# taz.de -- Sezessions-Referendum in Katalonien: Der Traum von der linken Repub… | |
> Der Terror in Spanien hat den Streit über die Unabhängigkeit Kataloniens | |
> nur kurz unterbrochen. Das Referendum spaltet die Linke. | |
Bild: Ob für oder gegen die Unabhängigkeit: Trauernde in Barcelona nach dem A… | |
Barcelona taz | Für ein paar Stunden waren Anna Gabriel und Rafael Arenas | |
vereint – in Sorge. Leben meine Verwandten und Freunde noch? Sind sie | |
unverletzt? Solche Fragen beschäftigten sie nach den islamistischen | |
Attentaten am 17. und 18. August in Katalonien. Einen Moment lang | |
unterbrach Gabriel – eine Abgeordnete des katalanischen Parlaments – ihr | |
Werben für die Unabhängigkeit der Region im spanischen Nordosten. Und | |
Arenas, ein Pro-Spanien-Aktivist, sorgte sich um seine Lieben, nicht um die | |
territoriale Einheit der spanischen Nation. | |
Am Samstag wollen wieder Tausende in Barcelona gegen den Terror | |
demonstrieren. „Ich habe keine Angst!“, werden sie rufen auf dem Boulevard | |
Passeig de Gràcia mit seinen prachtvollen Jugendstilgebäuden. | |
Auch Spaniens König wird dabei sein. Doch die Attentate haben nichts daran | |
geändert, dass Gabriel und Arenas zerstritten sind – so wie ganz Katalonien | |
gespalten ist. Im Gegenteil: Der Monarch dürfe die Demonstration nicht | |
anführen, forderte Gabriels Fraktion „Kandidatur der Volkseinheit“, kurz | |
CUP. Arenas glaubt, die Sezessionsbewegung sei mitverantwortlich dafür, | |
dass die Sicherheitskräfte der Region und der Zentralregierung schlecht | |
zusammengearbeitet hätten. | |
Dabei haben Gabriel und Arenas eine Menge gemein: Beide haben Jura | |
studiert; als Professor für internationales Privatrecht war er ihr Dozent. | |
Beide sind dafür, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen und mehr | |
Flüchtlinge aufzunehmen. Sie sind dagegen, Arbeitnehmerrechte abzubauen und | |
das Gesundheitssystem zu privatisieren. Anna Gabriel und Rafael Arenas sind | |
beide links. | |
## Kein Konsens in Sicht | |
Doch in der Diskussion über die Unabhängigkeit kämpfen sie seit Monaten so | |
unerbittlich gegeneinander wie noch nie. Denn Gabriels CUP bereitet | |
gemeinsam mit der von einem Konservativen geführten katalanischen Regierung | |
ein Referendum vor. Am 1. Oktober wollen sie die Wahlberechtigten der | |
Region fragen, [1][ob Katalonien eine eigene Republik werden soll.] Falls | |
die Mehrheit zustimmt, soll [2][zwei Tage nach Bekanntgabe des Ergebnisses | |
die Abspaltung] von Spanien erklärt werden – auch gegen den Willen der | |
Zentralregierung in Madrid. | |
Arenas argumentiert dagegen, zum Beispiel als Gastkommentator [3][in der | |
New York Times]. Ein Jahr lang war er Präsident der Vereinigung | |
„Katalanische Zivilgesellschaft“, die die wichtigste überparteiliche | |
Organisation der Unabhängigkeitsgegner ist. | |
Mit Geld- und Haftstrafen droht derweil die spanische Staatsanwaltschaft | |
Politikern und Beamten, die das Plebiszit vorbereiten. Die Polizei führt | |
schon Verhöre durch. Doch die Regionalregierung in Barcelona gibt sich | |
unbeugsam und entwirft sogar [4][Gesetze, die die Details der Loslösung von | |
Madrid regeln sollen]. Wenn das Referendum trotz des Drucks tatsächlich | |
stattfindet, könnte Madrid der militärisch organisierten Polizeieinheit | |
