Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Blade Runner 2049“ im Kino: Auffallend wenig Verkehr in der Lu…
> „Blade Runner 2049“ spielt 30 Jahre nach dem Original. Die Welt ist immer
> noch trübe, leuchtet aber manchmal in den herrlichsten Farben.
Bild: Spritztour: Ryan Gosling und Ana de Armas fliegen Peugeot
Wer sind die Roboter? Die Frage muss sich ein jeder Blade Runner stellen,
jene Sorte Polizisten, die speziell ausgebildet wurden, um „Replikanten“ zu
identifizieren und „aus dem Verkehr zu ziehen“. Bei Replikanten keine ganz
leichte Sache, stecken sie doch in Körpern, die von menschlichen fast nicht
zu unterscheiden sind, Sterblichkeit inbegriffen. Und da den Robotern der
Aufenthalt auf der Erde bei Todesstrafe verboten ist, muss man in der Regel
gar nicht mit ihrer Anwesenheit rechnen.
Harrison Ford machte diesen Polizistentypus in Ridley Scotts
Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“ von 1982 dank markanter
Figurenzeichnung weltberühmt. Ridley Scott schuf, inspiriert unter anderem
vom französischen Comic-Zeichner Moebius, mit seinem futuristisch
heruntergewirtschafteten Los Angeles des Jahres 2019 eine Blaupause für
zahlreiche Science-Fiction-Architekturen, liebevoll komponiert aus
glanzlos-metallischen Fassaden, viel Schmuddel und penetrant animierter
flächendeckender Reklame.
Dass jemand sich diesen Film, nach einer Vorlage des Autors Philip K. Dick,
noch einmal vornehmen würde, war zwar nicht zwingend, aber gewiss
verlockend. Der Kanadier Denis Villeneuve hat in diesem Fall das Rennen
gemacht und knüpft mit „Blade Runner 2049“ an das Original an, bloß 30
Jahre später. Im vergangenen Jahr erst hatte sich Villeneuve mit seinem
Alien-Linguistik-Drama „Arrival“ als innovationsfreudiger
Science-Fiction-Auteur empfohlen, Ridley Scott ist seinerseits als
ausführender Produzent beteiligt.
Der Zeitpunkt des Plots ist keinesfalls willkürlich gewählt, einmal davon
abgesehen, dass 2019 nicht mehr in allzu ferner Zukunft liegt. Wenn man
aber genauer erklären würde, warum gerade 2049, machte man sich in hohem
Maße des Handlungsverrats schuldig. Wovon der Regisseur höchstselbst in
einer Botschaft an die Presse abgeraten hat.
## Harrison Ford ist auch dabei
Ist ja auch sinnvoller so. Stattdessen kann man sich auf die Dinge
konzentrieren, die geblieben sind, oder solche, die Villeneuve anders
gelöst hat. Davon gibt es denn auch das eine oder andere bei ihm zu
entdecken.
Geblieben ist die graue Stadt Los Angeles, eine Hochhauswüste, in der die
kräftigsten Farbtupfer von der Werbung gesetzt werden. Computerspots, die
an den Wänden wie auf Bildschirmen laufen – längst gängige Großstadtpraxis
–, aber auch höchst bewegliche Hologramme begegnen den Passanten hier,
sprechen die potentiellen Konsumenten gern persönlich an. Die Straßen sind
am Boden nach drei Dekaden immer noch schmutzig und wenig gepflegt, in der
Luft bewegt sich dafür auffallend wenig Individualverkehr. Vielleicht haben
sich ja die CO2-Gegner erfolgreich durchgesetzt.
Selbstverständlich gibt es auch in dieser Geschichte wieder Replikanten und
einen neuen Blade Runner, diesmal gegeben von Ryan Gosling. Der hat es
zugegebenermaßen schwer, sich mit seinem juvenilen Pokerblick gegen das
Vorbild Harrison Ford durchzusetzen. Was in einer direkten Konfrontation
der beiden im Film besonders deutlich wird – man gibt nicht zu viel preis,
wenn man das erwähnt, schließlich zeigt der Trailer des Films einige Szenen
des Treffens.
## Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine
Gosling passt in seiner apathischen Jungshaftigkeit andererseits ganz gut
zur der Rolle, wie sie bei Villeneuve gedacht ist. Robotergleich versieht
sein „Officer K“ seinen Dienst, ohne eine Miene zu verziehen. Gleich zu
Beginn ist er im Einsatz zu erleben, fliegt in seinem mattgrauen
Peugeot-Fluggefährt irgendwo weit draußen aufs Land, in eine
staubig-neblige Gegend. Der Replikant, den er dort fachmännisch beseitigt,
sagt kurz vor seinem Tod noch etwas von einem Wunder. Wenig später wird man
erfahren, was damit gemeint ist, und Officer K hat einen höchst brisanten
Fall zu erledigen.
Wie schon im ersten „Blade Runner“ geht es auch diesmal um das Verschwimmen
der Grenzen zwischen Mensch und Maschine und die Komplikationen, die sich
daraus ergeben. Wobei der Twist anno 2049 notgedrungen anders gelagert ist.
Die ethischen Fragen, die sich daraus ergeben könnten, bewegen sich
allerdings eindeutig im Bereich des Hypothetischen. Ein bisschen wie damals
1982.
