# taz.de -- Reservistenverband und rechte Umtriebe: Arisches Blut.mp3 | |
> Seit Jahren tobt im Reservistenverband ein erbitterter Streit. Es geht um | |
> rechtsextreme Musikdateien und die Rolle des Verfassungsschutzes. | |
Bild: 115.000 Mann stark: der Reservistenverband der Bundeswehr, hier bei einer… | |
Berlin/Schwerin taz | Angenommen, Sie sind Chef. Und dann finden Sie bei | |
einem Ihrer Mitarbeiter Hunderte Dateien rechtsextremistischer Musik. | |
Wollen Sie diesen Mann weiter für sich arbeiten lassen? Nein – oder? | |
So ein Mitarbeiter soll Thomas K. sein. Er arbeitet für den | |
Reservistenverband in Mecklenburg-Vorpommern. Am 23. Januar 2014 schließen | |
Kollegen eine Festplatte K.s an ihren Computer an, um Fotos zu suchen. Sie | |
können sie nicht finden. Also starten sie eine Software, mit der sich | |
Dateien wieder herstellen lassen. Auf K.s Datenträger taucht ein riesiges | |
Verzeichnis auf, insgesamt über 240.000 Dateinamen. Darin: Adresslisten des | |
Reservistenverbands, Bilder von Verbandsveranstaltungen, private Fotos und | |
Filme, zum Beispiel: Asterix erobert Rom. Nicht die privaten Daten sind | |
brisant. Brisant ist die kaum enden wollende Liste mutmaßlich | |
rechtsextremistischen Inhalts. Unter Hunderten ähnlichen Dateinamen finden | |
sie: | |
„Adolf Hitler – DEUTSCHE JUDEN.mp3“, | |
„Blood & Honour – The Protocols – The forced war.mp3“, | |
„Division Wiking – Nordischer Spross.mp3“, | |
„Landser – Punker, Schwule, Kommunisten.mp3“, | |
„Rassenhass – Titel 5.mp3“, | |
„ss-Totenkopf – Track 11.mp3“, | |
„Volkszorn – Der Ewige Jude.mp3“, | |
„Zillertaler Türkenjäger – SS-SA-Germania.mp3“, | |
und: „Arisches Blut – Hitlers 100. Geburtstag.mp3“. | |
So geht es aus Dokumenten hervor, die der taz vorliegen. Es sind | |
Briefwechsel, Gesprächsprotokolle, Dateiauszüge aus dem Innenleben des | |
Reservistenverbands. Manche lesen sich wie aus einem Kriminalfall entlehnt, | |
andere wie aus einen Agententhriller. Sie dokumentieren, dass die | |
Funktionäre des Verbands so zerstritten sind, wie es wohl nur Funktionäre | |
sein können. Aus den Unterlagen und aus Dutzenden Gesprächen mit | |
Beteiligten lässt sich ein besonderer Fall mit einem besonderen Ausgang | |
nachzeichnen: Heute, fast auf den Tag genau vier Jahre später, arbeitet | |
Thomas K. noch immer für den Reservistenverband. | |
## Der Verband, ein Ort für Freunde der Bundeswehr | |
Warum darf einer, der mutmaßlich Hunderte rechtsextremer Dateien besaß, | |
weiter für den Reservistenverband arbeiten, neue Mitglieder anwerben, mit | |
Waffen trainieren? Einem Verband, dessen Personal- und Verwaltungsaufgaben | |
zu 100 Prozent vom Bund finanziert werden? | |
Es lohnt sich, diese Frage einem Mann zu stellen, der über fünf Jahre | |
Präsident des Reservistenverbands war. Eigentlich hätte er die | |
Festplattenaffäre überstehen müssen, aber es war umgekehrt: die | |
Festplattenaffäre überstand ihn. Sein Name ist Roderich Kiesewetter, | |
Abgeordneter des Deutschen Bundestags, Mitglied der CDU. Bevor er | |
Abgeordneter wurde, war Kiesewetter 27 Jahre lang Soldat. Von 2011 bis 2016 | |
war er Präsident des Reservistenverbands. | |
Der Reservistenverband der Bundeswehr ist ein Verein mit 115.000 | |
Mitgliedern. Die meisten sind Exsoldaten, alle überzeugte Anhänger der | |
Truppe. Als Kiesewetter im Herbst 2011 ins Amt kommt, erkennt er: Der | |
Verband ist anziehend für Rechtsextreme. Als eine seiner ersten | |
Amtshandlungen verbannt er zwölf NPD-Mitglieder. Kurz nach seinem | |
Amtsantritt erklärt Kiesewetter im Interview mit der taz: „Wer | |