Guardia Civil befehlen, die Urnen einzusammeln. Nicht auszudenken, was | |
passieren würde, falls sie dabei auf Widerstand stieße. | |
Und das mitten in einem der größten EU-Länder und in einer wirtschaftlich | |
bedeutenden Region, mit Barcelona und der Costa Brava, die Deutsche als | |
Urlaubsziel kennen. Der Streit in Katalonien betrifft vor allem deshalb | |
auch Deutschland, weil die Regionalregierung will, dass der neue Staat in | |
die Europäische Union und die Eurozone aufgenommen wird. Berlin hätte ein | |
Vetorecht. | |
Wenn Katalonien mit seinen [5][7,4 Millionen Einwohnern] unabhängig würde, | |
könnten auch andere Minderheiten sich ermutigt fühlen, den gleichen Weg zu | |
gehen. Separatisten gibt es etwa unter den Basken in Spanien und | |
Frankreich, den Schotten in Großbritannien, den Südtirolern in Italien oder | |
den Ungarn in der Slowakei, Rumänien und Kroatien. Es drohen wieder Dispute | |
um Grenzen in Europa. | |
Warum unterstützt dann eine Linke wie [6][Anna Gabriel] die | |
nationalistische Bewegung in Katalonien? Sie lächelt, als sie diese | |
Frage hört. Die 41-Jährige ist Sprecherin der CUP-Parlamentsfraktion. Die | |
Gruppe hat zwar bei der letzten Wahl nur [7][8 Prozent der Stimmen] | |
erhalten und ist nicht Teil der Regierung, aber lediglich dank Stimmen aus | |
ihren Reihen konnte der Konservative Carles Puigdemont | |
[8][Ministerpräsident werden]. | |
Gabriel sitzt – sehr aufrecht – in ihrem kleinen Büro im Keller des | |
Parlaments in Barcelona. An der Wand hinter ihr hängt ein „Free | |
Kurdistan“-Plakat. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt, einen kurzen Pony, | |
einen großen Metallring in dem einen, vier Ringe in dem anderen Ohr. | |
„Ich komme aus einer Arbeiterfamilie“, erzählt sie. Ihre Eltern hätten | |
immer ein „großes Klassenbewusstsein“ gehabt. Gewerkschaften, Anarchismus, | |
Kommunismus, das waren Themen in ihrer Familie. „Schon als ich klein war, | |
haben wir sehr viel über Politik geredet. Und immer im Geist, Gerechtigkeit | |
zu suchen.“ | |
Gabriel ist zu dem Schluss gekommen: „Wenn du mehr Rechte für | |
Arbeiterinnen, mehr Kontrolle über die Wirtschaft und mehr Souveränität für | |
das Volk erreichen willst, ist das im Rahmen des spanischen Staats | |
unmöglich.“ | |
Die Abspaltung könne mehr soziale Gerechtigkeit bringen, denn in Katalonien | |
gebe es eine Mehrheit dafür – anders als im restlichen Spanien. Das ist | |
Gabriels Hoffnung. Für sie ist die katalanische Unabhängigkeit vor allem | |
ein Mittel, um „den Weg zum Sozialismus einzuschlagen“, wie es im | |
[9][Wahlprogramm der CUP] heißt. | |
Vor Kurzem hat Gabriel ein [10][Plakat der CUP] für das Referendum in die | |
Kameras gehalten, das diese Strategie auf den Punkt bringt: Darauf schubst | |
eine Putzfrau mit einem großen Besen den spanischen König, der Korruption | |
verdächtige Politiker, den Präsidenten der Zentralregierung, einen | |
Stierkämpfer und einen Kardinal von einer Karte Kataloniens. „Lasst uns den | |
Kapitalismus, das Patriarchat, die Korruption und die Monarchie | |
hinwegfegen“, sagen Gabriel und ihre Mitstreiter. Sie verspricht: „Die | |
Unabhängigkeit ist dazu da, alles zu ändern.“ | |
Dem Königshaus und der Zentralregierung wirft Gabriel sogar vor, eine | |
