# taz.de -- Finanzkrise und Bankenreform: Too big, also fail | |
> Die EU-Kommission beerdigt eine radikale Idee nach der Finanzkrise. | |
> Banken sollten aufgetrennt werden, damit der Staat sie nicht retten muss. | |
Bild: Für Pleiten zuständig: Die Europäische Zentralbank beaufsichtigt Banken | |
Berlin taz | Die Europäische Kommission hat eine wichtige Reform im | |
Bankensektor beerdigt. Am Dienstag zog sie den Vorschlag für eine seit | |
Jahren diskutierte Richtlinie einer Bankenstrukturreform in einer kurzen | |
Mitteilung zurück. Sie sollte das Too-big-to-fail-Problem lösen. Demnach | |
sind einige Banken so riesig, so komplex und untereinander und mit dem Rest | |
der Wirtschaft so verwoben, dass sich kein Staat leisten kann, sie | |
pleitegehen zu lassen. Das Chaos wäre zu groß, der ökonomische Schaden | |
riesig. Also gibt’s im Zweifel Steuergelder – wie während der Finanzkrise | |
ab 2008. | |
Im Jahr 2011 schlug deshalb eine von der EU-Kommission eingesetzte | |
Expertengruppe vor, dass sogenannte systemrelevante Banken ihre Geschäfte | |
auftrennen müssen. Nicht automatisch, aber wenn nötig. Das Erste ist das | |
klassische Geschäft – etwa Kredite an Unternehmen oder Otto | |
Normalverbraucher. Das Zweite des Handelsgeschäft, bei dem es bisweilen | |
gehörig ans Zocken geht. | |
Falls die Zockerabteilung einer Bank pleiteginge, wäre das Kreditgeschäft, | |
also echte Unternehmen und damit Jobs, nicht betroffen. Es wäre deutlich | |
schwerer, Staaten um Rettungsgelder zu erpressen. Die Grundidee nennt sich | |
Trennbankensystem. Die USA, Deutschland und andere EU-Staaten haben Regeln | |
dazu erst abgeschafft und dann, nach der Krise von 2008, auf nationaler | |
Ebene teilweise wieder implementiert. Das sei aber alles „zu lasch“ und | |
würden die Risiken bei Großbanken kaum reduzieren, kritisiert die in | |
Brüssel ansässige Nichtregierungsorganisation Finance Watch. | |
Der umfangreiche, EU-weite Vorschlag ist jetzt also endgültig vom Tisch. | |
„Eine gute Nachricht für die Großbanken – für jene, die seit zehn Jahren | |
für mehr Finanzstabilität arbeiten, dagegen eher ein schwarzer Tag“, sagt | |
Christian Stiefmüller, Finanzmarktexperte bei Finance Watch. Die | |
EU-Kommission sagt, am Scheitern der Reform sei das EU-Parlament schuld. Da | |
habe man sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können. | |
Was richtig ist. Das wiederum liege, so der zuständige | |
SPD-Berichterstatter, Jakob von Weizsäcker, maßgeblich an der konservativen | |
EVP-Fraktion, der auch die CDU angehört. Grob fahrlässig gegenüber dem | |
Allgemeinwohl sei das. Weizsäcker strebte eine Beweislastumkehr an: | |
Großbanken hätten nachweisen müssen, dass sie ihre Zocker-Risiken im Griff | |
haben. Klappt das nicht, hätte die Bankenaufsicht als letztes Mittel das | |
Recht bekommen, eine Bank aufzuspalten. Das wollte die EVP nicht mittragen. | |
## Ein Gerücht könnte eine Bank ruinieren | |
Eigentlich aber, sagt die Kommission, sei die Reform ohnehin nicht mehr | |
nötig. Banken müssten heute deutlich mehr Kapital für Notzeiten vorhalten. | |
Außerdem würden die 120 Großbanken in der EU heute einheitlich von der | |
Europäischen Zentralbank beaufsichtigt. Dazu komme, dass es mittlerweile | |
Regeln gebe, wie Großbanken pleitegehen und eine Behörde, die das steuert – | |
genannt einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus. | |
Doch das funktioniere noch nicht richtig, sagt Jan Pieter Krahnen, | |
Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität | |
Frankfurt. Deshalb sei das Scheitern der Reform jetzt bedauerlich. Krahnen | |
saß 2011 in der Expertenkommission, die die jetzt geknickte Richtlinie | |
angestoßen hat. Das Grundproblem ist nach Ansicht von Krahnen der | |
sogenannte Bail-in: Demnach kann die Bankenaufsicht entscheiden, dass | |
Schuldner einer Bank auf Forderungen verzichten müssen, falls der Bank die | |
Insolvenz droht. Das soll der Bank bereits vor der Zahlungsunfähigkeit | |
wieder auf die Beine helfen. | |
Das Problem ist allerdings, dass momentan bereits das Gerücht ausreichen | |
könnte, dass eine Bank Probleme hat – und schon würden die Schuldner ihr | |
Geld verlangen, um nicht haften zu müssen, befürchtet der Experte. | |
„Momentan ist nicht gesichert, dass die Schuldner nicht ihrerseits eine | |
Krise auslösen. Zudem ist unklar, was mit Großeinlegern wie Unternehmen in | |
einem Krisenfall geschieht; hier könnte es zu einem unnötigen Run kommen“, | |
sagt Krahnen. Dann wäre die Bank erst recht pleite. | |
Nach gegenwärtigem Stand der Dinge könnte also genau das Instrument, das | |
eine Panik auf den Märkten verhindern sollte, eine solche auslösen. | |
„Offensichtlich lässt die Erinnerung an die Finanzkrise nach und damit auch | |
die Regulierungsbereitschaft“, sagt Jakob von Weizsäcker. | |
29 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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