| # taz.de -- Was Katalonien völkerrechtlich darf: Kein Recht auf Sezession | |
| > Schwere Menschenrechtsverletzungen wären ein Grund für eine | |
| > Unabhängigkeit Kataloniens. Der kommt für die Region allerdings nicht in | |
| > Frage. | |
| Bild: Mal durch die Völkerrechtsbrille gucken wäre ganz gut | |
| Freiburg taz | Katalonien kann sich [1][bei der geplanten Abspaltung] von | |
| Spanien nicht auf das Völkerrecht berufen. Dort ist kein generelles Recht | |
| auf Sezession vorgesehen. Die vor einer Woche durchgeführte katalanische | |
| Volksabstimmung kann eine einseitige Erklärung [2][der Unabhängigkeit] und | |
| eine Missachtung der spanischen Verfassung nicht rechtfertigen. | |
| Auf den ersten Blick mag diese Feststellung erstaunen, denn das Völkerrecht | |
| garantiert das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Es ist in der UN-Charta | |
| und verschiedenen UN-Pakten erwähnt. Heute ist auch anerkannt, dass es sich | |
| dabei nicht nur um ein moralisch-politisches Ziel, sondern um eine | |
| Rechtsnorm handelt. | |
| Allerdings steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Konkurrenz zu | |
| einem zentralen völkerrechtlichen Prinzip: der Souveränität der Staaten und | |
| dem Schutz ihrer territorialen Integrität. Schon deshalb wird das | |
| Selbstbestimmungsrecht nicht so verstanden, dass sich ein Volk jederzeit | |
| per einseitiger Erklärung aus einem Mehrvölkerstaat verabschieden kann. | |
| Für eine restriktive Auslegung sprechen aber auch wichtige praktische | |
| Gründe. So sind Siedlungsgebiete meist gemischt. Auch nach einer Sezession | |
| gäbe es im neuen Staat wieder Minderheiten, die sich nun ihrerseits | |
| abspalten könnten. Außerdem ist es schwer zu definieren, was ein „Volk“ | |
| eigentlich ist. Sind die Bayern ein Volk innerhalb Deutschlands? Sind die | |
| Franken ein Volk innerhalb Bayerns? | |
| ## „Volk“ ist kaum zu definieren | |
| Die größte Rolle spielte das Selbstbestimmungsrecht der Völker bisher, als | |
| nach dem Zweiten Weltkrieg die alten Kolonialreiche aufgelöst und die | |
| Staaten Afrikas unabhängig wurden. Dabei blieben aber die alten | |
| Staatsgrenzen in der Regel erhalten, das heißt: die afrikanischen Staaten | |
| blieben Mehrvölker-Staaten und wurden eben nicht aufgelöst. | |
| Das Selbstbestimmungsrecht einzelner Völker soll also vor allem innerhalb | |
| der Staaten berücksichtigt werden. Die Sprache und Kultur einzelner | |
| Volksgruppen soll geschützt werden. Niemand soll wegen seiner ethnischen | |
| Zugehörigkeit diskriminiert und ausgegrenzt werden. Regionale | |
| Autonomierechte oder ein föderaler Staatsaufbau können helfen, sind aber | |
| international nicht vorgegeben. | |
| Ein Abspaltungsrecht einzelner Volksgruppen wird völkerrechtlich nur ganz | |
| ausnahmsweise anerkannt – wenn es aktuell zu schweren | |
| Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen die Angehörigen | |
| dieser Volksgruppe kommt. Frühere Unterdrückung, etwa der Katalanen zur | |
| Zeit des Franco-Regimes, zählt hier nicht. Die Abspaltung muss ein | |
| Notwehr-Akt gegen gegenwärtige Gewaltherrschaft sein. | |
| Jenseits der völkerrechtlichen Theorie kommt es aber vor allem darauf an, | |
| ob ein „Staat“, der sich für unabhängig erklärt, dann von anderen Staaten | |
| anerkannt wird. So war im Fall des Kosovo, das sich 2008 von Serbien | |
| lossagte, durchaus umstritten, ob zu diesem Zeitpunkt (neun Jahre nach dem | |
| Kosovo-Krieg) eine Sezession gerechtfertigt war. Die meisten westlichen | |
| Staaten haben den neuen Staat dennoch anerkannt. Darauf kann Katalonien | |
| wohl nicht hoffen. | |
| 8 Oct 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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