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# taz.de -- Rüstungsdeals mit der Türkei: Waffenexporte, mehr oder weniger
> Außenminister Gabriel verzögert Rüstungsexporte in die Türkei. Die
> richtig großen Geschäfte macht die Türkei aber eh mit Russland.
Bild: Das russische Luftabwehrsystem S-400: Bald auch für die Türkei im Einsa…
Berlin taz | Zwei Wochen vor der Wahl streitet die Große Koalition über
Waffen für die Türkei. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) überraschte am
Montagabend mit der Behauptung, die Bundesregierung genehmige inzwischen
kaum mehr Rüstungsexporte in die Türkei. Auf einer Veranstaltung des
Handelsblatts sagte er wörtlich: „Die großen Anträge, die die Türkei
derzeit an uns stellt, haben wir alle on hold gestellt.“ Alles andere sei
„nicht zu verantworten“.
Ausnahmen gebe es nur für Dual-Use-Güter wie Lkws, die zivil und
militärisch genutzt werden können, sowie für „ein paar Dinge, wo wir an
internationale Verträge gebunden sind“. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es,
Verpflichtungen gebe es „zum Beispiel bei Gütern, die im Rahmen von
Rüstungskooperationen zwischen Deutschland und Partnerländern, in der Regel
EU-Mitgliedstaaten und Nato-Ländern, gefertigt werden“.
Widerspruch erhielt Gabriel am Dienstag aus der Union. Der
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die
Solidarität innerhalb der Nato gebiete es, „dass wir Wünsche der Türkei
nach Rüstungslieferungen grundsätzlich wohlwollend prüfen und umsetzen“.
Wie restriktiv die Linie der Regierung tatsächlich ist, lässt sich schwer
sagen. Entscheidungen über Ausfuhrgenehmigungen fällen die zuständigen
Minister im Bundessicherheitsrat, der geheim tagt. Über die Beratungen des
Gremiums informiert die Regierung nur abstrakt und zeitverzögert.
## Nicht nur unbewaffnete LKW
Anfang August hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass sie
[1][bestehende Genehmigungen für Türkeigeschäfte nicht pauschal widerruft].
Auch Gabriel bezieht sich jetzt nur auf Anträge, „die die Türkei derzeit an
uns stellt“, die also neu reinkommen. Diese lehnt die Regierung ihm zufolge
auch nicht ab. „On hold“ heißt nur so viel wie Warteschleife – die Antr�…
bleiben also erst mal liegen.
Sicher ist immerhin, dass das Volumen der genehmigten Anträge in diesem
Jahr gesunken ist. Von Januar bis April 2016 genehmigte die Regierung noch
Ausfuhren im Gesamtwert von über 62 Millionen Euro, im gleichen Zeitraum
diesen Jahres nur noch ein Drittel davon. Darunter befanden sich allerdings
keineswegs nur unbewaffnete Lkws.
Im August fragte der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu die Regierung nach den
Genehmigungen im laufenden Jahr. Laut der Antwort aus dem
Wirtschaftsministerium beschied die Bundesregierung seit dem 1. Januar
positiv: einen Ausfuhrantrag für Munition, neun für Handfeuerwaffen, zwei
im Bereich Bomben, Torpedos und Flugkörper, elf für Feuerleitanlagen, drei
für militärische Ketten- und Radfahrzeuge, zwei im Bereich ABC-Schutzanzüge
und Reizstoffe, einen für Explosiv- und Brennstoffe, 26 für
Marinespezialausrüstung, zwölf für Militärflugzeuge oder deren Technik, 18
für militärische Elektronik, einen für ballistische Schutzausrüstung, zwei
für Infrarottechnik, vier für Geräte zur Rüstungsherstellung, fünf für
militärische Software und fünf für sonstiges Zubehör.
## Türkei kauft in Russland ein
Die richtig großen Waffendeals schließt die Türkei inzwischen aber nicht
mehr mit den Nato-Partnern ab: Am Dienstag bestätigten die türkische und
die russische Regierung, dass ein 3,5 Milliarden Dollar schweres
Rüstungsgeschäft unter Dach und Fach ist. Nach langen Verhandlungen
einigten sich beide Seiten darauf, dass die Türkei das russische
Raketenabwehrsystem S-400 einführt. Eine Anzahlung sei bereits erfolgt.
Obwohl es noch keine öffentliche Kritik daran aus Nato-Kreisen gibt, hat
Erdoğan seine Entscheidung für das russische System schon einmal präventiv
verteidigt. Niemand habe das Recht, „die souveränen Entscheidungen der
Türkei, die diese für ihre Sicherheit trifft, zu kritisieren“, sagte er.
Bereits im Vorfeld laut gewordene Kritik aus der Nato, die sich vor allem
darauf bezieht, dass möglichst alle Mitglieder miteinander kompatible
Waffensysteme haben sollten, kontern türkische Leitartikler damit, dass ja
Griechenland auch russische Raketensysteme gekauft habe.
Tatsächlich besitzt die griechische Armee unter anderem das russische
Luftabwehrsystem S-300. Allerdings ist das im Vergleich zu den modernen
S-400 ein relativ einfaches Waffensystem. Mit dem Kauf der
S-400-Raketenabwehr begibt sich die Türkei dagegen tatsächlich auf einen
Pfad, der sie weiter von der Nato wegführen kann.
## Russlands Risiko
Mit den Raketen kämen auch russische Ausbilder ins Land und die türkische
Armee wäre langfristig auf Nachschub aus Russland angewiesen. Angesichts
der sowieso schon vorhandenen Spannungen zwischen der Türkei und einzelnen
Nato-Staaten wird der Kauf, wenn er denn umgesetzt wird, den Riss zwischen
der Türkei und der Nato weiter vertiefen.
Experten bezweifeln, dass Russland tatsächlich eines seiner modernsten
Waffensysteme an ein Nato-Land liefern wird. Was würde passieren, so fragt
man in Thinktanks in den USA, wenn Erdoğan aus irgendeinem Grund abtritt
und ein anderer, dem Westen stärker zugeneigter Präsident an die Regierung
kommt? Nato-Experten könnten dann das russische System nach Belieben
auseinandernehmen und studieren. Wird Russland dieses Risiko eingehen?
12 Sep 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Tobias Schulze
Jürgen Gottschlich
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Türkei
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