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# taz.de -- Rechtsextreme in der Bundeswehr: Nur ein Bußgeld für den Hitlergr…
> Die Bundeswehr ahndet rechtsextreme Vorfälle nicht konsequent. Wer
> bekennt, dass er „Kameraden vergasen“ möchte, kann den Zugang zu Waffen
> behalten.
Bild: Rechts um? Zum Abtreten nagut – sonst lieber nicht
Berlin taz | Der Herr äußerte sich eigentlich einschlägig.
„Scheiß-Kanaken“, sagte er. Und: „Man müsste hier alle vergasen.“ Auch
faselte der Zeitsoldat vor seinen Kameraden in der Julius-Leber-Kaserne in
Husum etwas von „Hitler“ und „88“. Handelte es sich etwa um einen Neona…
[1][bei der Bundeswehr]? Die Bundesregierung kann das nicht erkennen.
Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zu
rechtsextremen Vorkommnissen in der Bundeswehr hervor. Darin führt die
Regierung 170 Verdachtsfälle mit 175 Tatverdächtigen für das Jahr 2018 auf.
Zum oben benannten Fall erläutert sie: „Der aktuelle Stand der Ermittlung
lässt den Schluss zu, dass die Äußerungen nicht primär ideologisch, sondern
zur gezielten Provokation seines unmittelbaren dienstlichen Umfelds in
Folge einer nicht ermöglichten Versetzung getätigt wurden.“
Wie man darauf kommen kann? Der Soldat habe schließlich weitere
beleidigende und disziplinarrechtlich relevante Ausdrücke verwendet, die
jedoch „keinen unmittelbaren Bezug zu rechtsradikalem Gedankengut
aufweisen“, so die Begründung. Konkrete Beispiele für solche Äußerungen:
„Hätte ich Mumpeln im Gewehr, würde ich alle abschießen“, und „Ich wei…
er wohnt, und wenn ich hier nicht mehr bin, zünde ich sein Haus an“. Na
denn.
Anlass der Kleinen Anfrage war der Anfang des Jahres veröffentlichte
Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Bundestags. Darin geht es auf gerade
mal 2 von insgesamt 126 Seiten um rechtsextremistische Umtriebe beim Bund.
Deswegen wollte die Linksfraktion genauer wissen, was sich hinter den im
Bericht summarisch erwähnten „meldepflichtigen Ereignissen“ verbirgt. Das
Ergebnis ist ein recht bizarres Panoptikum.
So erfährt man einiges über den Musikgeschmack mancher Soldaten, deren
präferierte Gruppen einschlägige Namen tragen: „Sturmwehr“,
„Stahlgewitter“, „Division Germania“, „Faustrecht“, „Weiße Wölf…
„Landser“ („Opa war Sturmführer bei der SS“).
## Disziplinarbuße von 800 oder 1.000 Euro
Berichtet wird auch von einer Abschiedsfeier Ende Mai 2018 in der
Graf-Haeseler-Kaserne im saarländischen Lebach. Gegen einen Zeitsoldaten,
der dort über eine Musikanlage das Lied „SS marschiert ins Feindesland“
abgespielt haben soll, wurde ein Uniformverbot verhängt. Auch wurde ihm die
Ausübung des Dienstes verboten. Entlassen wurde er allerdings bislang
nicht. Die Ermittlungen dauern an.
Das gilt auch für den Fall eines Berufssoldaten, dessen Frau sich im April
2018 besorgt bei der Polizei im niedersächsischen Uslar gemeldet hatte: Ihr
Mann habe mehrere Waffen, Magazine, Bajonette, Messer sowie Waffenteile und
Munition im Haus gelagert. Tatsächlich wurden die Beamten fündig. Neben
diversen Waffen und Munition fanden sie bei ihm auch „zwei Gegenstände mit
Hakenkreuzsymbolen, indizierte Tonträger und VS-Material“.
Höchst beunruhigend: Laut Regierungsangaben hat der Soldat immer noch
Zugang zu Waffen. Es gibt etliche weitere Fälle, bei denen es stark
verwundert, dass beschuldigte Bundeswehrangehörige weiterhin Zugang zu
Waffen haben oder auch nach wie vor als Vorgesetzte im Dienst sind.
Immer wieder tauchen in der Aufzählung der Regierung Vorfälle auf, in denen
Soldaten den „Hitlergruß“ gezeigt und „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler�…
gegrölt haben sollen. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Folgen für
die Beschuldigten. Denn nicht in allen Fällen, in denen die Ermittlungen
die Vorwürfe bestätigt haben, erfolgte die Entlassung. Bisweilen beließ es
die Bundeswehr auch bei einer Disziplinarbuße von 800 oder 1.000 Euro.
## „Strenger Verweis“
Gerade mal zu einem „strengen Verweis“ führten die Äußerungen eines
Zeitsoldaten, der zu einem Kameraden gesagt hat: „Halt dein
Scheiß-Kanakenmaul, sonst dreh ich dir den Gashahn auf!“
Auch die regelmäßige Teilnahme an Treffen der Ordensgemeinschaft der
Ritterkreuzträger brachte dem betreffenden Berufssoldaten nur einen Verweis
ein – obwohl die Bundeswehr ein offizielles Kontaktverbot zu dem äußerst
rechtslastigen Traditionsverband verhängt hat.
Die im Bericht des Wehrbeauftragen aufgeführten 170 „meldepflichtigen
Ereignisse“, zu denen jetzt die Bundesregierung detailliertere Angaben
gemacht hat, sind nur ein Teil der besorgniserregenden Vorkommnisse in der
Bundeswehr. So bearbeitet der Militärische Abschirmdienst (MAD) derzeit
insgesamt 428 Verdachtsfälle mit Bezügen zum Rechtsextremismus, davon
stammen alleine 204 aus 2018.
## Auf vier heruntergerechnet
Insgesamt nahm der MAD im vergangenen Jahr 270 Verdachtsfälle auf. Bei den
bereits abschließend bearbeiteten Vorgängen stufte er nur viermal die
beschuldigten Soldaten als extremistisch ein. „In allen vier Fällen des
Jahres 2018 führte die langjährige Mitgliedschaft der jeweiligen Personen
in rechtsextremistischen Organisationen zur Einstufung als Extremist“,
heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. „Drei dieser Extremisten
wurden bereits entlassen, bei dem vierten ist eine Entlassung
beabsichtigt.“
Für die Linkspartei ist das keine befriedigende Auskunft. „Die Zahl
neofaschistischer Soldaten auf vier herunterzurechnen ist schon ein
Kunststück“, sagt die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Der MAD
verharmlost das Nazi-Problem in der Bundeswehr systematisch.“
Tatsache sei demgegenüber, dass gleich dutzendfach Ultrarechte in der
Bundeswehr ihren Dienst leisten würden. „Und wenn sie erwischt werden,
kommen sie nicht selten mit harmlosen Verweisen davon“, kritisiert Jelpke.
„Angesichts der Vernetzung von Nazis in den Sicherheitsbehörden nur von
‚Einzelfällen‘ zu reden, ist nichts anderes als eine gefährliche
Problemverharmlosung“, so die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Ihre Forderung: „Es muss endlich klargestellt werden: Faschisten und
Rassisten müssen aus der Bundeswehr schnell und konsequent entfernt
werden.“
19 Jun 2019
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## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
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