Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vor Parlamentssitzung in Katalonien: Mit allen Konsequenzen
> Große Anspannung vor der Rede des katalanischen Präsidenten Puigdemont
> vor dem Autonomieparlament: Erklärt er die Unabhängigkeit?
Bild: Barcelona, Dienstagfrüh: Die spanische Polizei bewacht den Eingang zu Ka…
Madrid taz | An diesem Dienstag um 18 Uhr will der katalanische Präsident
Carles Puigdemont vor das Autonomieparlament treten. Das geschieht auf
eigenen Wunsch, um „die aktuelle politische Lage“ zu debattieren. Das ist
schon alles, was klar ist. Der Rest sind offene Fragen und Befürchtungen.
Mit Spannung wird – nicht nur in Madrid, sondern auch in Katalonien selbst
– erwartetet, ob Puigdemont die Unabhängigkeit ausruft. „Wir werden
anwenden, was das Gesetz vorsieht“, erklärte Puigdemont im Vorfeld der
Parlamentssitzung, die ursprünglich für Montag vorgesehen war, aber auf
Antrag der Sozialisten vom Verfassungsgericht suspendiert wurde.
Denn anders als jetzt war auf der Tagesordnung nicht von der „aktuellen
politischen Lage“, sondern von der Bewertung des Ergebnisses der
Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der nord-ost-spanischen Region rund
um [1][Barcelona] die Rede. [2][90,2 Prozent hatten am 1. Oktober für eine
Republik Katalonien gestimmt].
An der Abstimmung beteiligten sich trotz des Verbots durch die spanische
Justiz und [3][unter erheblicher Polizeigewalt] 43 Prozent der
Stimmberechtigten. In den Gegenden, in denen die Polizeieinsätze
ausblieben, fanden deutlich über 50 Prozent den Weg an die Urnen.
## Unter den Unabhängigkeitsbefürwortern knirscht es
Das katalanische Gesetz zur Volksabstimmung, das vom Verfassungsgericht für
unrechtmäßig erklärt wurde, sieht vor, dass Puigdemont binnen 48 Stunden
nach dem endgültigen Ergebnis die Unabhängigkeit ausrufen muss. Das
Endergebnis wurde bereits am Freitag verkündet. Alles deutet darauf hin,
dass es unter den Unabhängigkeitsbefürwortern hinter den Kulissen knirscht.
Während die antikapitalistische Kandidatur der Volkseinheit (CUP), die die
Minderheitsregierung von Puigdemont und dessen Wahlbündnis „Gemeinsam für
das Ja“ (JxSí) unterstützt, eine sofortige Unabhängigkeit will, zeigte sich
der katalanische Präsident in den vergangenen Tagen zögerlich. Seine
Demokratisch-Europäisch-Katalanische Partei (PdeCat) stellt den
konservativen Flügel im Regierungsbündnis „Gemeinsam für das Ja“. Der
andere Partner, die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) um
Vizepräsident Oriol Junqueras, neigt eher der CUP zu.
Immer wieder sprachen Puigdemont und einige seiner Minister von Dialog und
internationaler Vermittlung. Denn der Druck auf Katalonien erhöht sich,
[4][seit immer mehr namhafte Unternehmen ihren Sitz in andere Regionen
Spaniens verlegen]. Der konservative spanische Ministerpäsident Mariano
Rajoy lehnt jedweden Dialog ab.
## Szenarien: „Symbolische“ und „ausgesetzte“ Unabhängigkeit
Mehrere hochrangige Mitglieder der PdeCat brachten in den vergangenen Tagen
unterschiedliche Szenarien ins Spiel. So etwa eine Art „symbolischer“
Unabhängigkeitserklärung, die keine unmittelbare Folgen hätte, aber ein
Fernziel darstellt, auf das Puigdemont und die Seinen dann hinarbeiten und
hinverhandeln. Eine solche Lösung legte Marta Pascal – Chefkoordinatorin
der JxSí – in einem [5][Interview mit der britischen BBC] nahe.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Verfahren ähnlich wie einst in Lettland –
so ein Europaabgeordneter der PdeCat: eine Unabhängigkeit, die dann erst
einmal ausgesetzt wird, um internationale Unterstützer zu sammeln.
Bisher allerdings hat Puigdemont kein Glück mit internationalen
Unterstützern. Frankreich stellte sich in den vergangenen Tagen ebenso wie
Deutschland oder Brüssel hinter die Zentralregierung in Madrid. Kritik an
dem dort regierenden Mariano Rajoy gab es – wenn überhaupt – nur bezüglich
des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes am 1. Oktober.
