nahverkehr
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