# taz.de -- Touristenandrang auf den Lofoten: Einige zelten auf dem Friedhof | |
> Norwegen wirbt um Besucher für die Lofoten-Inseln. Mit Erfolg: Inzwischen | |
> kommen so viele Touristen, dass die Behörden von Trips abraten. | |
Bild: Schöner Ausblick auf den Reinefjord | |
Mit dem Versprechen, hier „unberührte Natur und entlegene Fischerdörfchen“ | |
zu finden, lockt der norwegische Staat über seinen | |
Tourismus-Vermarktungskanal Visitnorway deutsche TouristInnen zu den | |
nordnorwegischen Lofoten. Man preist sie als „Norwegens ungezähmte Inseln“ | |
an. Wenn es nach Bente Bratland Holm, der Tourismusdirektorin der | |
staatlichen Regionalentwicklungs- und Innovationsbehörde, ginge, sollten | |
UrlauberInnen dieses Reiseziel derzeit aber besser meiden: „Ich kann | |
Touristen nicht empfehlen, im Sommer die Lofoten zu besuchen.“ | |
Die „schlicht und ergreifend atemberaubende Schönheit“, von der auch der | |
Lonely-Planet-Reiseführer schwärmt, hat zu einem in den vergangenen Jahren | |
stetig wachsenden Touristenboom geführt. Und das hat Folgen. Vor | |
„isländischen Zuständen“ warnt Bratland Holm. In den lokalen Medien macht | |
sich der Frust der InselbewohnerInnen über Besucher Luft, die überall ihre | |
Notdurft verrichten oder auf dem Friedhof zelten. | |
Auch Elisabeth Dreyer vom Tourismusverband Destination Lofoten meint, | |
vielerorts sei die „Schmerzgrenze“ erreicht. Fahrradtouristen rät sie, nur | |
nachts zu fahren, wo weniger Verkehr herrscht und es trotzdem hell ist. Am | |
besten solle man die Inseln ohnehin außerhalb der Hochsaison erradeln, also | |
im Mai oder September. | |
Zwischen Juni und August flutet eine Welle von Wohnmobilen und | |
Campinggespannen die für diesen Verkehr meist nicht ausgelegten Straßen. Es | |
fehlt an Park- und Rastmöglichkeiten oder Serviceeinrichtungen wie | |
Toiletten. Die 24.000 BewohnerInnen der Lofoten haben es dann plötzlich mit | |
rund einer Million TouristInnen zu tun. Das sind schon „gewaltige | |
Veränderungen“, meint Dreyer: Müsse man den Rest des Jahres vielleicht | |
nicht mal nach rechts schauen, bevor man in eine Straße einbiegt, „hat man | |
da plötzlich halb Europa vor sich“. Besonders schwerwiegend aber sei: „Die | |
Natur hält den Druck von über einer Million Touristen in den Sommermonaten | |
nicht aus.“ | |
„Es ist voll“ sagt Fredrik Sørdal, Bürgermeister von Flakstad: „Wir kö… | |
nicht noch mehr verkraften.“ Wiederholt seien auf zugeparkten engen Straßen | |
Ambulanzen stecken geblieben: „Das Touristenchaos wird zum | |
Sicherheitsproblem.“ Vor allem habe seine 1.400-Einwohner-Gemeinde nicht | |
die Möglichkeit, auch nur grundlegende Infrastruktur, wie die Lösung des | |
Abfall- und Toilettenproblems, zu finanzieren. Weshalb er die Einführung | |
einer Tourismussteuer fordert. Sei diese ausreichend hoch, könne man auch | |
für bessere Rastmöglichkeiten und für sicherere Wanderwege sorgen. | |
Vier Menschen starben binnen fünf Jahren allein beim Versuch, den aufgrund | |
seiner Aussicht populären Reinebringen zu besteigen. Die | |
1.000-Einwohner-Gemeinde, in der dieser Berg liegt, hatte nicht die Mittel, | |
einen Aufstieg zu finanzieren, der dem Touristenansturm gewachsen war. | |
Warnschilder und Absperrungen wurden ignoriert. Das Fernsehen warnte vor | |
„Norwegens gefährlichstem Touristenziel“. | |
Doch die Regierung in Oslo lehnt eine Touristensteuer ab. Norwegen sei | |
bereits eines von Europas teuersten Reiseländern, um Zuschüsse für | |
belastete Kommunen müsse sich die Tourismusbranche selbst kümmern. Deren | |
Branchenverband, NHO Reiseliv, weist das zurück: Infrastruktur sei eine | |
öffentliche Aufgabe. Elisabeth Dreyer – auch sie befürwortet eine | |
Touristensteuer – warnt: Es müsse schnell etwas geschehen: Sonst würden die | |
Werbung für die Lofoten und die Wirklichkeit bald nicht mehr | |
übereinstimmen. | |
17 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Norwegen | |
Tourismus | |
Ökologie | |
Reiseland Norwegen | |
Norwegen | |
Tourismus | |
Mallorca | |
Ölindustrie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Landschaftsrouten in Norwegen: Dem Troll ganz nah | |
Auf achtzehn Strecken durchs Land haben Architekten, Designer und Künstler | |
Hand angelegt. Sie gestalten Rastplätze, Klos und Aussichtspunkte. | |
Wahl in Norwegen: Erna Solberg hat die Nase vorn | |
Am Montag wird in Norwegen gewählt. Lange sah es nach einem Sieg der | |
Sozialdemokraten aus, aber ihr Vorsprung ist nun weg. | |
Kommentar Individualtourismus: Ich, der Tourist, bin schuld! | |
Massenandrang, zerstörte Landschaften, horrende Mieten: Tourismus hat einen | |
hohen Preis. Rigide staatliche Regeln müssen her. | |
Protest gegen Touristen auf Malle: Wie schwer es ist, beliebt zu sein | |
Viele Touristen buchen per Airbnb Privatquartiere, Investoren parken ihr | |
Geld in Grundstücken. Nun rumort es in Palma de Mallorca. | |
Rohstoffförderung in Norwegen: Das „weltweit sauberste“ Öl | |
Erstmals ist in Norwegen eine Mehrheit dafür, die Ausbeutung der Ölvorräte | |
zu begrenzen. Greenpeace & Co. sprechen von einer Trendwende. |