| # taz.de -- Arbeitskampf: Senat macht keinen guten Job | |
| > Am Dienstag streiken die studentischen Hilfskräfte für mehr Lohn. Das | |
| > Land Berlin ist oft ein prekärer Arbeitgeber – nicht nur an den Unis. | |
| Bild: Der Protest der Prekären: Streikende PflegerInnen im September vor der C… | |
| Seit 17 Jahren sind die studentischen Hilfskräfte an den Berliner | |
| Hochschulen ohne Lohnerhöhung – nun rufen Verdi und die | |
| Bildungsgewerkschaft GEW für Dienstagnachmittag um 14 Uhr zum Warnstreik | |
| auf den Bebelplatz vor der Humboldt-Universität. Nach fünf | |
| Verhandlungsrunden, in denen sich die Arbeitgeber „kaum bewegt“ hätten, | |
| wolle man nun „den Druck erhöhen“, heißt es seitens der GEW. | |
| Der Tarifvertrag der studentischen Hilfskräfte ist, im Gegensatz zum | |
| Tarifvertrag für die übrigen Hochschulbeschäftigten, nicht an die | |
| Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst angebunden. Die Folge: Seit Jahren | |
| dümpelt der Stundenlohn der beim Land beschäftigten studentischen | |
| Hilfskräfte bei 10,96 Euro – trotz inzwischen deutlich gestiegener | |
| Lebenshaltungskosten. | |
| Nun ist der rot-rot-grünen Koalition das Thema „gute Arbeit“, so steht es | |
| zumindest im Koalitionsvertrag, ein wichtiges Anliegen. Zwar haben die | |
| Hochschulen eine sogenannte Tarifautonomie. Dennoch hat der Senat in die im | |
| vorigen Jahr abgeschlossenen Hochschulverträge, die den Finanzrahmen für | |
| die elf staatlichen Unis und Fachhochschulen bis 2022 abstecken, | |
| hineingeschrieben: Bei der Bezahlung ihrer studentischen Beschäftigten | |
| müssen sich die Arbeitgeber „regelmäßig“ an der Entwicklung der realen | |
| Lebenshaltungskosten orientieren. | |
| Doch darüber, wie das genau aussehen soll, diskutieren Studierende und | |
| Hochschulen nun seit fast einem Jahr. Das letzte Angebot der | |
| Arbeitgeberseite sah eine dreistufige Lohnerhöhung bis auf 12,50 Euro ab | |
| 2022 vor. Die Gewerkschaften hingegen fordern einen Stundenlohn von 14 Euro | |
| – vor allem aber eine Anbindung an den Tarifvertrag der Länder, kurz TV-L, | |
| nach dem das Land Berlin seine Angestellten bezahlt. Der sieht rund zwei | |
| Prozent Tarifsteigerung pro Jahr vor. | |
| ## Prekär I: Honorarkräfte | |
| Doch nicht nur bei den studentischen Hilfskräften tritt das Land, allen | |
| Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag zum Trotz, als prekärer | |
| Arbeitgeber in Erscheinung. Da sind zum Beispiel die Honorarkräfte an | |
| Volkshochschulen und Musikschulen. Rot-Rot-Grün will sie besser bezahlen, | |
| zudem will man den Anteil der Festangestellten bis 2021 auf 20 Prozent | |
| erhöhen. Für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte – also solche Honorarkräf… | |
| die ihr Geld überwiegend mit einem Arbeitgeber verdienen – hat die | |
| Koalition außerdem „eine tarifvertragliche Regelung“ angekündigt. | |
| Während es in puncto Festanstellungen in den Musikschulen zuletzt Bewegung | |
| gab – das Land steuerte 1,2 Millionen Euro Finanzmittel nach, mit denen die | |
| Bezirke die 20-Prozent-Quote realisieren sollen –, ist das Ansinnen auf | |
| eine „tarifvertragliche Regelung“ quasi beerdigt: Einen entsprechenden | |
| Antrag der Finanzverwaltung wies die Tarifgemeinschaft der Länder, kurz | |
