# taz.de -- Mieterhöhung für Unterkünfte: 587 Euro für einen halben Contain… | |
> Gebühren für Unterkünfte werden vervierfacht. Die meisten Obdachlosen und | |
> Flüchtlinge betrifft das nicht, aber für Ausnahmefälle wird es teuer. | |
Bild: Manche Geflüchtete werden sich den Wohncontainer nicht mehr leisten kön… | |
HAMBURG taz | Hamburg stellt ab dem 1. Januar die Finanzierung der | |
„Öffentlich-rechtlichen Unterbringung“ zur Vermeidung von Obdachlosigkeit | |
[1][auf neue Beine]. Die bisherige Gebühr von 141 Euro pro Person und Monat | |
wird auf 587 Euro vervierfacht. Die meisten Bewohner würden dies nicht | |
merken, argumentiert die Sozialbehörde, denn bei 90 Prozent von ihnen | |
übernehme das Jobcenter die Zahlung. Die Linken-Abgeordnete Carola Ensslen | |
kritisiert dennoch die Höhe: Der Preis von 587 Euro für einen halben Raum | |
in einer Gemeinschaftsunterkunft „grenzt an Wucher“, sagt sie. | |
Derzeit wohnen laut Sozialbehörde 28.957 Menschen in öffentlichen | |
Unterkünften, darunter 4.442 Wohnungslose, 15.112 wohnberechtigte | |
Zuwanderer und 9.403 Zuwanderer, die noch keine eigene Wohnung anmieten | |
dürfen. Die Zahl dieser Plätze ist dem Anstieg der Flüchtlingszahlen im | |
Jahr 2015 steil angestiegen. Noch im Jahr 2010 gab es 55 Wohnunterkünfte | |
mit rund 8.000 Plätzen, inzwischen sind es doppelt so viel Unterkünfte mit | |
– so die Prognose für 2018 – 30.900 Plätzen. | |
Schon im Jahr 2012 mahnte der Rechnungshof, dass Hamburg Geld verschenke, | |
weil es Plätze subventioniere, an deren Kosten sich auch der Bund | |
beteiligen muss. „Wir haben lange Zeit gerätselt, wie wir das machen“, sagt | |
Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. Nun habe man nach Absprache mit | |
Sozialverbänden diese Lösung gewählt. | |
## Die meisten bekommen die Miete vom Jobcenter | |
Laut der dazugehörigen Drucksache wird als Basis das Jahr 2016 gewählt. | |
Damals deckten die alten Gebühren nur noch 21 Prozent der Kosten. Denn zur | |
Vermeidung von Obdachlosigkeit von Zugewanderten mussten häufig auch | |
teurere Standorte realisiert werden. Mit der neuen Gebühr erhofft sich der | |
Senat einen Kostendeckungsgrad von 88 Prozent. | |
Zur Berechnung wurden die 158,5 Millionen Euro, die 2016 für Betrieb der | |
Unterkünfte inklusive Abschreibungen aufgebracht wurden, durch die | |
durchschnittliche Platzzahl von 22.490 geteilt. Das ergibt besagte 587 | |
Euro. Darin enthalten sind auch Kosten für Wachdienst, Verwaltung oder ein | |
„Unterbelegungsausgleich“. | |
In 90 Prozent der Fälle, so die Behörde, werde nun dieses Geld direkt vom | |
Jobcenter überwiesen, weil die Menschen kein eigenes Einkommen haben. Da | |
der Bund hier einen Gutteil der Unterkunftskosten übernimmt, rechnet der | |
Hamburger Senat mit einer Entlastung von rund 50 Millionen Euro. Auch | |
andere Städte wie Dresden erhöhen aus diesem Grund die Gebühr auf 600 Euro. | |
Doch ein Problem stellt die Gebühr für die „Selbstzahler“ dar. „Gerade … | |
die selber Geld verdienen, werden bestraft“, empört sich eine | |
Flüchtlingshelferin, die Patin eines jungen Mannes aus Afghanistan ist. Er | |
teilt sich einen Container mit einem Fremden und soll nun für einen halben | |
Raum eine Summe zahlen, die an sich für eine kleine Wohnung reicht. | |
Der 26-Jährige arbeite schon seit zwei Jahren im KFZ-Bereich und habe eine | |
vom Handwerk anerkannte Ausbildung. Nur fehle ihm die unbefristete | |
Aufenthaltsgestattung und damit die Chance, eine Wohnung zu finden. „Solche | |
Fälle gibt es einige“, sagt die Studentin, die ungenannt bleiben will. | |
## Auf Kosten der Selbstzahler | |
Dieses Dilemma hat der Senat zwar bedacht und eine Ermäßigung auf 210 Euro | |
vorgesehen, doch die gilt nur innerhalb enger Einkommensgrenzen (siehe | |
Kasten). Wer wie der KFZ-Mechaniker über 1.300 Euro netto hat, muss voll | |
bezahlen. So jemand gehöre „dem Grunde nach nicht in die | |
öffentlich-rechtliche Unterbringung“, argumentiert die Behörde. | |
Carola Ensslen von der Linkspartei kritisiert, dass man sich auf Kosten der | |
Selbstzahler entlastet. „Hier muss der Senat nachbessern. Die Selbstzahler | |
werden dafür bestraft, dass kaum bezahlbarer Wohnraum kaum zu finden ist“, | |
sagt die Abgeordnete. Und ins Umland könnten die betroffenen Flüchtlinge | |
oft wegen der Wohnsitzauflage nicht ziehen. Zudem habe die neue | |
Gebührentabelle, die zwei Tage vor Weihnachten ausgehängt wurde, bei | |
Bewohnern in Flüchtlingsunterkünften für große Verunsicherung gesorgt, | |
„weil über die Feiertage niemand für Fragen zur Verfügung stand“. | |
Ensslen hat nun eine Anfrage gestellt, in der sie unter anderem wissen | |
will, in welcher Sprache die Bewohner informiert wurden und wie mit | |
„etwaigen Zahlungsrückständen durch Informationsdefizite“ umgegangen wird. | |
Sozialbehördensprecher Schweitzer sagt, die Behörde wolle durch die neue | |
Gebühr erst mal herausfinden, wie viele Selbstzahler es gibt. Und die | |
könnten auch noch eine Härtefallregelung oder Wohngeld beantragen. Wer so | |
einen Bescheid bekommt, solle damit „zum Unterkunftsmanagment und sich | |
beraten lassen“. | |
1 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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