rechtsextremes Gedankengut pflegt und die Verfassung missachtet, hat keinen | |
Anspruch auf eine Ausbildung an der Waffe, wie wir sie ja auch | |
durchführen.“ Er sagt ebenfalls: „Ich hätte mir auch gewünscht, dass es | |
hier früher mehr Sensibilität gegeben hätte.“ Es ist eine Ansage an seine | |
eigenen Reihen. | |
## Verfassungsschutz soll warnen | |
In diesem Interview fordert Kiesewetter, dass der Verfassungsschutz den | |
Verband künftig warnt, wenn sich fragwürdige Gestalten dort tummeln. Der | |
Reservistenverband ist formal jedoch nichts anderes als ein Sportverein, | |
Mitglieder dürfen nicht systematisch überprüft werden. Aber es findet sich | |
ein Weg: Der damalige Hauptgeschäftsführer des Reservistenverbands, der | |
über beste Kontakte in die deutschen Nachrichtendienste verfügt, soll als | |
informelle Verbindung ins Bundesinnenministerium und zum Bundesamt für | |
Verfassungsschutz fungieren. | |
Nur wenige Wochen vor Kiesewetters Amtsantritt beschließt ein anderer Mann, | |
für den Reservistenverband arbeiten zu wollen: Thomas K. bewirbt sich in | |
Mecklenburg-Vorpommern. Zuvor hatte er ein paar Semester Wirtschaft und | |
Jura studiert, eine Ausbildung in einer Verwaltung gemacht und einige Zeit | |
bei einer Krankenkasse gearbeitet. | |
Was nicht in seinem Lebenslauf steht: Thomas K. wird zu diesem Zeitpunkt | |
noch in der Gewalttäterdatei „Sport“ geführt. Er hat deutschlandweit | |
Stadionverbot. Er ist Mitgründer einer Fangruppierung names „Baltic Boys“ | |
und auf Auswärtsspielen posiert er neben Freunden, die sich Glatzen rasiert | |
haben. | |
Seine Bewerbung kommt gut an. K. wird eingestellt. Den Arbeitsvertrag | |
unterzeichnet der Mann, der die Verbindung zur Verfassungsschutzabteilung | |
des Innenministeriums hält. | |
## Thomas K., der neue Mitarbeiter, fällt auf | |
Der neue Mitarbeiter, so fällt es einigen Kollegen und Vorgesetzten bald | |
auf, ist unzuverlässig, sie misstrauen ihm. Bei einer Dienstreise, | |
bemängeln sie, hält er sich nicht an die Antragsformalitäten. Er wirbt | |
Jäger für eine Schießsportgruppe des Reservistenverbands an. Als er am 27. | |
April 2013 auf eine Dienstreise ins polnische Stettin fährt, um dort mit | |
deutschen und polnischen Reservisten sowie mit deutschen Jagdschützen an | |
einem sogenannten IPSC-Schießen teilzunehmen, sehen sie darin ein | |
Alarmsignal: IPSC-Schießen ist eine besondere Form, bei der Schützen auch | |
aus der Bewegung heraus schießen dürfen; viele erinnert sie eher an | |
militärisches Training als an Sport. Der Reservistenverband hat das unter | |
seinem Dach verboten. | |
Also wollen sie ihn loswerden, im Landesverband. Aber da ist ein Problem: | |
Es ist nicht der Landesverband selbst, der K. kündigen kann, sondern nur | |
die Bundesgeschäftsstelle. Die will davon nichts wissen, auch nicht nachdem | |
im November 2013 ein 59-seitiges Schreiben eingeht, in dem K. zahlreiche | |
Verfehlungen vorgehalten werden. | |
Diese Vorgeschichte könnte eine Erklärung dafür sein, warum die | |
Festplattenaffäre wie eine Lappalie beginnt. Im September 2013 fordert K.s | |
Vorgesetzter diesen per E-Mail auf, eine dienstliche Festplatte | |
herauszugeben. Drei Monate später folgen eine weitere Mail, ein | |
persönliches Gespräch, noch eine E-Mail. Um es abzukürzen: Es werden Monate | |
vergehen bis K. eine externe Festplatte überreichen wird. | |
Erst eine private, deren Daten sich wieder herstellen lassen. Darauf: | |
persönliche Fotos, Briefe und eine Datei mit dem Buch „Mein Kampf“. Auch | |
auf dieser Festplatte befinden sich rechtsradikale Musikdateien, sie haben | |