Mitschuld an dem Doppelanschlag in Katalonien zu tragen. Spanien sei | |
schließlich für den Irakkrieg 2003 gewesen, der dazu beigetragen hat, dass | |
der „Islamische Staat“ entstanden ist. Und der König sei mit Monarchen in | |
Golfstaaten befreundet, die die Terrororganisation finanzierten. | |
Im Programm der CUP stehen so radikale Forderungen wie die 30-Stunden-Woche | |
oder dass Staatsschulden nicht bezahlt werden sollen. Die klassische | |
Familie bezeichnet Anna Gabriel als „arm“. Sie würde Kinder lieber [11][im | |
Kollektiv] aufziehen, so dass sie kein Zugehörigkeitsgefühl zu den | |
biologischen Eltern entwickeln. | |
Das katalanische Parlament tagt zwei Stockwerke über Gabriels Büro in einem | |
kleinen, aber prächtigen Saal aus dem 18. Jahrhundert. Drei voluminöse | |
kugelförmige Kronleuchter hängen an der Decke, an den Seiten stehen | |
Doppelsäulen aus Marmor. Die Abgeordneten sitzen auf Holzbänken mit roten | |
Polstern. | |
Ende Juli 2015 drückte hier die [12][Mehrheit] der Parlamentarier – | |
inklusive der CUP – die grünen Knöpfe in der Bank vor ihnen. Sie | |
beschlossen, dass leerstehende Wohnungen von Banken an Arme vermietet | |
werden müssen. Gabriel ist sehr stolz darauf. Doch [13][dieses Gesetz] hob | |
das spanische Verfassungsgericht wieder auf, weil die Region damit | |
[14][ihre Kompetenzen überschreite]. Für Gabriel ist die Episode ein Beleg | |
dafür, dass mit Spanien kein gesellschaftlicher Fortschritt zu machen sei. | |
Unumstritten ist, dass die Unabhängigkeitsbewegung vor allem wegen der | |
Wirtschaftskrise ab 2007 und den Massenprotesten 2011 gegen die | |
Sparmaßnahmen, die Arbeitslosigkeit und die Korruption an Fahrt gewonnen | |
hat. Doch wie groß ist die Chance auf eine linkere Politik in einem | |
unabhängigen Katalonien wirklich? | |
Um das zu erfahren, kann man von Barcelona aus an der Küste 110 Kilometer | |
nach Westen in die Nähe der Stadt Tarragona fahren. Hier entsteht auf einer | |
Fläche von [15][mehr als 74 Hektar] direkt am Mittelmeer ein gigantischer | |
Komplex aus Spielcasinos, Hotels und Geschäften – ein mediterranes Las | |
Vegas. Der Hard-Rock-Café-Konzern aus den USA will dort [16][1.200 | |
Glücksspielautomaten und 100 Spieltische] für Poker und Ähnliches aufbauen. | |
Gelockt hat die katalanische Regionalregierung potenzielle Investoren mit | |
großzügigen Steuerermäßigungen. | |
„Das ist das Gegenteil von einer fortschrittlichen, linken Politik“, sagt | |
Rafael Arenas, der ehemalige Juraprofessor von Gabriel. Er will zwar auch | |
mehr soziale Gerechtigkeit, aber seine Forderungen sind moderater. Er ist | |
50, also fast zehn Jahre älter als Gabriel, hat einen kurzgeschnittenen | |
Vollbart und trägt ein frisch gebügeltes, weißes Hemd. Arenas hat drei | |
Kinder – von derselben Frau, mit der er den Nachwuchs auch noch gemeinsam | |
aufzieht. | |
Dass die Separatisten im katalanischen Parlament das Casinoprojekt nicht | |
gestoppt oder dessen Steuerbefreiung gestrichen haben, zeigt Arenas: „In | |
den Bereichen, wo Katalonien Gesetzgebungskompetenz hat, haben die | |
Unabhängigkeitsbefürworter fast nichts gemacht.“ Sie hätten auch nicht die | |
Beteiligung von Privatunternehmen am Gesundheits- und am Bildungswesen | |
zurückgedrängt. | |
Aber hat das katalanische Parlament nicht tatsächlich progressive Gesetze | |
