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# taz.de -- Diskriminierender Zugang: Deutschsprachige zuerst
> Der Bremen-Pass benachteiligt viele Kinder. Denn den Antrag dafür und
> aktuelles Info-Material zum Pass gibt es nur auf Deutsch
Bild: Kinder ohne Bremenpass und Ticket im Schulbus? Da kommt die Polizei
BREMEN taz | Was ist in Bremen wichtiger: korrekte Müllentsorgung oder
günstiger öffentlicher Nahverkehr für Schulkinder aus ärmeren Familien?
Richtig geraten: Es ist natürlich die Müllentsorgung. Den Flyer „Ab in die
Tonne – Müllentsorgung korrekt“ der Bremerhavener Entsorgungsbetriebe gibt
es in Übersetzungen auf elf Sprachen. Eine Broschüre über den Bremen-Pass,
der immerhin Bildung und Teilhabe für Hartz-IV-BezieherInnen und
AsylbewerberInnen beinhalten soll, gibt es nur auf Deutsch, Englisch und
Französisch, wie der Senat im Mai auf [1][Nachfrage der Linken] mitteilte.
„Die Idee des Bremen-Pass ist der diskriminierungsfreie Zugang“, sagt David
Lukaßen, Sprecher der Sozialbehörde. Klassenfahrt und Schulessen sind mit
dem Pass billiger, außerdem kann der Gang ins Theater oder eine
Mitgliedschaft im Sportverein mit zehn Euro monatlich bezuschusst werden.
## Kompliziertes Amtsdeutsch
Der Antrag dafür ist in kompliziertem Amtsdeutsch. Das in der Senatsantwort
beschriebene Informationsmaterial ist auf der Website der Stadt nicht zu
finden. Und das bereitet dort Probleme, wo viele Menschen den Bremen-Pass
benötigen: In Schulsekretariaten in Bremen-Nord etwa oder in Sportvereinen
in Osterholz-Tenever.
Dort herrscht regelmäßig Chaos: Eltern, die schlecht oder kein Deutsch
verstehen, wissen nicht genau, was und wofür der Bremen-Pass ist,
geschweige denn, wie man ihn beantragt. Sie stehen Schlange in den
Schulsekretariaten oder bei Vereinen. Mit zahlreichen Fragen löchern sie
die SekretärInnen, die mit dem Andrang überfordert sind und nicht genügend
Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben.
Monika Fuchs*, Schulsekretärin einer Grundschule in Bremen-Nord, sagt
gegenüber der taz: „Im vergangenen Jahr wurden Kinder, denen eigentlich
Fahrkarten über den Bremen-Pass zustehen, im Bus ohne gültige Fahrkarte
erwischt.“ Die Kontrolleure hätten die Polizei gerufen: „Die Kinder ohne
Bremen-Pass wurden von der Polizei in die Schule gebracht. Das ist total
furchtbar für die Kinder.“
## Mit voller Härte
Andere Grundschüler hätten von Kontrolleuren Strafgeld von 40 Euro
aufgebrummt bekommen – alles nur, weil die Eltern mangels Informationen den
Bremen-Pass nicht rechtzeitig beantragt hatten.
Es fehle Informationsmaterial in den Sprachen Englisch, Französisch,
Spanisch, Türkisch, Farsi, Dari, Arabisch, Kurdisch, Polnisch und Russisch,
sagt Fuchs. Sie habe nur Flyer auf Deutsch: „Ich verschwende sehr viel Zeit
damit, zu erklären, wie der Bremen-Pass funktioniert und was er bedeutet.“
Oftmals verstünden es die Eltern aufgrund der Sprachbarriere trotzdem
nicht. „Seit dem Frühjahr 2016 habe ich sowohl bei der Bildungsbehörde als
auch bei Soziales mehrfach per Mail die Problemlage geschildert und um die
Übersetzung des deutschsprachigen Flyers gebeten.“
## Der Vorgang liegt beimStaatrat auf dem Tisch
Die Bildungsbehörde habe die Probleme an die Sozialbehörde weitergeleitet,
aber „Soziales mauert“, sagt Fuchs. Auf ihre Nachfrage hieß es, dass der
Vorgang auf dem Tisch von Sozialstaatsrat Fries läge und später dann, dass
der Flyer „im Moment nicht neu aufgelegt wird“. Immer noch bilden sich
Schlangen vor ihrem Büro. Fuchs sagt: „Mir tut das alles leid.“
Bei Sportvereinen bietet sich ein ähnliches Bild: Stephanie Brunzel ist die
Geschäftsführerin des TSV Osterholz-Tenever, dort haben 400
Vereinsmitglieder den Bremen-Pass. Es könnten mehr sein. Auch hier stehen
Kinder und Eltern Schlange, um den Bremen-Pass zu beantragen, obwohl sie
den eigentlich im Jobcenter beantragen müssten – Info-Material über den
Pass haben sie nicht.
Brunzel sagt: „Unsere Kollegin hat eine Engelsgeduld, irgendwie bekommt sie
es erklärt – mit Händen und Füßen.“ Sechs Stunden wöchentlich gingen n…
für diese „Beratungen“ drauf. Einige Kinder ohne Bremen-Pass mussten sie
wieder wegschicken.
## Die Vereine baden's aus
„Wir haben den Anspruch, die Kinder von der Straße zu bekommen. Wir finden
irgendwie Lösungen, manchmal übernimmt der Verein einfach die
Mitgliedsbeiträge, aber das geht nicht immer“, sagt Brunzel.
Im Jobcenter kennt man das Problem, ist jedoch nicht zuständig.
Jobcenter-Sprecherin Katrin Demedts sagt: „Der Bremen-Pass wird von der
Stadtgemeinde umgesetzt. Die Antragsvordrucke sind von der Stadt. Wir
halten den Antrag aber auch für zu kompliziert.“
Derzeit werde daran gearbeitet, dass der Antrag, „vereinfacht und
bürgerfreundlicher“ werde. „In den nächsten Wochen“ soll zumindest der
Antrag überholt werden. Einen Flyer auf verschiedenen Sprachen sei derzeit
jedoch nicht in Bearbeitung. „Es gibt verschiedensprachiges
Informationsmaterial. Dort heißt der Bremen Pass aber noch ‚blaue Karte‘�…
sagt Lukaßen. Ansonsten habe sich nichts geändert, das alte Info-Material
sei eigentlich noch gültig.
Er räumt allerdings ein: „Wir müssen gucken, dass wir das Material da
haben, wo es gebraucht wird.“ Und wenn jemand Hilfe brauche, gebe es zudem
die Möglichkeit , sich im Amt für soziale Dienste bei Beantragung und dem
Ausfüllen Hilfe zu holen.
Neues Informationsmaterial sei auch eine Frage der Kapazität, aber man
nehme die Anfrage „jetzt noch mal als Anlass, um zu gucken, welches
Material wir haben und ob und wie das überarbeitet werden muss“, sagt
Lukaßen. Die erste Beschwerde-Mail von Monika Fuchs ist jetzt eineinhalb
Jahre her.
*Name geändert
25 Aug 2017
## LINKS
[1] http://senatspressestelle.bremen.de/sixcms/media.php/13/20170725_KA_Amtsspr…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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