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# taz.de -- Gentrifizierung in Berlin-Neukölln: Das Scheunentor im Schutzgebiet
> Im Neuköllner Norden bekommt ein Vermieter die Genehmigung, Miet- in
> Eigentumswohnungen umzuwandeln – dank Bundesrecht ganz legal.
Bild: Eigentlich eine prima Sache – hilft aber nicht immer: Milieuschutz
Der Ausflug ins Bezirksamt Neukölln endete für die MieterInnen eines Hauses
an der Ecke Weserstraße/Roseggerstraße am Dienstagmorgen ernüchternd.
„Unser Protestbrief ist praktisch für den Schredder“, fasste eine Mieterin
die Antwort des zuständigen Mitarbeiters der Abteilung für Stadtentwicklung
zusammen. Mit ihrem Schreiben wollten die MieterInnen gegen die
Ankündigung des Bezirks protestieren, die Umwandlung ihrer Miet- in
Eigentumswohnungen zu gestatten. Doch genau so wird es kommen, mussten sie
nun erfahren.
Schon im November soll die Genehmigung für den veränderten Grundbucheintrag
vorliegen. Für die etwa 40 Mietparteien des Eckhauses, die sich als
Initiative „Rosi bleibt“ zusammengeschlossen haben, sind das ernüchternde
Nachrichten. Sie hatten die Hoffnung, dass sie ihre Lage vor einem solchen
Szenario schützen würde.
Denn seit dem 6. August liegt ihr Haus in dem neu definierten
Milieuschutzgebiet Herzbergplatz/Treptower Straße. Und hier gilt – wie für
alle knapp 50 Gebiete mit sozialen Erhaltungsverordnungen in Berlin – ein
Verbot für Umwandlungen in Eigentumswohnungen. Damit soll die soziale
Struktur der Kieze erhalten werden. Die BewohnerInnen des Hauses in der
Weserstraße, die auf ihrer Höhe nicht mehr die Partymeile ist, könnten als
Paradebeispiel für eine zu schützende Mieterschaft herhalten: RentnerInnen,
Studierende, SozialhilfeempfängerInnen, Geringverdienende – niemand aus dem
Haus, der genug Geld hätte, die eigene Wohnung zu erwerben. Das war auch
das Ergebnis einer Hausversammlung in der vergangenen Woche. Alle haben
daraufhin den Protestbrief unterschrieben.
Warum der Bezirk trotzdem nicht schützend eingreifen kann, erklärt Jochen
Biedermann, grüner Baustadtrat des Bezirks. Das in Milieuschutzgebieten
geltende Umwandlungsverbot habe eine Reihe kleinerer und „eine
Scheunentorausnahme“, so Biedermann. „Wenn sich die Eigentümer
verpflichten, die Wohnungen für sieben Jahre nur an die Mieter zu
verkaufen, müssen wir das genehmigen.“ Genau das habe die Immobilienfirma
ADO, ein Berliner Großvermieter, auch Eigentümer der Neuköllner „Weißen
Siedlung“, beantragt.
## Gesetzeslage ist „Riesenproblem“
Diese Gesetzeslage sei ein „Riesenproblem“, so Biedermann. Verbesserungen
sind jedoch nicht absehbar: Mit der 7-Jahres-Regelung nutzt das Land
bereits die Spielräume des Bundesrechts aus.
Darüber, was nach der Genehmigung passiert, kann Biedermann nur
spekulieren: „In vielen Fällen laufen dann Menschen mit Geldkoffern durchs
Haus und bieten Aufhebungsverträge an.“ Nicht selten werden MieterInnen
überrumpelt und für ein paar tausend Euro aus ihren Wohnungen
herausgekauft.
Denn ohne die AltmieterInnen steht einer sofortigen Veräußerung als
Eigentumswohnung nichts mehr im Wege. Der Baustadtrat rät dringend davon
ab, auf derartige Angebote einzugehen. Nach den sieben Jahren, gäbe es noch
einen fünfjährigen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. „Das sind eigentlich
noch zwölf Jahre Sicherheit.“
Die MieterInnen, die sich schon über die schlechten Erfahrungen mit ihrem
Vermieter beschweren – überhöhte Betriebskostenabrechnungen und
verschleppte Schäden – ,rechnen dennoch mit dem Schlimmsten. Zur taz sagt
eine von ihnen: „Die werden alles tun, um uns hier rauszukriegen.“
24 Oct 2017
## AUTOREN
Erik Peter
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