beschlossen? „Sie wussten, dass diese Beschlüsse aufgehoben werden, weil | |
sie nicht in die Zuständigkeit der Region fielen“, antwortet Arenas. Wären | |
sie wirklich durchsetzbar, hätte die Koalition sie nicht beschlossen – | |
wegen des Widerstands des konservativen Lagers in der Regierung. | |
„Die Unabhängigkeitsbewegung wird von der Rechten angeführt“, sagt Arenas. | |
Stärkste Kraft in der katalanischen Regierung sei die konservative Partei | |
PdeCat. Ihr wichtigster Koalitionspartner, die sozialdemokratische ERC, | |
müsse Kompromisse akzeptieren, um die Unabhängigkeit zu erreichen. | |
Wenn die katalanische Republik doch nicht die Revolution bringt, was dann? | |
Chauvinismus – wie so viele Nationalismen der Vergangenheit? | |
Anna Gabriel lächelt wieder. Ihre Stimme bleibt ruhig und klar. „Die | |
Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien“, antwortet die CUP-Politikerin, „ist | |
sehr antifaschistisch.“ | |
Gabriel verweist gern auf die Geschichte: Unter dem rechten Diktator | |
Francisco Franco wurde die katalanische Kultur diskriminiert. Der General | |
führte Spanien von seinem Putsch gegen die gewählte republikanische | |
Regierung 1936 bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Hand. Franco hob das | |
Autonomiestatut auf, das Katalonien zum Beispiel eine eigene Regierung, ein | |
Parlament und Kompetenzen im Bildungswesen zugestanden hatte. | |
## Katalanisch ist eine eigene Sprache | |
Katalanisch, diese eigenständige romanische Sprache mit ihrer | |
jahrhundertealten literarischen Tradition, war nicht mehr Amtssprache und | |
wurde beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung unterdrückt. Schon | |
deshalb stand der katalanische Nationalismus gegen Franco, der vom | |
faschistischen Italien und nationalsozialistischen Deutschland | |
unterstützt wurde. „Es gibt keinen identitären Diskurs, keinen Diskurs der | |
Exklusion von Nationen“, beteuert Gabriel. | |
Wenn Rafael Arenas vom Bahnhof zum Campus seiner Universität nahe Barcelona | |
geht, fällt sein Blick auf das [17][riesige Graffito dort]: Auf der | |
gesamten Längsseite des Mensa- und Verwaltungsgebäudes prangt eine rote | |
Sowjetflagge und eine gelb-rote Fahne der Unabhängigkeitsbewegung. In der | |
Mitte eine schwarze, geballte Faust. Unter dem Bild steht: „Unabhängigkeit. | |
Sozialismus. Feminismus“. Signiert ist es mit SEPC, dem Kürzel einer | |
Studentenorganisation, die [18][von Gabriels CUP finanziert wird und deren | |
Mitglieder regelmäßig maskiert und mit brennenden Bengalos über den Campus | |
marschieren]. | |
Auf Pfeilern am Rande des Wegs sind Aufkleber mit der Aufschrift „FCK SCC“. | |
SCC ist die Abkürzung für den Namen von Arenas’ Pro-Spanien-Organisation. | |
„Das haben sie mir auch schon auf meine Bürotür geklebt“, klagt der | |
Professor. | |
In seinem Büro zeigt Arenas Fotos und Videos von Veranstaltungen der SCC | |
auf dem Campus: Etwa 30 teils [19][maskierte Leute] blockieren in ziemlich | |
einschüchternder Art und Weise den Zugang zu einer Veranstaltung der SCC. | |
„Die Autonome Universität Barcelona wird immer unsere bleiben“, brüllen | |
sie. Und: „Faschisten!“ | |
Einmal wurde ein Stand der SCC auf dem Campus von den sogenannten | |
Antifaschisten mit einem Feuerlöscher eingenebelt, sie rissen die | |