Was Villeneuve hingegen sehr eigenständig nutzt, ist das Angebot, seine
Szenerien, wo es sich anbietet, nach eigenen Vorstellungen zu bebildern. Er
versteht die Vorlage buchstäblich als Aufforderung, zu malen, wählt
grandiose monochrome Flächen. Besonders schön eine außerdienstliche Fahrt
von Officer K durch eine orangefarbene Wüstenlandschaft, vorbei an
riesenhaften Statuenresten. Oder eine Ermittlungsrunde in die Außenbezirke
von L. A., in der es nur noch Rost zu geben scheint, eine ausgedehnte Ödnis
aus Gebäudegerippen und Schrottbergen, alles in wunderbar stumpfem Braun
gehalten. In diesen Momenten verzeiht man dem Film alle
Pflichtübungsmomente, die so ein Sequel ansonsten im Zweifel mit sich
bringt.
## Alte Bekannte zu Gast
Das Grundproblem des Films, dass man einen ikonischen Klassiker nicht so
ohne Weiteres fortsetzen kann, ohne den Zauber des Vorbilds auf Klischees
zu reduzieren, kriegt Villeneuve am Ende jedoch nur zum Teil in den Griff.
Optisch macht er alles richtig, mischt Notwendiges geschickt mit
Erfindergeist. Auch wie er Details wie die Errungenschaften der
Hologrammtechnik in immer neuen Anläufen kommentiert, dabei mal einen
Verweis auf die gute alte Doppelbelichtung einbaut, mal die
Störanfälligkeit älterer Technologien virtuos zur Dramaturgie einer
Verfolgungsszene einsetzt, lohnt sich allemal. Bei der Handlung sieht es
dann schon schwieriger aus. Dass deren Konstruktion große Geheimhaltung
erfordert, um die Luft nicht vorab rauszulassen, ist nicht ausschließlich
ein Vorteil.
Im Lauf des Films tauchen übrigens neben Harrison Ford noch weitere alte
Bekannte auf, da darf man dann aber wirklich nicht genauer werden.
Interessant und frei vom Risiko der Spoilergefahr sind dafür einige neue
Figuren. In einer wichtigen, leicht entrückten Nebenrolle gibt es sogar die
Schweizer Schauspielerin Carla Juri zu sehen, die man vor einigen Jahren
als Hauptdarstellerin in der Verfilmung von Charlotte Roches
„Feuchtgebiete“ sehen konnte oder vor zwei Jahren im Biopic „Paula“ als
Paula Modersohn-Becker. Desgleichen geglückt sind Robin Wright als toughe
Vorgesetzte von Officer K und Ana de Armas als dessen
projektionsflächengleich puppenhafte Freundin Joi.
Nicht so richtig konsequent dafür die Lösung, die sich Hans Zimmer und
Benjamin Wallfisch für ihre Filmmusik überlegt haben. Die segelnden
Synthesizer, mit denen Vangelis dem Original eine ihrerseits Schule
machende Signatur verpasst hatte, wird bei Gelegenheit zitiert, ansonsten
dominieren aggressiv schabende Bassklänge oder schrille musikalische
Drohgebärden. Da hätte man auf die Verneigung in Richtung Vergangenheit
gleich komplett verzichten können. Die wird man halt einfach nicht los.
4 Oct 2017
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Kino
Ryan Gosling
Science-Fiction
Film
TV-Krimi
Comiczeichner
Filmmusik
Saudi-Arabien
Rezension
Krimi
Kinofilm
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sci-Fi-Film „Mars Express“: Anime-Noir im Weltall
In „Mars Express“ haben Menschen Hologramme als Köpfe. Der Film zwischen
Noir und Sci-Fi hält mit den besten Anime mit. Nun erscheint er auf DVD.
Der Wochenendkrimi: Mörder jagen im Regen
In „Jennifer8“ findet die Mörderjagd im Feuchten und Dunkeln statt. Der
Krimi wurde in den 90ern produziert, steht aber für eine aktuelle
Sehnsucht.
Ausstellung zu Comiczeichner Mœbius: Wüste, Western, Weltall
Das Max Ernst Museum in Brühl widmet Comiczeichner Mœbius eine große Schau.
Sie versammelt gut 450 Arbeiten aus allen Schaffensperioden.
Dokumentation „Score“ über Filmmusik: Musik ist was anderes als Schokolade
Die Doku „Score“ ist eine narzisstische Werkschau einiger KünstlerInnen.
Gern würde man mehr über die Geschichte der Filmmusik wissen.
Künstliche Intelligenz in Saudi-Arabien: Roboterin mit Pass
Saudi-Arabien hat dem humanoiden Roboter „Sophia“ die Staatsbürgerschaft
verliehen. Im Internet sorgt das für Häme.
Roman „Die Außerirdischen“: Der kosmische Frieden und sein Preis
Doron Rabinovici zeigt, dass der Mensch gar keine Aliens braucht, um sich
selbst ein Wolf zu sein: eine böse und unterhaltsame Gesellschaftssatire.
Verfilmung von Jo Nesbøs „Schneemann“: Kühlen Kopf bewahren
Im Thriller „Schneemann“ kämpft sich Kommissar Harry Hole bei klirrender
Kälte mühsam in seinen Job zurück – gegen einen sehr ungemütlichen Killer.
Sci-Fi-Film mit Scarlett Johansson: Eine neue Stufe der Evolution
„Ghost in the Shell“ ist das Remake eines Anime-Klassikers. Scarlett
Johansson spielt einen Cyborg in einer perfekten Doppelgängerwelt.
Science-Fiction auf der Berlinale: Die Zukunft war schon immer verrückt
Sternenenergie macht böse, das wusste schon 1920 ein deutscher
Science-Fiction-Film. Ein Rückblick findet Größenwahnsinniges neben
Grandiosem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.