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# taz.de -- BND speichert ohne Rechtsgrundlage: Telefon-Daten illegal ausgewert…
> Der Bundesnachrichtendienst muss Metadaten löschen. Das hat das
> Bundesverwaltungsgericht nach einer Klage von Reporter ohne Grenzen
> entschieden.
Bild: Kein Mitschreiben dieser Nummer: Der BND speichert zu viel
LEIPZIG/Karlsruhe taz | Die Speicherung und Auswertung von
Telefon-Verkehrsdaten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) ist
rechtswidrig. Das hat nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig
festgestellt. Es fehle eine gesetzliche Grundlage. Geklagt hatten Reporter
ohne Grenzen (ROG) und der Anwalt Niko Härting.
Konkret geht es um eine Datei namens VerAS (Verkehrsdatenanalysesystem).
Sie wurde vom BND im Jahr 2002 eingerichtet und erfasst Abermillionen von
Verbindungsdaten, die wohl 90 Tage lang gespeichert und ausgewertet werden.
Die Daten stammen aus drei Quellen: aus der strategischen Überwachung des
Telefonverkehrs zwischen Deutschland und dem Ausland, aus der Überwachung
von Auslands-Auslands-Telefonverkehr sowie von anderen Geheimdiensten. In
der Datei werden also auch Daten von Inländern erfasst.
Erfasst werden laut Bundesverwaltungsgericht in der Datei nur
„Telefonie-Metadaten aus leitungsvermittelten Verkehren“. Das heißt
IP-basierte Internet-Telefonie würde ebensowenig erfasst wie Emails und das
Internet-Surfverhalten.
Soweit sich die Klage auch auf die Speicherung von Email- und
Internet-Verkehren richtete, wurde sie als unzulässig abgewiesen.
Möglicherweise werden solche Metadaten in anderen Dateien gespeichert. Nach
Angaben von Zeit Online speichert der BND 220 Millionen Metadaten pro Tag,
wobei pro Gespräch Dutzende Metadaten anfallen.
## Analyse bis in die fünfte Ebene
Der BND wertete die Daten von Terrorverdächtigen in seiner Analysedatei bis
in die fünfte Ebene aus, um „Netzwerke“ zu erkennen. „Das bedeutet, dass
ein Journalist von dem Programm erfasst werden kann, der mit einer Quelle
in Kontakt ist, die mit jemandem in Kontakt steht, der wiederum mit
jemandem in Kontakt steht, der mit einer unter Terrorverdacht stehenden
Person kommuniziert“, so Niko-Härting in der Klage.
Das Bundesverwaltungsgericht sah in der Speicherung und Auswertung solcher
Daten einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis.
Der BND hatte dies mit zwei Argumenten bestritten. Zum einen hieß es,
Metadaten seien per se keine personenbezogenen Daten. Das hat das
Bundesverfassungsgericht aber schon längst anders entschieden.
Zum anderen berief sich der BND darauf, die Telefonnummern würden vor der
Speicherung anonymisiert, also ge-ixt. Allerdings kann der BND bei Bedarf
wohl doch wieder auf die vollständige Telefonnummer und damit auch die
Identität eines Gesprächsteilnehmers zugreifen. Jedenfalls sei auch die
Speicherung von „anonymisierten“ Rufnummern ein Grundrechtseingriff, so die
Richter.
## Gesetzliche Grundlage fehlt
Im Rechtsstaat sind Grundrechtseingriffe aber nur zulässig, wenn es eine
gesetzliche Grundlage gibt. Hieran fehlte es aber nach Ansicht des BVerwG.
Die alte Befugnis für die strategische Überwachung des Fernmeldeverkehrs
und die 2016 eingeführte neue Befugnis für die – schon vorher praktizierte
– Überwachung des Auslands-Auslandsverkehrs genüge nicht.
Denn dort sei nur erlaubt, den Verkehr mit bestimmten Suchbegriffen
(Rufnummern oder Sachbegriffen) abzugleichen. Was nicht ausgefiltert und
näher betrachtet wird, müsste eigentlich sofort gelöscht werden. In der
VerAS wird es aber noch längere Zeit gespeichert.
Die Richter billigten den Klägern nun einen „öffentlich-rechtlichen
Unterlassungsanspruch“ zu. Der BND muss ihre Daten jetzt löschen. Dieses
Urteil gilt zwar nur gegenüber diesen Klägern, würde aber wohl bei jedem
anderen in Deutschland lebenden Kläger ähnlich ausfallen. Die schriftliche
Begründung des Urteil liegt leider noch nicht vor. Mit ihr ist erst in zwei
bis drei Monaten zu rechnen.
Da nur die fehlende gesetzliche Grundlage gerügt wurde und nicht die
Unverhältnismäßigkeit der Speicherung und Auswertung an sich, könnte der
Gesetzgeber den Mangel wohl beheben, indem er nun eine gesetzliche Regelung
für die VerAS-Datei schafft.
Die große Koalition hat darin ja schon Erfahrung. Ende 2016 wurde für die
Auslands-Auslands-Überwachung eine gesetzliche Regelung im BND-Gesetz
geschaffen, nachdem sich diese Form der Ausspähung jahrzehntelang in einer
rechtlichen Grauzone befand.
(Az.: 6 A 6.16)
14 Dec 2017
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesnachrichtendienst
Schwerpunkt Überwachung
Gericht
Reporter ohne Grenzen
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