[20][spanische Fahne] herunter und verbrannten sie. Regelmäßig müssen die | |
SCC-Veranstaltungen auf dem Campus von Sicherheitsleuten und manchmal sogar | |
von der Polizei geschützt werden. | |
Arenas hat Laura Casado und María Domingo mitgebracht. Die beiden | |
Studentinnen arbeiten in der Unigruppe der SCC mit. „Sie haben | |
Unterschriften gesammelt, um uns aus der Uni auszuschließen“, erzählt | |
Casado. „Mich haben sie vor der Bibliothek bespuckt“, sagt Domingo. Seien | |
sie anfangs 13 Studenten gewesen, würden jetzt nur noch fünf mitmachen, | |
„wegen des Drucks“. | |
„Reaktionär“ und intolerant – so nennt Arenas manche Separatisten. | |
Die Lage an der Universität ist eine Ausnahme. Die überwiegende Mehrheit | |
der Unabhängigkeitsbefürworter ist friedlich. Aber es gibt unter ihnen | |
linke Strömungen, die sich nicht klar von den Aggressionen gegen die SCC | |
oder ähnliche Organisationen distanzieren. Was hält Anna Gabriel von den | |
Angriffen auf den Verein ihres ehemaligen Professors? | |
Bei dieser Frage verschwindet das Lächeln aus Gabriels Gesicht – und zwar | |
schlagartig. Ihr Blick wird kalt. Gut, sagt sie, die SCC verweigere dem | |
katalanischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung, das auch in der Charta | |
der Vereinten Nationen verankert ist. Sie hätten „Beziehungen zu | |
Mitgliedern von Gruppierungen mit einer faschistischen Ideologie“. Da | |
verwundere es nicht, dass Menschen, die mehr Demokratie in Katalonien | |
wollen, „reagieren“, wenn sie einen Stand der SCC und in der Nähe | |
Rechtsextreme sehen. | |
## Rechte mischen mit | |
Auf den Videos eines SCC-Auftritts sind tatsächlich in einiger Entfernung | |
mehrere [21][Glatzköpfe zu sehen]. Aber das war nur bei einer | |
Veranstaltung, gestört wurden ebenso SCC-Auftritte, bei denen keine | |
Rechtsextreme in der Nähe waren. | |
Arenas sagt auch, er habe die anwesenden Polizisten gebeten, sich zwischen | |
die SCC-Leute und die Rechtsextremen zu stellen, damit diese isoliert | |
blieben. Zudem haben sich er [22][und seine Organisation von „Nazis“ und | |
„Faschisten“ distanziert]. „Aber in dem Moment, in dem du dich gegen die | |
Sezession stellst, bist du für viele Unabhängigkeitsbefürworter automatisch | |
ein Faschist“, klagt Arenas. Schweiß perlt von seiner Stirn. Es ist heiß in | |
seinem Büro, obwohl der Ventilator vor seinem Schreibtisch läuft. Und die | |
Debatte setzt ihm zu, weil die Fronten so verhärtet sind. | |
„Wie tief der Riss in der katalanischen Gesellschaft ist, hat die Reaktion | |
auf die Attentate offengelegt“, sagt er. Die Regionalregierung habe diese | |
Tragödie missbraucht, um der Welt zu demonstrieren, dass Katalonien wie ein | |
eigener Staat funktioniert. Dabei habe die Regionalpolizei nach der | |
Explosion eines Hauses der Terroristen am Tag vor den Attentaten zu spät | |
erkannt, dass dort Anschläge vorbereitet wurden. Und sie hätten der Guardia | |
Civil nicht gestattet, dort zu ermitteln. | |
In Arenas’ Regal steht ein juristisches Fachbuch neben dem anderen. Sogar | |
der „Schönfelder“, ein roter Plastikordner mit deutschen Gesetzen. „Weil | |
wir Spanier alle eine politische Gemeinschaft bilden, haben die Bürger aus | |
Huelva, aus Madrid oder Galicien zum Beispiel das Recht, nach Katalonien zu | |
