# taz.de -- Massenhafte Mieterhöhungen in Berlin: Ein Geschenk für die Vermie… | |
> Viele Eigentümer erhöhen derzeit die Mieten, gestützt auf den im Mai | |
> veröffentlichten Mietspiegel – meist allerdings zu Unrecht, kritisiert | |
> der Mieterverein. | |
Bild: Gibt es eigentlich kaum noch auf dem freien Markt in Berlin: Mietwohnungen | |
Es hat nicht lange gedauert, bis nach der Veröffentlichung des Mietspiegels | |
im Mai massenhaft Berliner Haushalten Mieterhöhungen zugeschickt wurden. | |
Diese gefühlte Wahrheit ist nun erstmals mit Zahlen und Fakten hinterlegt: | |
Mehr als 200 dieser Mieterhöhungsverlangen wurden vom Berliner Mieterverein | |
ausgewertet. Geschäftsführer Reiner Wild sagte bei der Vorstellung der | |
Ergebnisse am Dienstag: „Die Zahl der Mieterhöhungen ist so gravierend, | |
dass wir die Anzahl an Beratungsterminen massiv erhöhen mussten.“ | |
Im Schnitt sollen die Mieten um etwa 56 Euro pro Monat angehoben werden, | |
also insgesamt um 670 Euro jährlich. Wild spricht von einem „massiven | |
Schluck aus der Pulle“, den sich die Vermieter gönnten. Für die Betroffenen | |
lasse sich dieser durch Lohnerhöhungen nicht wieder reinholen. Bei | |
Haushalten mit niedrigen Einkommen „klopft das Armutsrisiko an die Tür“, so | |
Wild; insgesamt würden „Mieterhöhungen immer mehr zu einem Problem bis in | |
die Mittelschicht dieser Stadt“. | |
Die untersuchten bisherigen Mieten lagen bei durchschnittlich 6,46 Euro pro | |
Quadratmeter – der Wert entspricht fast genau dem Mittelwert des | |
Mietspiegels. Gefordert werden nun jedoch 7,18 Euro. Ein Viertel der | |
Erhöhungen übersteigt 0,90 Euro je Quadratmeter – Wild spricht von | |
Dimensionen wie nach Modernisierungen, nur dass dafür keine | |
Modernisierungen stattfinden. Stattdessen berufen sich die Vermieter auf | |
die Grenzwerte des Mietspiegels, die 2017 im Vergleich zu 2015 eklatant | |
gestiegen waren – in der Spitze um 17,4 Prozent. | |
Dabei erfolge die Mehrheit der Mieterhöhungen zu Unrecht. Die geforderten | |
Miethöhen liegen in 64 Prozent der untersuchten Fälle über der ortsüblichen | |
Vergleichsmiete. Über diese hinauszugehen, ist rechtlich unzulässig, ebenso | |
wie es nicht gestattet ist, die Miete um mehr als 15 Prozent innerhalb von | |
drei Jahren zu erhöhen. Auch dagegen stellte der Mieterverein Verstöße | |
fest. Insgesamt hätten 72 Prozent der Vermieter die gesetzlichen Vorgaben | |
missachtet. | |
Üblich sei es, dass die Vermieter sich zwar an der 15-Prozent-Grenze | |
orientieren und damit den Eindruck einer zulässigen Erhöhung vermitteln, | |
jedoch die Vergleichsmiete falsch berechnen oder ignorieren. Weil die | |
Vermieter nicht begründen müssen, wieso sie den im Mietspiegel | |
ausgewiesenen Mittelwert, der je nach Wohnlage und Baujahr ausgewiesen | |
wird, überschreiten, hängt es an den Mietern, die Wohnwertmerkmale zu | |
überprüfen und einer Mieterhöhung im Zweifel nicht zuzustimmen. | |
Die Praxis überzogener Mieterhöhungen ist ein Problem der privaten | |
Vermieter. Den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ist seit diesem Jahr | |
nur noch eine jährliche Mieterhöhung von zwei Prozent gestattet – daran | |
scheinen sie sich zu halten. Der Berliner Mieterverein fordert als | |
Konsequenz seiner Studie, diese Begrenzung bundesweit für alle Vermieter | |
einzuführen. | |
## Keine Kritik am Mietspiegel | |
Es ist nicht der Mietspiegel als solcher, den Wild für das Problem hält, | |
sondern ein Mietrecht, das zu viel Erhöhungsspielraum gewähre. Auch die | |
praktisch untaugliche Mietpreisbremse – die einzige relevante | |
mietenpolitische Maßnahme der Großen Koalition in den vergangenen vier | |
Jahren – trage Schuld an der Aufwärtsspirale. | |
Der Mietspiegel sei dagegen „ein gutes Instrument, das vor allem von der | |
Vermieterseite angegriffen wird“, so Wild. Die hohe Zahl von | |
Überschreitungen der ortsüblichen Vergleichsmiete zeige aber, dass er seine | |
„befriedende Funktion eingebüßt“ habe. | |
19 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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