| TdL, zurück. | |
| Andreas Köhn, der bei Verdi für den Bereich Medien, Kunst und Industrie | |
| zuständig ist, sagt: „Unser Eindruck ist, dass der Antrag mit nicht gerade | |
| viel Inbrunst bei der TdL eingebracht wurde.“ Köhns Vermutung: „Eine solche | |
| tarifvertragliche Regelung wäre einmalig für Honorarkräfte. Vielleicht | |
| wollte man keinen Präzedenzfall schaffen.“ | |
| Ein Sprecher von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) betont, | |
| „konkrete Abstimmungsergebnisse“ in der Tarifgemeinschaft der Länder würd… | |
| grundsätzlich nicht öffentlich gemacht. Aber: „Ungeachtet dessen steht der | |
| Senat zu seiner Absicht, die Bedingungen für die arbeitnehmerähnlichen | |
| Honorarkräfte an den Volkshochschulen und Musikschulen zu verbessern.“ Nun | |
| verhandeln die Gewerkschaften mit den zuständigen Fachverwaltungen und der | |
| Finanzverwaltung aber nur noch über „Verbesserungen“ der bestehenden | |
| Honorarvereinbarungen, teilt Kollatz-Ahnens Sprecher mit. | |
| ## Keine Tarife für Honorarkräfte | |
| Im Klartext heißt das: Die Hoffnung auf eine „tarifvertragliche Regelung“ | |
| hat sich bis auf Weiteres erst einmal erledigt. | |
| Die laut Verdi etwa 1.800 Honorarkräfte der Berliner Musikschulen bekommen | |
| im Schnitt 20,86 Euro Stundenlohn. Eine prekäre Existenz: Laut | |
| Gewerkschafter Köhn ist die Mehrheit im Alter auf Grundsicherung | |
| angewiesen. Die Honorare regelt seit Jahren eine „einseitige | |
| Ausführungsvorschrift“ des Landes, bei der die Gewerkschaften keine | |
| Mitsprache haben. | |
| Bei den Volkshochschulkräften wurde das Ansinnen auf eine tarifvertragliche | |
| Regelung für die arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte seitens der TdL | |
| ebenfalls abgeschmettert. Laut GEW hätte eine solche Regelung Verbesserung | |
| für bis zu ein Viertel der rund 4.100 freiberuflichen Kursleiter an den | |
| Volkshochschulen bedeutet. | |
| Ihr Stundenlohn beträgt pro 45 Minuten Unterrichtsstunde je nach | |
| Qualifikation zwischen 16,50 Euro und immerhin 42 Euro. Seit dem 1. Januar | |
| gibt es laut Verdi-Mann Köhn zwar im Schnitt zwei Euro mehr pro | |
| Unterrichtsstunde. „Wir brauchen aber Dauerstellen für Daueraufgaben, nicht | |
| Kamelle für alle“, sagt Monika Oels, bei der GEW für den Fachbereich | |
| Erwachsenenbildung zuständig. Geld für die im Koalitionsvertrag anvisierten | |
| 20 Prozent Festanstellungen sind im Doppelhaushalt für die Volkshochschulen | |
| gar nicht vorgesehen. | |
| ## Prekär II: Charité-Tochter | |
| Auch im Gesundheitssektor streiten die Gewerkschaften mit dem Land als | |
| prekärem Arbeitgeber: Das Charité Facility Management (CFM), die zu 51 | |
| Prozent der landeseigenen Charité gehört, werden nichtmedizinische | |
| Krankenhausmitarbeiter seit Jahren schlechter bezahlt als ihre | |
| Charité-KollegInnen. Ende des Jahres, wenn der Vertrag mit den privaten | |
| Anteilseignern ausläuft, will man diese ausbezahlen. Die CFM, die rund | |
| 2.800 MitarbeiterInnen beschäftigt, gehört dann wieder zu 100 Prozent dem | |
| Land. | |
| Ob es dann auch eine Angleichung der Löhne an den TVöD, dem Tarifvertrag im | |
| öffentlichen Dienst, geben wird, nach dem die Charité-MitarbeiterInnen | |
| bezahlt werden, ist unklar. Aktuell verhandelt Verdi mit CFM über einen | |