ziehen, hier zu leben, zu arbeiten und das Regionalparlament zu wählen“, | |
sagt der Jurist. | |
Im Moment würden sie automatisch wie Inländer behandelt. „Durch eine | |
Abspaltung könnten diese Bürger ihre Rechte verlieren.“ Deshalb müssten sie | |
zustimmen, dass es eine Sezession gibt. „Man darf nicht der Gesamtheit der | |
Spanier ein Recht nehmen, ohne sie zu befragen.“ | |
Auf Arenas’ Schreibtisch stapeln sich auch Standardwerke zum Völkerrecht. | |
Die braucht er für die Debatte über Katalonien. „Den Teil des | |
Selbstbestimmungsrechts der Völker, der auch das Recht auf Sezession | |
beinhaltet, gibt es in den internationalen Verträgen und UN-Resolutionen | |
nur für Kolonialvölker oder wenn die Grundrechte systematisch und | |
schwerwiegend verletzt werden“, sagt Arenas. Und die Katalanen lebten | |
schließlich in Spanien, einer Demokratie. | |
## Katalanen fühlen sich benachteiligt | |
Dennoch halten sich viele Katalanen für unterdrückt. „Wenn du vor Gericht | |
stehst und auf Katalanisch mit der Justiz kommunizieren willst, sprechen | |
weniger als 5 Prozent der Richter auf Katalanisch oder fassen die Urteile | |
darin ab“, sagt Anna Gabriel. Für viele Separatisten gibt es auch bei den | |
von Madrid gesteuerten Polizeikräften eine „kulturelle Unterdrückung“ des | |
Katalanischen. | |
„Ich lache mich kaputt, wenn ich das höre“, sagt Arenas dazu. „Meine Kin… | |
haben wie die meisten Katalanen Spanisch als Muttersprache. Dennoch hören | |
sie seit dem Kindergarten nur Katalanisch, außer in den Spanischstunden, | |
die mit sechs Jahren begonnen haben. Wo bitte sehr ist die Unterdrückung?“ | |
In der Verwaltung der Region sei Spanisch auf ein Minimum reduziert worden. | |
„Zu wollen, dass die Leute Spanisch vergessen, das finde ich pervers“, sagt | |
Arenas. | |
Anna Gabriel weist solche Pläne weit von sich. Sie verspricht eine | |
„Vorzugsbehandlung“ für das Spanische, weil es für so viele Katalanen die | |
Muttersprache ist. | |
Vorzugsbehandlung ist aber nicht Gleichberechtigung. Jedenfalls verdrängt | |
Gabriel das Spanische zuweilen eigenhändig und mit Genuss. Für sie ist die | |
Sprache auch ein Mittel, Macht zu demonstrieren. Arenas habe an der Uni | |
seine Vorlesungen immer auf Spanisch gehalten, erzählt sie. „Ich habe ihm | |
immer auf Katalanisch Fragen gestellt. Und er hat immer auf Katalanisch | |
geantwortet. Das hat mich immer gefreut, weil es mir gezeigt hat: Hier | |
befehle ich.“ | |
26 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://elpais.com/ccaa/2017/06/09/catalunya/1496992021_200661.html | |
[2] https://elpais.com/ccaa/2017/07/04/catalunya/1499166863_801846.html | |
[3] https://www.nytimes.com/2017/05/09/opinion/why-catalonia-should-stay-with-s… | |
[4] https://politica.elpais.com/politica/2017/05/21/actualidad/1495389893_10466… | |
[5] http://www.ine.es/prensa/cp_2017_p.pdf | |
[6] https://www.parlament.cat/web/composicio/diputats-fitxa/index.html?p_codi=2… | |
[7] https://www.parlament.cat/document/composicio/150360.pdf | |
[8] http://www.eldiario.es/catalunya/politica/Carles-Puigdemont-investido-Gener… | |
[9] http://cup.cat/document/programa-de-la-cup-crida-constituent-al-27s | |
[10] https://elpais.com/ccaa/2017/08/10/catalunya/1502360042_582173.html | |
[11] http://www.elperiodico.com/es/politica/20160511/anna-gabriel-cup-tener-hij… | |