sich sogar abspielen lassen, meldet der Landesverband. Von Schwerin aus | |
wird die Hard Disk per Post an die Bundesgeschäftsstelle geschickt. | |
## Anweisung von oben: nicht weiter bohren | |
Dann reicht K. die dienstliche Festplatte nach, die zwei Mitarbeiter am 23. | |
Januar 2014 betrachten. Noch während sie versuchen, die Dateien zu | |
rekonstruieren, erfolgt eine Weisung aus der Bundesgeschäftsstelle, den | |
Wiederherstellungsprozess abzubrechen. Auch das geht aus Dokumenten hervor. | |
Die Kollegen, die die Daten finden, werden vorsichtig. Sie übergeben die | |
Festplatte persönlich an Vertreter des Bundesverbands, unter Zeugen. | |
Drei Wochen später, am 13. Februar 2014, findet ein Gespräch in Bonn statt. | |
Dort wird K. konfrontiert. Die Sachlage scheint klar. K. aber streitet die | |
Vorwürfe ab. Der Verband schlägt eine Abfindung vor, bietet K. eine | |
Versetzung an. Der aber sagt: Eine Versetzung fühle sich an, „als ob ich | |
die Menschen, die mir vertrauen, im Stich lasse“. | |
Bei einem dritten Gespräch in Berlin, Ende Juni 2014 ein halbes Jahr, | |
nachdem die Vorwürfe das erste mal erhoben wurden, passiert etwas | |
Beachtliches. Diesmal ist es der Justiziar des Reservistenverbands, | |
Hans-Joachim Jungbluth, der das Gespräch führt. Dies ist ein Ausschnitt aus | |
dem Gesprächsprotokoll, das der taz vorliegt: | |
„Er (Jungbluth, Anm. d. Red.) gibt das Wort „Hitler“ in die Suchmaschine | |
ein und präsentiert Herrn K. bildlich die Masse der Dateien, die durch | |
diesen Suchvorgang gefunden wurden. Darunter zählt er einige Dateien auf, | |
wie z. B. Reden von Adolf Hitler, Beiträge über Hitler aus dem ZDF | |
Fernsehen, Musikdateien einer Gruppe namens „Arisches Blut“. Ein paar | |
Dateien spielte Herr Jungbluth kurz vor und stellt klar, dass es sich bei | |
diesen Dateien nicht um verwerfliche Dateien handelt, er aber auch keine | |
Notwendigkeit sieht, dass sich eine solche Art von Dateien in dieser Masse | |
auf einer dienstlichen Festplatte befinden.“ | |
Was läuft schief in einem Verband, dessen Justiziar in einer Musikdatei der | |
Band „Arisches Blut“ keine verwerfliche Datei sieht? | |
## Das Rätsel der nicht abspielbaren Dateien | |
Anruf bei Hans-Joachim Jungbluth. Er sagt, zunächst: Nein, so habe er das | |
nicht gesagt und erst recht nicht gemeint. Was das überhaupt für ein | |
Protokoll sei, das wir da hätten? Das Telefonat dauert nicht lange. | |
Wenige Minuten später ruft Jungbluth zurück. Nun sagt er, nach Studium des | |
Protokolls: Seine Aussage, die Dateien seien nicht verwerflich, hätten sich | |
nur auf die ZDF-Dateien bezogen. | |
„ZDF History“, antworten wir am Telefon, interessiert uns nicht. Uns | |
interessiert, warum eine Musikdatei namens „Arisches Blut – Hitlers 100. | |
Geburtstag.mp3“ für den Reservistenverband offenbar nicht weiter von Belang | |
war. | |
Und nun beginnt die Geschichte, in der es für alles eine oder viele | |
Erklärungen gibt. | |
Hans-Joachim Jungbluth sagt, er habe die Datei mit dem Titel „Arisches | |
Blut“ nicht abspielen können. Es habe nur der Dateiname da gestanden, | |
theoretisch also könne sich dahinter völlig Unbedenkliches befinden. | |
Biene Maja?, fragen wir. | |
Zum Beispiel, sagt er. | |
Das sei, sagt er, aus arbeitsrechtlichen Gründen relevant. Ihn | |
interessiert, sagt er, nur das Arbeitsrecht. Es habe der Beweis gefehlt. | |
Hat das, fragen wir, für all die Dateien gegolten? Für Division Wiking, für | |
Rassenhass, für Zillertaler Türkenjäger? | |
Ja, sagt er, es hätten halt die Beweise gefehlt. | |
Wieso ausgerechnet all die unbedenklichen Dateien, Stichwort ZDF, | |
