# taz.de -- Stadtteilschulen fürchten sozialen Abstieg: Zank im Schulfrieden | |
> Eine Hambuger Stadtteilschule hat kaum noch gymnasialempfohlene Kinder | |
> und wird deshalb infrage gestellt. Elternräte ärgert das. | |
Bild: Kinder mit Gymnasialempfehlung werden an Stadtteilschulen zur Seltenheit | |
HAMBURG taz | Eine Zahl hat in dieser Woche Wirbel ausgelöst. Nur noch 297 | |
Kinder mit Gymnasialempfehlung sind unter den rund 5.800 Kindern der neuen | |
5. Klassen der Hamburger Stadtteilschulen. „Wir müssen extrem aufpassen, | |
dass unsere Stadtteilschulen nicht zu neuen Hauptschulen werden“, sagte die | |
CDU-Politikerin Karin Prien im Hamburger Abendblatt. Habe eine Schule keine | |
Schüler mit Empfehlung, führe das „zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust… | |
Damit ist der Streit wieder da, wie jedes Jahr zur Anmeldezeit. 54 Prozent | |
der Eltern schicken ihr Kind aufs Gymnasien. Auf die Stadtteilschulen, die | |
auch für Inklusion und Flüchtlinge zuständig sind, gehen die übrigen. „Das | |
Konstrukt ‚Zwei-Säulen-Modell‘ ist gescheitert“, sagt die Schulpolitiker… | |
Sabine Boeddinghaus (Die Linke). Die Stadtteilschule sei für immer mehr | |
Eltern „keine Option“. Sie fürchteten den „sozialen Abstieg“. | |
Boeddinghaus ist eine Verfechterin der „Schule für alle“. Doch im | |
„Schulfrieden“ von 2010 versprachen alle Parteien außer der Linken, die | |
Struktur zehn Jahre lang nicht zu ändern. Nun ist Bergfest, die Frist ist | |
halb rum. Boeddinghaus plant schon mal für den 2. Juli eine | |
„Zukunftswerkstatt“ mit dem Titel „Schulfrieden brechen jetzt“. | |
## Antworten für leistungsfähige Kinder | |
Das ist nichts für Schulsenator Ties Rabe (SPD). Er erklärt, die | |
Stadtteilschule müsse deutlich machen, dass sie auch für leistungsfähige | |
Kinder die richtige Antwort hat. Setze sie auf „Fachlichkeit und | |
Leistungsorientierung“, müsse sie sich um Anmeldungen nicht sorgen. | |
Ins gleiche Horn stößt die CDU. Inklusion an Gymnasien komme nicht in | |
Betracht. Wichtig sei unter anderem „äußere Differenzierung“. Damit sind | |
Kurse gemeint, die die Schüler nach Leistung trennen – ein rotes Tuch, für | |
Schulreformer. | |
Die Stadtteilschule ist bereits das Richtige für leistungsstarke Kinder, | |
hält Stefanie von Berg von den Grünen dagegen. Die neuste Zahl sei „das | |
traurige Ergebnis einer selbsterfüllenden Prophezeiung“. Jahrelang hätten | |
CDU und FDP sie als Schule dargestellt, die direkt zur Berufsausbildung | |
führt. Es sei kein Wunder, wenn Eltern dächten, nur das Gymnasium führe zum | |
Abitur. | |
## Elternräte sind verärgert | |
Verärgert über die Medienberichte sind die Elternräte der vier Bergedorfer | |
Stadtteilschulen. Diese seien modern und erfolgreich. „Wir haben gar keine | |
andere Chance, als neue Lernformen einzuführen“, sagt Thorsten Neumann. | |
Ein Großteil der Kinder, die jetzt an ihren Stadtteilschulen Abitur machen, | |
hatten keine Gymnasialempfehlung. Und jene, die nach der 10. Klasse mit | |
einem Abschluss abgehen, hätten „ausnahmslos eine Berufsperspektive“. | |
„Eigentlich ist das Gymnasium die problematische Schule“, sagt auch Robert | |
Schneider von der Gemeinschaft der Elternräte. Denn nach der 6. Klasse | |
müssen über 1.000 Kinder die Schulen verlassen und in die Stadtteilschule | |
integriert werden. Stadtteilschulen hingegen führten 45 bis 50 Prozent zum | |
Abitur. Dieser Erfolg sei ein „bestens gehütetes Geheimnis“. | |
22 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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