[12] http://www.eldiario.es/catalunya/Catalunya-desahucios-energetica-promovida… | |
[13] http://noticias.juridicas.com/base_datos/CCAA/557694-l-24-2015-de-29-jul-c… | |
[14] http://hj.tribunalconstitucional.es/HJ/es/Resolucion/Show/25118 | |
[15] https://www.diaridetarragona.com/costa/El-nuevo-BCN-World-se-llamara-Hard-… | |
[16] https://elpais.com/ccaa/2017/07/10/catalunya/1499672261_274512.html | |
[17] https://i2.wp.com/diazvillanueva.com/wp-content/uploads/2017/05/pintadas-u… | |
[18] http://cup.cat/comptes-clars | |
[19] https://www.facebook.com/societatcc/videos/1040072312782702/ | |
[20] https://www.facebook.com/societatcc/videos/1120264578096808/ | |
[21] https://www.youtube.com/watch?v=2m5w7ECnLZI | |
[22] http://ceo.gencat.cat/ceop/AppJava/loadFile?fileId=25317&fileType=1 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Referendum | |
Katalonien | |
Unabhängigkeit | |
Spanien | |
Francisco Franco | |
Unabhängigkeit | |
Spanien | |
Katalonien | |
Spanien | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Spanien | |
Barcelona | |
Katalonien | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Was Katalonien völkerrechtlich darf: Kein Recht auf Sezession | |
Schwere Menschenrechtsverletzungen wären ein Grund für eine Unabhängigkeit | |
Kataloniens. Der kommt für die Region allerdings nicht in Frage. | |
Katalanische Unabhängigkeitsbewegung: Katalonien ist überall | |
An vielen Orten Spaniens gab es am Wochenende Solidaritätsbekundungen mit | |
der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. | |
Großdemonstration in Barcelona: Massenhaft gegen Madrid | |
Am Montag gibt es in Barcelona eine Großkundgebung zur Unterstützung des | |
Unabhängigkeitsreferendums. Das will Spaniens Regierung verhindern. | |
Kataloniens Unabhängigkeitsreferendum: Der Countdown läuft | |
Das Verfassungsgericht erklärt das Referendumsgesetz für ungültig. Die | |
Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens lassen sich davon aber nicht | |
abhalten. | |
Kommentar Kataloniens Unabhängigkeit: Dieses Projekt gefährdet die EU | |
Das katalanische Parlament will am 1. Oktober wieder über die | |
Unabhängigkeit abstimmen lassen. Ein Erfolg könnte andere | |
Sezessionskonflikte aufleben lassen. | |
Islamismus-Experte über Terror: „Muslime und Nichtmuslime sterben“ | |
Selbstmordattentäter verachten nicht die westliche Gesellschaft, sondern | |
die Gesellschaft an sich, sagt Olivier Roy. Prävention nutze da wenig. | |
Kommentar Kataloniens Unabhängigkeit: Letzter Ausweg Referendum | |
Der Schock nach den Attentaten hätte den Weg für eine Dialoglösung | |
freimachen können. Aber Madrid bleibt stur – Barcelona umso entschlossener. | |
Muslime nach dem Anschlag in Barcelona: Umarmungen für den Frieden | |
Am Sonntagabend demonstrierten hunderte Muslime gegen Gewalt und Terror – | |
einem spanischen Rechtsextremen geht das nicht weit genug. | |
Nach den Anschlägen in Katalonien: Keine Pfiffe gegen Felipe | |
Viele Katalanen wünschen sich die Unabhängigkeit von Spanien. Haben die | |
Anschläge einen Einfluss auf das Referendum? | |
Nach dem Terror in Barcelona: „No tinc por“ – Wir haben keine Angst | |
Nach der Anschlagsserie herrscht in der Metropole Anspannung – und | |
Solidarität: 30.000 versammeln sich zu einer Schweigeminute für die Opfer. |