Wenn Puigdemont am Abend vor das katalanische Parlament tritt, werden ihn
die Befürworter einer sofortigen Unabhängigkeit keinen Augenblick aus den
Augen lassen. Die Organisation „Katalanische Nationalversammlung“ (ANC) die
das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung bildet, ruft die Menschen zu einer
Versammlung vor der katalanischen Volksvertretung, um Druck aufzubauen.
„Glaubwürdigkeit und Würde legen eine Unabhängigkeitserklärung nahe“,
erklärte der ANC-Vorsitzende Jordi Sanchez. Die Polizei sperrte am Dienstag
den den Park um das Tagungsgebäude.
## Fast alle spanischen Parteien sind sich einig
Eines ist klar: Sollte Puigdemont die sofortige Unabhängigkeit ausrufen,
wird die Zentralregierung in Madrid den Artikel 155 der spanischen
Verfassung anwenden. Dieser sieht vor, dass die Autonomieregierung
entmachtet und die Region direkt von Madrid aus regiert wird. Sollte das
nicht reichen, würden weitere Schritte folgen, erklärte Ministerpräsident
Rajoy. So mancher in Spanien wertet dies als Androhung des
Ausnahmezustandes.
Rajoy genießt dabei die volle Unterstützung der sozialistischen PSOE und
der rechtsliberalen Ciudadanos. Von den spanienweit agierenden Parteien
fordert nur die linksalternative Podemos einen Dialog.
Besonders deutlich wurde am Montag der Vizepräsident und Sprecher von
Rajoys konservativer Partido Popular (PP), Pablo Casado: „Wer die
Unabhängigkeit erkläre, „endet womöglich so wie derjenige, der sie vor 83
Jahren erklärt hat“, drohte er Puigdemont vor der Presse. 1934 hatte der
Regierungschef Kataloniens, Lluis Companys, einen unabhängigen Staat
ausgerufen. Die gesamte katalanische Regierung wurde daraufhin verhaftet.
Später floh Companys nach Frankreich. Die Gestapo lieferte ihn nach dem
Einmarsch an Spanien aus. Companys wurde 1940 nach einem Schnellverfahren
unter der Diktator von General Franco standrechtlich erschossen.
10 Oct 2017
## LINKS
[1] /Abspaltung-Kataloniens/!5453999/
[2] /Referendum-in-Katalonien/!5451546
[3] /Referendum-in-Katalonien/!5450449
[4] /Streit-um-Abspaltung-Kataloniens/!5451736
[5] http://www.bbc.com/news/world-europe-41551466
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Katalonien
Carles Puigdemont
Unabhängigkeit
Katalonien
Katalonien
Spanien
Spanien
Francisco Franco
Madrid
Katalonien
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU reagiert verhalten auf Katalonien: Politikverweigerung in Brüssel
Die Sezession wurde aufgeschoben, Brüssel schweigt. Europa-Abgeordnete
fordern Neuwahlen in Spanien und eine Schlichtung durch die EU.
Rede von Puigdemont im Parlament: Katalonien verschiebt Unabhängigkeit
In seiner Rede hat Kataloniens Regionalchef Puigdemont die
Unabhängigkeitsbestrebungen untermauert, eine Abspaltung von Spanien aber
nicht explizit ausgerufen.
Abspaltung Kataloniens: Verhärtete Fronten
Barcelonas Bürgermeisterin ist gegen eine einseitige
Unabhängigkeitserklärung Kataloniens. Sie ruft Ministerpräsidenten Rajoy zu
Zugeständnissen auf.
Katalonien-Demonstration in Barcelona: „Dialog? Nein! Knast!“
Hunderttausende protestieren gegen die Abspaltung von Katalonien. An ihrer
Dialogbereitschaft ließen viele zweifeln.
Was Katalonien völkerrechtlich darf: Kein Recht auf Sezession
Schwere Menschenrechtsverletzungen wären ein Grund für eine Unabhängigkeit
Kataloniens. Der kommt für die Region allerdings nicht in Frage.
Demos nach dem Katalonien-Referendum: Weiß, die Farbe der Hoffnung
Tausende demonstrieren in ganz Spanien für einen Dialog zwischen der
Zentralregierung und den Katalanen. Sie sind weiß gekleidet, ihr Slogan:
Sprechen wir?
Streit um Abspaltung Kataloniens: Spanische Spielchen
Katalonien verschiebt den möglichen Termin einer Unabhängigkeitserklärung
erneut. Jetzt machen Einheitsbefürworter mobil.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.