Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verhandlungen über Schulfrieden: Verlängerung anvisiert
> Die CDU bietet der SPD und den Grünen eine Verlängerung des Vertrags über
> das Zwei-Säulen-Modell aus Stadtteilschulen und Gymnasien an.
Bild: Wollen Politiker nicht mehr erleben: Eine Unterschriftensammlung gegen ih…
HAMBURG taz | Es ist noch zwei Jahre hin bis zur nächsten
Bürgerschaftswahl. Doch CDU-Fraktionschef André Trepoll nutzte die
Weihnachtspause, um im Hamburger Abendblatt eine Verlängerung des
sogenannten Schulfriedens anzuregen. Er sei bereit, mit Bürgermeister Olaf
Scholz (SPD) darüber zu verhandeln. Die Reaktion kam prompt. SPD und Grüne
sind dazu bereit.
Im Jahr 2010 schlossen CDU, SPD und Grüne einen Vertrag, für zehn Jahre
nicht an der Schulstruktur zu rütteln. Das habe der Schulentwicklung „gut
getan“, erklärten SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und sein grüner Kollege
Anjes Tjarks. „Wir arbeiten seitdem konsequent daran, ohne Strukturdebatten
die beiden Hamburger Wege zum Abitur noch besser zu machen“.
Bildungsstudien belegten, dass Hamburg sich in wichtigen Punkten verbessert
habe. „Diesen breit getragenen Weg eines Zwei-Säulen-Modells aus
Stadtteilschule und Gymnasium wollen wir gerne weitergehen“, so Dressel und
Tjarks. Sie freuten sich, wenn die CDU sich nach manch widersprüchlichen
schulpolitischen Signalen auch für die „Fortführung des Schulfriedens“
ausspreche.
Der besagte Pakt wurde im Februar 2010 zwischen Grünen, SPD und CDU
geschlossen. Man einigte sich mit Brief und Siegel darauf, die
Schulstruktur aus den zwei Säulen Gymnasium und Stadtteilschule für zehn
Jahre zu garantieren, „unabhängig davon, wer die Regierung stellt“. Jede
Stadtteilschule sollte eine Oberstufe haben, am Gymnasium sollte dann das
Abitur in acht Jahren (G8), an der Stadtteilschule in neun Jahren (G9)
möglich sein.
Die damals eigentlich brisante Frage, wie lange die Grundschule dauert, ob
vier oder sechs Jahre, sollte von dem kurz bevorstehenden Volksentscheid
abhängen und dessen Ergebnis für zehn Jahre gelten.
Der Vertrag wurde in einer historisch besonderen Lage geschlossen. Die
schwarz-grüne Koalition war in Bedrängnis und holte die SPD ins Boot, um im
Bündnis für das längere gemeinsame Lernen der Kinder in der Primarschule zu
streiten. Letzteres ging schief. Die Primarschule wurde per Volksentscheid
abgelehnt. Es blieb trotzdem der Friedensvertrag.
Heute ist die Situation umgekehrt, die CDU ist in der Opposition, SPD und
Grüne koalieren. Und die Grünen haben inzwischen die Idee, noch einmal die
Schulstruktur von oben zu ändern, aufgegeben. „Wir Grüne streben auch nach
dem Auslaufen des Schulfriedens 2020 keine von oben und für alle Schulen
verbindliche Strukturreform an“, heißt es in einem Positionspapier der
Landesarbeitsgemeinschaft Bildung vom 23. März 2017. Denn längeres
gemeinsames Lernen könne nicht „top down“ von oben verordnet werden. Die
Verlängerung des Paktes könnte wohl recht problemlos über die Bühne gehen.
Trotzdem ist der Zeitpunkt interessant. Das Nachbarland Schleswig-Holstein
hat gerade erst vorgeführt, wie mit dem Turbo-Abitur ein Schulthema
Wahlkampf-Hit werden kann. Der dortige CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther
gewann auch mit seinem klaren Bekenntnis zu „mehr Lernzeit“ durch die
Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium Wähler.
Die frühere Hamburger CDU-Politikerin Karin Prien setzt dies nun in Kiel
als Ministerin um. In Hamburg war die CDU stets dagegen. Denn hier gibt es
flächendeckend Stadtteilschulen mit Oberstufen. Eine Rückkehr zum G9 am
Gymnasium würde dort zu noch mehr Anmeldungen führen und die
Stadtteilschule schwächen, weil ihr das Alleinstellungmerkmal des längeren
Wegs zum Abitur genommen würde.
Trotzdem bekam der Landesfachausschuss Schule der Hamburger CDU im Sommer
den „Prüfauftrag“, sich das „Umfeld G8/G9 anzuschauen und bis zum
Jahresende eine Empfehlung auszusprechen“, wie Landeschef Roland Heintze
damals dem Hamburger Abendblatt sagte. Auch Trepoll sah bei der Lerndauer
„erheblichen Diskussionsbedarf“.