funktionierten, aber die bedenklichen nicht, dafür fehlt auch Herrn | |
Jungbluth die Erklärung. Und: Niemand weiß, welche Dateien von K. sind und | |
welche nicht. Weil jeder, der eine der Festplatten in der Hand hatte, etwas | |
daraufgespielt haben könnte. Der Verband hat sie zum Bundesamt für | |
Verfassungsschutz geschickt. Nur eines ist klar, als die Festplatten von | |
dort zurück kommen: Ihnen fehle die Beweiskraft. | |
Also bleibt das große Rätsel, was aus den rechtsextremen Musikdateien | |
geworden ist, die Reservisten auf K.s privater Festplatte gesehen und | |
gehört haben wollen – ob also diese Kameraden lügen, ob die Dateien | |
verloren gegangen sind oder bewusst beseitigt wurden. | |
## Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes? | |
Zu diesem Zeitpunkt, im Juni 2014, wird der Kampf um die Zukunft von Thomas | |
K. bereits seit Monaten ausgefochten. Wer von den Querelen verschont | |
bleiben soll, ist der Verbandspräsident. In einer Mail schreibt der | |
damalige Bundesgeschäftsführer, es sei eine seiner höchsten Prioritäten, | |
„den Herrn Präsidenten zu schützen“. Doch er kann die Affäre nicht von | |
Kiesewetter fernhalten. | |
Am 10. Oktober des Jahres 2014, schreibt Kiesewetter in einer Mail: | |
„Zugleich stellt das BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz, Anm. d. Red.) | |
fest, dass die Liste der Dateien, die separat mitgegeben wurde, so aktuell | |
und interessant ist, dass diese nicht einfach zusammen zu googlen wäre. Das | |
legt den Schluss nahe, dass es sich beim Ersteller der Liste um einen | |
Spezialisten handelt.“ In Klammern fügt Kiesewetter an: „Also echter | |
Neo-Nazi oder ein Verfassungsschützer.“ Kiesewetter schreibt über K., er | |
könne Opfer einer Intrige sein. Und: „Ebenso möglich ist es, dass er durch | |
die Dienste bewusst geschützt wird.“ | |
Im Verband können sie es kaum glauben: Der K. soll nicht nur rechtsextrem | |
sein, sondern auch noch V-Mann? Bis heute ist das nur ein Gerücht. Und eine | |
Erklärung, gegen die K. sich auch mit juristischen Mitteln wehrt. | |
## Thomas K. erzählt die Geschichte ganz anders | |
Als wir im Dezember 2017 Thomas K. die Gelegenheit zur Stellungnahme geben, | |
erscheint er in einem Café in Schwerin, ein Freund aus dem | |
Reservistenverband begleitet ihn. Eine Pressesprecherin aus der | |
Bundesgeschäftsstelle des Verbands ist ebenfalls angereist. Auch K. beginnt | |
eine Geschichte über den Verfassungsschutz zu erzählen, doch die geht ganz | |
anders. | |
Im März 2014 sitzt K. mit seiner Frau, dem Kind und einigen Verwandten bei | |
sich zu Hause am Esstisch, der Tisch ist mit Kaffee und Kuchen gedeckt, | |
sechs Kerzen brennen. Kindergeburtstag. Die Familie fasst sich an den | |
Händen, will ein Lied einstimmen, als es an der Tür klingelt. Zwei Männer | |
vom Verfassungsschutz sind gekommen, sie bitten K. um ein Gespräch. Er geht | |
mit ihnen an einen nahegelegenen See, das weiß er alles noch genau. Dort | |
wollen sie dann von ihm wissen: Gehört er rechtsextremen Vereinigungen an? | |
Geht er zu einschlägigen Konzerten? | |
Also stellen auch wir Fragen zu seiner Vergangenheit: Warum er | |
Stadionverbot hatte? Warum sein Name in der Gewalttäterdatei gelistet | |
worden war? Warum die Polizei einmal wegen versuchter Körperverletzung | |
gegen ihn ermittelte? | |
K. antwortet: An solche Details kann er sich nicht mehr erinnern. | |
Eines jedoch streitet er ab: dass er etwas mit den rechtsextremistischen | |
Dateien auf der Festplatte zu tun habe. | |
Die vielen Hände, durch die die Festplatte gegangen ist, der Chef des | |