| neuen Tarifvertrag – der alte war im Dezember ausgelaufen. Der Regierende | |
| Bürgermeister und Charité-Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD) hatte im | |
| Mai einen Grundlohn von elf Euro für CFM-MitarbeiterInnen als | |
| Übergangslösung angekündigt. Doch die Verhandlungen gestalten sich zäh, die | |
| Geschäftsführung will eine mindestens 31-monatige Laufzeit – was die | |
| Ungleichbehandlung weiter zementieren würde. | |
| Seit dem 2. Januar befragt Verdi seine CFM-Mitglieder, ob sie das Angebot | |
| annehmen oder doch erneut streiken wollen. Die Gewerkschafter sind aber | |
| auch enttäuscht vom Senat. „Die Politik räumt den Geschäftsführungen der | |
| landeseigenen Unternehmen und deren Tochterfirmen nicht die Spielräume ein, | |
| die sie bräuchten, um das politische Versprechen einer 100-prozentigen | |
| Angleichung an den Flächentarifvertrag tatsächlich zu realisieren“, sagt | |
| Meike Jäger, Verdi-Fachbereichsleiterin für Gesundheit und Soziales. Denn | |
| das könnte auch bedeuten, dass diese Unternehmen – vorübergehend – | |
| womöglich ins Minus rutschen. | |
| Und so viel ist dem Senat „gute Arbeit“ dann doch nicht wert. | |
| 15 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
| Susanne Memarnia | |
| ## TAGS | |
| Arbeitskampf | |
| Charité | |
| Musikschulen | |
| Studentische Hilfskräfte | |
| Musikschulen | |
| Berlin Werbefrei | |
| Streik | |
| Freie Universität Berlin | |
| Universität | |
| Streik | |
| Hochschule | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tarifkonflikt an Hochschulen in Berlin: Studierende als Beschäftigte 2. Klasse | |
| Nach 17 Jahren ohne Lohnerhöhung: Am Donnerstag verhandeln Arbeitgeber und | |
| Gewerkschaften erneut über eine Anpassung. | |
| Prekäre Beschäftigung an Musikschulen: Der Sound der Ausbeutung | |
| Der Berliner Senat will mehr Musikschullehrer fest anstellen. Das könnte | |
| allerdings auf Kosten der ohnehin mies bezahlten Honorarkräfte gehen. | |
| Kolumne Behelfsetikett: Blanke Bauzäune, kranke Krankenhäuser | |
| Volksbegehren braucht kein Mensch? Doch: Sie können das Leben in der Stadt | |
| tatsächlich schöner machen. | |
| Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Wohl kein Streikrecht für Lehrer | |
| Die Klage der Gewerkschaft wird in Karlsruhe voraussichtlich scheitern. | |
| Wollen Lehrer das Streikrecht, müssen sie nach Straßburg gehen. | |
| Wahlen Berliner Studi-Parlamente: Wo die Linksradikalen regieren | |
| Die Studierendenvertretungen an HU und FU sind links dominiert, sofern man | |
| das nachvollziehen kann. Nun wird neu gewählt. | |
| Der Berliner Wochenkommentar I: Ordentlich Rambazamba! | |
| In der Woche eins ohne geltenden Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte | |
| ist es an den Unis ruhig geblieben. Noch. | |
| Studentische Unimitarbeiter in Berlin: Streik zur Prüfungszeit | |
| Studentische Beschäftigte der Berliner Universitäten bereiten den Ausstand | |
| vor: Sie fordern mehr Geld und einen Tarifvertrag. | |
| Protest gegen Arbeitsbedingungen an Unis: Prekäres Kanonenfutter | |
| Der Störung der Hochschulrektorenkonferenz in Potsdam zeigt: Die | |
| Uni-Mittelbaubeschäftigten beginnen sich endlich gegen ihre unsichere Lage | |
| aufzulehnen. |