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# taz.de -- Extremismus-Überwachung im Internet: Raus aus der Filterblase
> Ein neuer Algorithmus soll dem Bremer Verfassungsschutz dabei helfen,
> extremistische Strömungen und Gruppierungen zu überwachen.
Bild: Oft gar nicht bewusst: extremistische Äußerungen in sozialen Medien
BREMEN taz | Der Bremer Verfassungsschutz meldet sich jetzt bei Facebook
an: Mittels eines neu entwickelten Algorithmus sollen nun einschlägige
Communitys, offene Facebook-Gruppen und Profilseiten, etwa von Parteien,
auf extremistische Strömungen hin untersucht werden. „Die Terrorpropaganda
von Islamisten, fremdenfeindliche Hetze, linksextreme Mobilisierungsvideos
oder Reichsbürger-Videos“ seien in den sozialen Medien allgegenwärtig,
sagte der Leiter des Bremer Verfassungsschutzes Dierk Schittkowski.
„Wir müssen erkennen, dass es neue Extremismusformen gibt“, sagte
Schittkowski weiter bei der Vorstellung der neuen Methodik. „Die treffen
sich nicht mehr in der Kneipe, wo wir dann ein Observationsteam hinschicken
und ein paar Fotos machen können.“
Extremisten seien, so die alarmierende Erkenntnis, heutzutage hauptsächlich
im Internet aktiv. Dort verbreiteten sie Hassbotschaften, Facebooks
Algorithmus tue dann das seine dazu, sodass die gefürchteten Filterblasen
entstünden. „Jeder Like führt dazu, dass sich ein Beitrag weiter
verbreitet“, sagte Schittkowski.
Der neue Algorithmus soll nun sowohl „Frühwarnsystem“ für den
Verfassungsschutz selbst sein als auch als Beweismittel dienen, wenn es
etwa bei bekannten Extremisten zur Strafverfolgung komme.
Wie der Algorithmus, der auf den Namen LEA hört, genau funktioniert,
versuchte bei dem extra angesetzten Pressetermin in der Innenbehörde der
Soziologe und Analyst Michael Adelmund zu erklären.
Im Rahmen seines Promotionsvorhabens an der Universität Hildesheim
untersucht er, wie Radikalisierungsprozesse in sozialen Netzwerken
funktionieren. Der oder die von ihm erfundene LEA nun ist ein
linguistischer Algorithmus, der bestimmte Signalwortkombinationen mit
Extremismusbezug erkennt und sie aus Kommentaren und Beiträgen
herausfiltern kann.
Der Verfassungsschutz will die daraus gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um
auf extremistische Tendenzen aufmerksam zu machen und die BürgerInnen zu
warnen. Ihnen sei es in ihrer Filterblase oft gar nicht bewusst, wie
extremistisch manche Positionen und Gruppierungen in Wahrheit seien. Daher
setze man auf Aufklärung: „Je extremistischer eine Organisation ist, um so
mehr Anhänger verliert sie“, erklärte Schittkowski.
Der Algorithmus soll jedoch nur in offenen Communitys eingesetzt werden und
nicht etwa auf privaten Profilseiten. Geschlossene Gruppen, so Schittkowski
weiter, seien oftmals gar nicht so relevant: „Den Extremisten geht es ja
gerade um Öffentlichkeit.“
Genug Futter also für den Verfassungsschutz, sollte man meinen. Aber
dennoch: Die Leute seien vorsichtiger geworden, erklärte Schittkowski:
„Hasspredigten oder auch Skinheads findet man heute eigentlich kaum noch.“
## Wer verübt Anschläge auf Asylheime?
Gerade im Bereich der „Anti-Asyl-Agitation“ seien vor allem Personen
auffällig geworden, über die vorher nichts einschlägiges bekannt war: „Die
meisten Leute, die Anschläge auf Asylheime begangen haben, waren uns als
Extremisten nicht bekannt.“ Der Einsatz des Algorithmus diene auch dazu, zu
entscheiden: „Ist jemand noch Mitläufer oder schon Mitglied
extremistischer Communitys?“
Bremen ist damit Vorreiter. Die Frage der lokalen Abgrenzung wollte der
Verfassungsschutz-Chef nicht eindeutig beantworten: „Das Internet kann man
nicht lokal begrenzen“, sagte er. Um zu verhindern, dass jedes einzelne
Landesamt mit seinem eigenen Algorithmus vor sich hinwurschtelt, sitze man
aber sehr oft im Verfassungsschutzverbund zusammen und verteile die
Aufgaben. „Nichts wäre schlimmer, als wenn zehn Verfassungsschutzämter auf
der selben Facebookseite wären und sich dann gegenseitig Mails schrieben.“
13 Feb 2018
## AUTOREN
Karolina Meyer-Schilf
## TAGS
Internet
Schwerpunkt Überwachung
Verfassungsschutz
Algorithmen
Algorithmus
Hans-Georg Maaßen
Bundesnachrichtendienst
Europäische Union
Hans-Georg Maaßen
Islam
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