# taz.de -- Kommentar Individualtourismus: Ich, der Tourist, bin schuld! | |
> Massenandrang, zerstörte Landschaften, horrende Mieten: Tourismus hat | |
> einen hohen Preis. Rigide staatliche Regeln müssen her. | |
Bild: Individueller Spaß wird letztlich von der Allgemeinheit bezahlt | |
In Barcelona stinkt die Altstadt am Morgen nur noch nach Pisse. Auf | |
Mallorca und Sylt sind die Mieten so exorbitant gestiegen, dass selbst die | |
Angestellten der Reisebranche sich keine Wohnung mehr leisten können. In | |
Berlin geben Betreiber alteingesessener Bars und Clubs auf, weil keiner aus | |
der Nachbarschaft mehr kommt, sondern nur noch die Massen aus dem globalen | |
Dorf. Ein paar Meter weiter brummt dafür ein Hofbräuhaus – am | |
Alexanderplatz. Und wer ist schuld an den Auswüchsen der Touristifizierung? | |
Ich! | |
Ja, ich bin schuld. Ich und all die anderen Individualreisenden, die sich | |
gern über die rollkofferklappernden Touristenmassen vor der Haustür | |
echauffieren – und die am nächsten Morgen mit dem Rollkoffer zum Flughafen | |
tapern, um dann abseits der ausgelatschten Touristenpfade das authentische | |
Leben zu suchen. Die Begegnung mit dem Echten. Den Austausch der Kulturen. | |
Daran ist erst mal nichts auszusetzen. Das Problem ist nur: Wir sind zu | |
viele. Immer öfter stellt man, angekommen am Ende der Welt, fest, dass man | |
zu spät kommt. Fünf Jahre mindestens. Denn all die anderen sind auch schon | |
da. Man steht sich, ganz individuell, auf den Füßen, vom authentischen | |
Leben ist nichts mehr da. Denn auf die Bedürfnisse der individualreisenden | |
Massen haben sich die Anbieter längst eingestellt. Kann man es ihnen | |
verübeln? | |
Kann man dem kleinen lokalen Reiseführer im peruanischen Regenwald | |
vorwerfen, von nichts anderem zu träumen als von einem Eintrag im „Lonely | |
Planet“? Kann man den Studierenden im hippen Neukölln verdammen, der ein | |
WG-Zimmer per Airbnb an Touris vergibt, anfangs weil es eine coole Kombi | |
aus internationaler Begegnung und Zusatzeinkommen verheißt, später weil er | |
gar nicht anders mehr kann, um die horrend steigenden Mieten zu zahlen? | |
Nein. Individuell kann man bei Anbietern wie Reisenden nur an die Vernunft | |
appellieren. Klar kann ich zu Hause bleiben. Aber will ich das? | |
Helfen würden nur klare staatliche Regulierungen: eine Flugbenzinsteuer, | |
die die tatsächlichen Kosten des Reisens einpreist. Radikaler Mieterschutz, | |
der ein Leben und Überleben vor Ort garantiert. Und eine Obergrenze für uns | |
Teilzeitmigranten, die vor dem Alltag flüchten. Horst Seehofer, übernehmen | |
Sie! | |
16 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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