Landesverbands, der mit dem Chef des Bundesverbandes streitet, der | |
Präsident, der V-Männer unter den Reservisten wähnt, der Verfassungsschutz, | |
der keine Dateien auf der Festplatte gefunden haben will – all das trägt | |
dazu bei, dass K. nicht einmal eine Erklärung dafür finden muss, wie solche | |
Dateien auf seine Festplatte kamen. Er kann immer mit einer Frage kontern: | |
Was wirft man mir eigentlich vor? | |
Bis heute hat niemand im Reservistenverband eine Strafanzeige gegen K. | |
gestellt. Stattdessen hat K. eine Strafanzeige gestellt, gegen den | |
Landesvorsitzenden des Reservistenverbands von Mecklenburg-Vorpommern – | |
wegen Verleumdung. Das Verfahren wird allerdings später eingestellt. | |
Derzeit streitet K. mit seinem Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht in | |
Rostock. K. fühlt sich gemobbt, etwa „durch die Behauptung des Herrn […] | |
gegenüber Dritten, er gehe davon aus, dass der Kläger als V-Mann in der | |
rechten Szene tätig sei“. So steht es im Urteil aus erster Instanz. | |
## Thomas K. ist noch da, der Verbandspräsident nicht | |
Und die Bundesgeschäftsführung? Die ermahnte K. 2016 genauso wie die | |
Führung des Landesverbands. Der damalige Bundesgeschäftsführer schreibt in | |
einem Entwurf, er erwarte von beiden „eine vorbildliche Pflichterfüllung“. | |
Und: „Sollten Sie diese Anweisung nicht befolgen, sehe ich mich gezwungen, | |
den Betriebsrat zu informieren und den Schuldigen zu kündigen.“ | |
Schuldig ist, wer stört. | |
Das ist der Stand der Festplattenaffäre, auch heute. Politiker aus den | |
Reihen der SPD, teils Landtags-, teils Regierungsmitglieder aus | |
Mecklenburg-Vorpommern, sind in der Zwischenzeit aus dem Reservistenverband | |
ausgetreten. Einer der prominentesten Reservisten des Bundeslandes, der | |
Innenminister Lorenz Caffier, CDU, Kapitänleutnant der Reserve, will | |
dagegen noch nie etwas von der Festplattenaffäre gehört haben. Und das | |
obwohl es Caffiers Aufgabe ist, rechtsextreme Bestrebungen in seinem | |
Bundesland aufzuklären, und obwohl Caffiers eigener Wahlkreismitarbeiter | |
bis 2017 noch Landespressebeauftragter des Reservistenverbands in | |
Mecklenburg-Vorpommern war – und Mitglied in der gleichen | |
Reservistenkameradschaft ist wie K. | |
Roderich Kiesewetter hat den Reservistenverband im Juni 2016 im Groll | |
verlassen. Zu dieser Zeit sind die politischen Konflikte im Verband | |
unübersehbar. Als Kiesewetter Anfang 2015 erfährt, dass zwei seiner | |
Präsidiumskollegen im Reservistenverband für den Bundesnachrichtendienst | |
tätig sind, fühlt er sich kompromittiert. Als er im September 2015 anregt, | |
dass sich Reservisten in der Flüchtlingshilfe engagieren sollen, erhält er | |
etliche Drohbotschaften und Hassnachrichten. | |
Heute liegt er über Kreuz mit seinem einstigen Verband, der nun von einem | |
Fraktionskollegen von ihm geführt wird, dem CDU-Bundestagsabgeordneten | |
Oswin Veith. Erst vor wenigen Monaten, kurz vor der Bundestagswahl im | |
September 2017, äußerte sich Kiesewetter noch einmal. Der Verband, sagt er | |
in einem Interview beiläufig, habe sich während der Flüchtlingskrise von | |
der gesellschaftlichen Mitte entfernt. „Ich wollte nicht das moderne, | |
freundliche Gesicht eines rückwärtsgewandten Verbands sein.“ | |
Im Präsidium des Reservistenverbands, so heißt es, lachen sich viele | |
darüber kaputt. Der Roderich, sagen sie, der soll froh sein, dass er noch | |
da ist, wo er ist. | |
22 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
Christina Schmidt | |
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