Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wirkungslose Verordnung: Umwandlungen trotz Milieuschutz
> Das Geschäft mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht
> weiter. Das belegen die aktuellen Zahlen aus Friedrichshain-Kreuzberg.
Bild: Traum vom Eigentum? In der Schillerpromenade für andere ein Albtraum
Eigentlich, so dachten die Mieterinnen und Mieter der Böhmischen Straße 9,
seien sie vor einer möglichen Umwandlung ihrer Wohnungen in
Eigentumswohnungen sicher. Schließlich liegt ihr Haus in einem der 42
Berliner Milieuschutzgebiete. Doch dann kam im November dieser Brief vom
Bezirksamt Neukölln. In dem heißt es, dass sich der Eigentümer verpflichtet
habe, die Eigentumswohnungen sieben Jahre lang nur den Mietern anzubieten.
„Mit Vorlage dieser Verpflichtung muss das Stadtentwicklungsamt (…) die
Umwandlung genehmigen“, steht in dem Schreiben.
Jochen Biedermann, der zuständige Stadtrat, kennt das Problem. Bei einem
ähnlichen Fall in der Weserstraße musste der Antrag der Immobilienfirma ADO
auf Umwandlung ebenfalls genehmigt werden. Auch da hatte sich der
Eigentümer bereit erklärt, sieben Jahre lang ausschließlich an die Mieter
zu verkaufen. Biedermann nannte das eine „Scheunentorausnahme“.
Ursprünglich galt die Umwandlungsverordnung als das wichtigste Instrument,
um den Boom bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einzudämmen.
Sie besagt, dass jede Umwandlung in einem Milieuschutzgebiet vom Bezirk
versagt werden kann, wenn damit die Verdrängung der Wohnbevölkerung drohe.
Die CDU hatte sich lange gegen die Verordnung gewehrt. 2015 wurde sie
schließlich erlassen.
Doch nicht in allen Fällen greift die Verordnung. So muss der Bezirk die
Umwandlung genehmigen, wenn das Gebäude nicht zu Wohnzwecken genutzt wird.
Die laut Berliner Mieterverein inzwischen aber häufigste Ausnahme ist jener
Passus im Baugesetzbuch, in dem es heißt: „Die Genehmigung ist ferner zu
erteilen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben
Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter
zu veräußern.“
Was zunächst nach einer Atempause klingt, ist freilich nur ein geringer
Trost. Denn wer kann sich schon die Preise leisten, die Eigentumswohnungen
inzwischen kosten. Neuköllns Baustadtrat Biedermann sprach beim Beispiel
der Weserstraße von einem „Riesenproblem“: „In vielen Fällen laufen dann
Menschen mit Geldkoffern durchs Haus und bieten Aufhebungsverträge an.“
Biedermanns grüner Stadtratskollege Florian Schmidt ist ebenfalls
ernüchtert. „Da ist kein Effekt mehr zu sehen“, sagt er und verweist auf
die aktuellen Zahlen aus Friedrichshain-Kreuzberg. So wurden 2014 pro
Halbjahr etwa 1.450 Wohnungen in Eigentum umgewandelt. Bevor die Verordnung
im März 2015 in Kraft trat, erhöhte sich die Zahl auf 2.500, laut Schmidt
war das ein „Vorzieheffekt“. Seitdem geht sie zwar zurück, doch in den
„absoluten Zahlen“, so der Baustadtrat, „ist kein spürbarer Rückgang zu
erkennen“. Im zweiten Halbjahr 2016 lag die Zahl der Umwandlungen bei 1.885
Wohnungen, im ersten Halbjahr 2017 bei 1.569. „Damit sind wir wieder bei
den Zahlen von 2014“, meint Florian Schmidt.
Der Grünenpolitiker Schmidt fordert deshalb, die Siebenjahresregelung so
schnell wie möglich aus dem Baugesetzbuch zu streichen. Das freilich ist
Bundesangelegenheit. Den Bezirken bleibt, wie in der Böhmischen Straße,
nur, die Mieter über die Genehmigungen zu informieren. „Wir schreiben alle
betroffenen Mieter an“, sagt Neuköllns Baustadtrat Biedermann. Der einzige
Trost, den er hat: Nach Ablauf der Siebenjahresfrist greift noch einmal das
generelle Verbot von Eigenbedarfskündigungen. Das beträgt in Berlin fünf
Jahre.
17 Dec 2017
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Umwandlungsverordnung
Milieuschutz
Florian Schmidt
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Schillerkiez in Berlin
Umwandlungsverordnung
Versteigerung
Gentrifizierung
Katrin Lompscher
Immobilienmarkt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umwandlung in Eigentum: Verdrängung geht weiter
Immer noch werden viele Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Nur selten
können sich die Mieter den Kauf selbst leisten. Doch der Bund bleibt
untätig.
Versteigerung in Kreuzberg: „Das ist eine Wildwest-Investition“
Eine anonyme Gesellschaft bietet einen Mondpreis für ein Wohnhaus. Doch
gerade deswegen können Mieter und Bezirk Hoffnung schöpfen.
Gentrifizierung in Berlin-Neukölln: Das Scheunentor im Schutzgebiet
Im Neuköllner Norden bekommt ein Vermieter die Genehmigung, Miet- in
Eigentumswohnungen umzuwandeln – dank Bundesrecht ganz legal.
Kampf gegen Gentrifizierung in Berlin: Senat will aufmüpfige Bezirke
Die Bausenatorin und der Finanzsenator wollen, das andere Bezirke dem
Beispiel von Friedrichshain-Kreuzberg beim Vorkaufsrecht folgen.
Gentrifizierung und Milieuschutz: Investoren suchen neue Ziele
Zu spät, zu wirkungslos: Opposition und Mietervertreter kritisieren die
Verordnung, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren soll.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.