# taz.de -- Streit um Schulsozialarbeit: Maulkorb von der Stadt | |
> Die Hamburger Schulbehörde verbietet einen Projekttag zur Inklusion. Die | |
> Gewerkschaft GEW sieht pädagogisch-therapeutisches Personal | |
> benachteiligt. | |
Bild: Wo lang geht's zur Inklusion? Hamburgs Schulbehörde möchte Sozialarbeit… | |
Hamburg taz | Die Schulbehörde hat einen Aktionstag der Gewerkschaft für | |
Erziehung und Wissenschaft (GEW) zur Inklusion verboten. Am kommenden | |
Dienstag wollten Lehrer mit ihren Schülern im Rahmen eines Projekttages | |
vormittags vor das Rathaus kommen und dort mit Aktionen zeigen, was schon | |
gut läuft und was nicht. Gestern kam dann ein Brief von Landesschulrat | |
Thorsten Altenburg-Hack: Ein Projekttag vor dem Rathaus „ist nicht | |
erlaubt“. Auch Schulleiter, die nicht unterrichten, hätten „in der Schule | |
zu bleiben“. | |
GEW-Chefin Anja Bensinger-Stolze spricht von einem Maulkorb. „Die Behörde | |
sperrt Beschäftigte und Schüler quasi hinterm Schultor ein, das ist ein | |
Skandal“, kritisierte sie, verschob aber zugleich die geplante Aktion auf | |
den Nachmittag. Das Verbot eines Projekttages stelle einen „nicht | |
hinnehmbaren Eingriff in die Selbstverwaltung der Schule dar“. Die Behörde | |
wolle die leiseste Kritik an der Ausstattung zur Inklusion verhindern, sagt | |
Bensinger-Stolze. | |
## Die GEW fürchtet De-Professionalisierung | |
Zum Beispiel Kritik an der geplanten neuen Dienstzeitregelung. Im Zuge der | |
Inklusion sind auch Physiotherapeuten und Heilpädagogen, Ergotherapeuten | |
und vor allem Sozialpädagogen an die Schulen gekommen und machen nun 17 | |
Prozent des Personals aus. Die Behörde nennt diese Gruppe PTF, das steht | |
für pädagogisch, therapeutisches Fachpersonal. Für diese Professionen, | |
teils akademisch, teils nicht akademisch ausgebildet, soll es jetzt eine | |
Dienstregelung geben, die sich am umstrittenen Lehrerarbeitszeitmodell von | |
2003 orientiert. | |
Die GEW ließ diesen Entwurf von Gerd Krüger begutachten, der früher | |
Professor an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften war und | |
als Experte für Schulsozialarbeit gilt. Sein Fazit ist vernichtend: Das | |
Modell komme einer „groben Missachtung der Fachlichkeit der Mitarbeiter in | |
der Schulsozialarbeit“ gleich und sei ein „gezielter Angriff auf deren | |
Berufsidentität“. Er spricht von einer De-Professionalisierung. | |
Problematisch ist noch etwas anderes: Schulsozialarbeiter müssen etwa bei | |
Schwierigkeiten helfen, die Lehrer und Eltern allein nicht lösen könnten. | |
Faktisch sind sie aber dem Schulleiter unterstellt und haben laut GEW keine | |
eigene Fachaufsicht, die ihre Autorität stärkt. Auch in der Schulaufsicht | |
sitzen nur Lehrer. | |
## Keine eigene Fachaufsicht | |
Nach dem neuen Modell müssten sie 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit | |
sogenannten B-Zeiten verbringen: Bildung, Begleitung, Betreuung, Beratung | |
und Behandlungen. Zehn Prozent sollen für Kommunikation verwandt werden, | |
weitere zehn für Vor- und Nachbereitung. Nach Krügers Recherchen müssten | |
PTF 36 Stunden wöchentlich unmittelbar mit Schülern arbeiten. Im alten | |
Zeitmodell lag die Obergrenze bei 25 Stunden. | |
„Das Ziel der Behörde ist, die Arbeitszeit der Kollegen zeitlich | |
auszudehnen und in ein enges Korsett zu schnüren“, sagt GEW-Fachsprecherin | |
Manuela Wrede. „Wir sollen nur noch Kurse machen und Unterricht begleiten.“ | |
„Wir befürchten, dass nur noch vertaktet im Unterricht Beziehungsarbeit | |
stattfinden soll“, ergänzt GEW-Sekretärin Birgit Rettmer. Für eine | |
gelingende Schulsozialarbeit wären eine eigene Fachaufsicht und | |
Fachaustausch nötig. | |
Schulbehördensprecher Peter Albrecht erklärt, er kenne das Gutachten nicht | |
und könne zur Kritik nichts sagen. Das Ziel der neuen Regelung sei, | |
vernünftige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Und Schulen dürften | |
selbstverständlich Projekttage durchführen, nur sich eben nicht „politisch | |
betätigen“. | |
7 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Inklusion | |
Schule | |
Hamburg | |
Volksinitiative | |
Minderjährige Geflüchtete | |
Inklusion | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Inklusion | |
Hamburg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Hamburger Bildungs-Initiative: Ini will mehr Geld für Inklusion | |
Die Volksinitiative „Gute Inklusion“ sammelt ab sofort Unterschriften für | |
mehr Lehrer, Pädagogen und Erzieher. Ihr Kernforderung lautet: drei Stunden | |
pro Kind. | |
Schlechte Bildungschancen für Geflüchtete: Zu lange unter sich | |
Weil Folgeunterkünfte nicht fertig sind, können rund 900 Kinder in | |
Erstaufnahmen nicht zur Schule gehen. Behörde will das jetzt für ältere | |
Kinder ändern | |
500 zusätzliche Stellen für Inklusion: Weiterbildung soll es richten | |
Für das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder will | |
Schleswig-Holstein Stellen aufstocken. Aber es gibt nicht genug | |
SpezialistInnen | |
Lehrergewerkschaft mit NS-Vergangenheit: Mitläufer als Aushängeschild | |
Die GEW gilt als links und antifaschistisch. Nun ist ihre Stiftung nach | |
einem Mann benannt, dem Historiker Geschichtsfälschung vorwerfen. | |
Anja Bensiger-Stolze über Bildungspolitik: „Erfordernisse ignoriert“ | |
Anderswo ist die Bildungspolitik beweglicher, sagt Anja Bensinger-Stolze, | |
Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) | |
Sparpolitik durch Musterprogramm: Senat geizt mit Schulräumen | |
Inklusions-Schule Moorflagen muss Klassenhaus abgeben, weil auf dem Papier | |
zu viel Platz ist. Der werde aber für die behinderten Kinder gebraucht, | |
sagt der Elternrat | |
Stadtteilschulen fürchten sozialen Abstieg: Zank im Schulfrieden | |
Eine Hambuger Stadtteilschule hat kaum noch gymnasialempfohlene Kinder und | |
wird deshalb infrage gestellt. Elternräte ärgert das. |