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# taz.de -- Fernsehen im selbstfahrenden Auto: Spritztour zum Mars
> Wenn man nicht mehr lenken muss, kann man fernsehen, haben TV-Macher
> begriffen. Sie bereiten sich aufs autonome Fahren vor.
Bild: Wer die Finger nicht am Lenkrad hat, kann sich Filme und Serien reinziehen
Im Lauf ihres Lebens verbringen Deutsche statistisch rund zweieinhalb Jahre
in Autos. Über 45 Millionen Pkw waren 2017 hierzulande angemeldet. Ein
riesiger Markt, der sich mitten in einem revolutionären Prozess befindet:
Autonomes Fahren könnte radikale Veränderungen mit sich bringen. Zu
Beispiel, das Autofahren zu Freizeit wird, die mit Entertainment gefüllt
werden kann. „Daraus ergeben sich für uns neue, attraktive
Wachstumsperspektiven“, freut sich jetzt schon der
ProsiebenSat.1-Vertriebschef Michael Müller. „Denn der Fahrer wird zum
Zuschauer.“
Müller und andere Senderverantwortliche verhandeln längst mit allen
wichtigen Autoherstellern und Netzanbietern, um Konzepte für die Nutzer in
den Fahrzeugen zu entwickeln. Angesichts der Konkurrenz aus dem Internet
hoffen die Medienmanager, Zuschauer zurückzugewinnen.
Allerdings sind dann auch neue Formate gefragt. So sieht es Nils Wollny,
Leiter der Abteilung „Digital Business Strategy/Customer Experience“ bei
Audi: „Wenn ich nur 30 Minuten unterwegs bin, dann passen die herkömmlichen
Formate nicht.“ Inhalte müssten sich an Umfelder, Zeiträume, Örtlichkeiten
sowie an Fahrzeuginformationen anpassen, „sodass ein gutes Kundenerlebnis
möglich wird.“
## Scheiben zu Bildschirmen
Wie das konkret aussehen kann, hat die Aktion „[1][Field Trip to Mars]“ in
Washington D.C. im vorletzten Jahr gezeigt: In einem normalen Schulbus
wurden die Fensterscheiben zu hochauflösenden Displays umfunktioniert, auf
die eine Marslandschaft projiziert wurde – die Schüler unternahmen so
praktisch einen Ausflug über den roten Planeten. Die realen
Fahrzeugbewegungen und Geschwindigkeiten waren so abgestimmt, dass sie mit
den visuellen Darstellungen auf den Scheiben übereinstimmten.
Fast alle Hersteller beschäftigen sich derzeit mit der Frage, wie
Fensterscheiben am besten zu Bildschirmen umfunktioniert werden. „Das ist
auch für das Thema Information sehr relevant“, so Lars Wagner. Der Experte
für Digitale Innovation hat sich zuletzt unter anderem für Universal und
Disney mit neuen Medienformen beschäftigt. Wagner denkt auch an
Möglichkeiten der sogenannten „Augmented Reality“: „Auf die Scheiben
könnten direkt Informationen zur Umgebung eingeblendet werden,
beispielsweise zur Geschichte oder zu einem Gebäude.“
Neben Medien- und Automobilkonzernen sind vor allem Netzbetreiber daran
interessiert, das neue Geschäftsfeld zu besetzen. „Die Hersteller haben
kein Interesse, mit den verschiedensten Lieferanten Verträge abzuschließen
und deren System im Auto zu integrieren“, meint der
Vodafone-Innovationschef Michael Reinartz. „Sie wollen lieber mit nur einem
Partner sprechen.“ Über zehn Millionen Fahrzeuge habe Vodafone bereits
vernetzt. Spätestens ab 2020, denkt Reinartz, werde Vodafone mit einer
entsprechenden Infrastruktur am Markt sein.
Ab wann allerdings selbstfahrende Autos in Serie gehen und wann die
entsprechenden Gesetze verabschiedet sein werden, darüber gehen die
Meinungen auseinander. Aber selbst Skeptiker nehmen an, dass das
Zukunftsszenario in zehn Jahren Alltag ist.
## Fahrzeit wird Freizeit
Bereits im Frühjahr bringt ein deutscher Hersteller ein Modell auf den
Markt, das in eingeschränktem Rahmen vollautonom auf der Autobahn unterwegs
sein kann, und bei dem die Fahrer nicht mehr verpflichtet sind, das Lenkrad
zu betätigen.
Und so prognostiziert Michael Sprenger, Geschäftsführer von Hülpert, einer
der größten deutschen Autohaus-Gruppen: „Wenn Kunden zukünftig zu uns
kommen, werden wir nicht nur ein autonomes Fahrzeug verkaufen, sondern auch
die verschiedenen Unterhaltungs- und Informationsfeatures, die es bietet.“
Sprenger erwartet zudem einen drastischen Wandel im Nutzungsverhalten der
Konsumenten: „Das autonome Fahren wird in Ballungszentren dazu führen, dass
immer weniger Autos gekauft, sondern nach Bedarf auf Abruf, etwa per App,
bestellt werden.“ Das wäre allein aus dem Grund sinnvoll, dass
Privatfahrzeuge die meiste Zeit überhaupt nicht in Betrieb sind, aber
trotzdem Platz wegnehmen. „Wir Händler werden insofern verstärkt
Mobilitätsanbieter werden“, mutmaßt der Manager. Das scheint auch
notwendig, da Experten für die Ära der autonomen Fahrzeuge einen Rückgang
des Absatzes um die Hälfte befürchten.
Für die Fernsehmacher schließlich stellt sich erneut die Frage: Wer führt
den Zuschauer? Und wer steuert die Screens? „Die globalen Internetgiganten
kontrollieren immer mehr Plattformen und wissen dabei immer mehr über ihre
Kunden“, mahnt Michael Müller von ProSiebenSat.1. Er sieht darin nicht nur
eine Wettbewerbsverzerrung, sondern auch eine Gefährdung von
Verbraucherinteressen.
10 Jan 2018
## LINKS
[1] http://www.mirror.co.uk/tech/kids-go-mars-school-bus-10064001
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Selbstfahrendes Auto
Augmented Reality
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Fernsehen
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