## Rückkehr zu G9 im Wahlkampf?
An dieser Empfehlung werde noch gearbeitet, heißt es aus der
CDU-Landeszentrale. Sie dürfte mit Spannung erwartet werden. Es wäre
möglich, dass auch Hamburgs CDU dem Modell Günthers folgt und im Wahlkampf
auf eine Rückkehr zu G9 setzt.
André Trepoll gibt sich gegenüber der taz zurückhaltend. Die CDU mache
keine Vorfestlegungen, sondern warte jetzt „auf ein konkretes
Verhandlungsangebot von Rot-Grün“. Man wolle mit Rot-Grün in
„ergebnisoffene Verhandlungen“ über die zukünftige Schulstruktur treten.
Gleichwohl räumt Trepoll ein: „Für uns steht die Frage eines längeren
Lernens bis zum Abitur dabei auch im Raum.“
Für die FPD dagegen stellt sich die Frage der Rückkehr zu G9 „unter den
aktuellen Bedingungen noch nicht“, wie deren Schulpolitikerin Anna von
Treuenfels-Frowein erklärt.
## FDP unglücklich mit Schulfrieden
Doch sie hat anderen Gesprächsbedarf. „Ein Schulfrieden bedeutet, dass es
zunächst keine großen Änderungen an den bestehenden Strukturen gibt. Das
bestehende Modell aus G8 am Gymnasium und G9 an Stadtteilschulen kann aber
nur funktionieren, wenn beide Schulformen in ihrem jeweiligen Profil
gestärkt werden“, findet die FDP-Politikerin. Langfristig dürfe ein
politischer Schulfrieden „kein Selbstzweck sein, um Rot-Grün und der CDU
die Beschäftigung mit den massiv wachsenden Problemen an der Schulbasis zu
ersparen“.
Die Linke lehnt den Schulfrieden sogar strikt ab. „Wir unterstützen das
nicht und wir begrüßen das nicht“, sagt deren Schulpolitikerin Sabine
Boeddinghaus zum Vorstoß der CDU. „Es geht denen nur darum, die
Strukturfrage nicht zu diskutieren.“ Ihre Partei ist für eine Schule für
alle und sieht im Zwei-Säulen-Modell eine Verschärfung der sozialen
Spaltung. Man werde, so Boeddinghaus, die Nachteile der jetzigen Struktur
für Kinder und Unterricht „auch im Wahlkampf zum Thema machen“.
8 Jan 2018
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schulbehörde Hamburg
Stadtteilschule
Hamburg
Rot-Grün Hamburg
Rot-Grün Hamburg
CDU Hamburg
Ganztagsschule
Bildungschancen
Bildungspolitik
Ties Rabe
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Abitur-Anforderungen in Hamburg: „Knallhart-Abi“ verschoben
Hamburgs Schulbehörde will das Abi schwerer machen. Elternräte und
Schulleiter hatten Kritik an den Plänen und forderten ein Moratorium – mit
Erfolg.
Hamburger Vorwahlkampf: Schulfrieden mit rechts
Schulpolitik diskret: Rot-Grün verhandelt mit FDP und CDU, aber nicht mit
der Linken. Heraus kommen könnte eine Stärkung des Gymnasiums.
Kommentar Schulstreit-Streit: Taktik im Übermaß
Hamburgs Grüne und SPD kasteien sich selbst: Eine sich abzeichnende
Einigung bei der Schulpolitik gefährdet erreichten Fortschritt.
Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium: Hamburger CDU kupfert Idee ab
Das Abitur nach neun Jahren soll an Gymnasien wieder möglich sein, fordert
der Landesvorstand. Dies Wahlversprechen hatte der CDU in Kiel zum Sieg
verholfen.
Wie sich die SPD „kümmert“: Hausaufgaben für Arme
Schulsenator Ties Rabe (SPD) fordert, dass bildungsferne Schüler mehr
Aufgaben für den Nachmittag bekommen. Der Vorstoß beißt sich mit der
Ganztagsschule.
Die Schulreform verfehlte ihre Ziele: Ärmere bleiben dümmer
Eine Expertenkommission findet den Bremer Schulfrieden gut. Die
SchülerInnen sind aber nicht besser geworden, auch die soziale Ungleichheit
ist stabil.
Schulkrieg im Norden: CDU bleibt beim Abitur flexibel
CDU-Politikerin Karin Prien muss in Schleswig-Holstein die Rückkehr zum
neunjährigen Abitur vertreten. Dabei war sie in Hamburg immer für G8
eingetreten
Neue Schul-Debatte in Hamburg: „Die Schulen brauchen Freiheit“
Schulleiter warnen vor einem Scheitern der Stadtteilschule. Simple
Antworten wie Mathe-Offensiven helfen nicht, sagt deren Sprecher Thimo
Witting
Stadtteilschulen fürchten sozialen Abstieg: Zank im Schulfrieden
Eine Hambuger Stadtteilschule hat kaum noch gymnasialempfohlene Kinder und
wird deshalb infrage gestellt. Elternräte ärgert das.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.