# taz.de -- Landschaftsrouten in Norwegen: Dem Troll ganz nah | |
> Auf achtzehn Strecken durchs Land haben Architekten, Designer und | |
> Künstler Hand angelegt. Sie gestalten Rastplätze, Klos und | |
> Aussichtspunkte. | |
Bild: Trollstigen, Architekt: Reiulf Ramstad Architects | |
Östlich des norwegischen Bergen, nahe der Gemeinde Granvin, ergießen sich | |
gleich zwei Wasserfälle. Der Skjervsfossen Wasserfall ist ein | |
Anziehungspunkt. Am Parkplatz der kurvigen Straße, die daran vorbeiführt, | |
steht nun ein WC-Häuschen nach Plänen des Büros von Nils Mannsaker. Ein | |
Blickfang: Zwischen den steilen Bergen fügt es sich mit seiner Verkleidung | |
aus Schiefer und dem steilen Dach unauffällig in die Umgebung ein. Das | |
Gebäude steht direkt am Steilhang, wo der Wildbach vorbei rauscht. | |
Die beiden öffentlichen Toiletten, die darin untergebracht sind, besucht | |
man gerne: sie sind sauber, modern, vor allem aber mit Ausblick. Die hohe | |
Verglasung mit Blick auf den vorbei rauschenden Bach lässt die Natur | |
eindringen. Auch ein Teil des Bodens ist verglast. Es ist wie pinkeln in | |
den Bach, nur viel bequemer. Flussabwärts verwandelt sich der Wasserlauf in | |
einen donnernden Wasserfall. Eine in Fels gehauene lange Treppe führt vom | |
Parkplatz dorthin. Der Steg bietet freie Sicht auf die tobende Gischt. | |
Die Aufwertung des Klos ist dabei pure Absicht: Toilettenanlagen sind die | |
am häufigsten, weil unabdingbaren Gebäude, die an markanten Haltepunkten an | |
der Straße gestaltet wurden. Der Architekt Nils Mannsaker hat die Planung | |
und Ausführung für den Wasserfall des Skjervsfossen als „eine | |
Herausforderung“ gesehen: „Gebäude in Norwegen sind dafür bekannt, gut mit | |
der Natur zu harmonieren. Sie ergänzen die Landschaft. Unser Ziel war es | |
den Menschen zu erleichtern, die Schönheit der Natur zu erkennen,“sagt er | |
am Rastplatz des Skjervsfossen Wasserfalls. | |
## Die Zinkmine von Allmannajuvet | |
Oder ihnen Schutz vor der Ausgesetztheit zu bieten. Lost in Natur, so wirkt | |
die schon 2002 vom Schweizer Architekten Peter Zumthor geplante | |
Erinnerungsstätte für den kurzen, mühsamen Bergbau des späten 19. | |
Jahrhunderts. Zumthor konzipierte mitten in der Landschaft bei den | |
stillgelegten Zinkgruben in Allmannajuvet eine Besucheranlage mit | |
Parkplätzen. | |
Am abschüssigen Rand oberhalb des Flusses Storelva steht nun ein Café und | |
ein schmales Dokumentationszentrum auf Stelzen. Die Gebäude erinnern an | |
Fördertürme. Alle Bauten sind mit einem groben Gewebe überzogen, Schwarz | |
gestrichen. Wie fremdartige Objekte stehen sie in der einsamen Landschaft. | |
Dahinter führt ein Pfad entlang des Flussbetts des Storelva über hunderte | |
Meter zum Eingang des feuchtkalten Stollens. | |
Um den Tourismus in Norwegen zu stärken, setzte die Regierung zusammen mit | |
dem Parlament 18 Landschaftsprojekte durch: Informationszentren, | |
Rastplätze, Aussichtsplattformen an 18 Nationalstraße wurde entworfen und | |
neu gestaltet. Die Mehrzahl liegt im Südwesten des Landes mit seinen tief | |
ins Landesinnere reichenden Fjorden, seinen Bergen und Seen. | |
## Die Landschaft in Wert setzen | |
1994 wurde das Programm vom norwegischen Parlament angestoßen. Mit der | |
durchgehenden Beschilderung von knapp 2000 Straßenkilometern ist es | |
inzwischen für jedermann sichtbar geworden. Originalität, aber auch | |
Tradition und Innovation werden bei diesen 18 Projekten herausgestellt. Das | |
soll nicht nur die Neugier der Besucher wecken diese attraktiven | |
Ausflugsstraßen zu entdecken, sondern auch junge Landschaftsarchitekten | |
inspirieren. | |
Das Architekturbüro Snøhetta mit Sitz in Oslo ist längst erfolgsverwöhnt. | |
Das Team von Snøhetta ist am Projekt der Nationalen Straßenbehörde | |
beteiligt. Sie gehören zu den Bekannten der Architekturszene in Norwegen. | |
In Berlin wurde die Norwegische Botschaft am Tiergarten von Snøhetta | |
entworfen. Ausschließlich norwegische Architekten waren aufgerufen, sich an | |
den Wettbewerben zur Landschaftsgestaltung zu beteiligen, um jungen, | |
unbekannten Büros eine Chance zu geben. | |
Auch Snøhetta hat klein angefangen: den Durchbruch für das damalige | |
Drei-Mann-Team brachte der Wettbewerbssieg für den Entwurf der Bibliothek | |
in Alexandria. Die Oper von Oslo wurde von Snøhetta entworfen und setzt die | |
Erfolgsstory fort. | |
„Der öffentliche Raum ist wesentlicher Teil unserer Projekte. Wenn in Oslo | |
die Oper für Operngänger gebaut wird, so soll auch die große Zahl der | |
Nicht- Opernbesucher davon profitieren. Grundlegende Entwurfsidee war eine | |
frei zugängliche Dachlandschaft als neuer öffentlicher Stadtraum. Auch das | |
lichte Foyer steht allen Besuchern offen. Von den marmorverkleideten | |
Dachplatten aus kann man die Stadt überblicken,“ sagt Projektmanagerin | |
Tonje Frydenlund. | |
## Material- und Stilbewußtsein | |
Zur in Westsetzung der Natur über die Architektur gehört | |
Materialbewusstsein. Der Wasserfall Vøringsfossen im Gebiet des | |
Hardangervida ist schwer zugänglich. Der über 150 Meter lange Wasserfall | |
wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts für den Tourismus entdeckt. Vor allem | |
Kreuzfahrttouristen werden vom Fjord in Bussen hier herauf gekarrt, um den | |
Blick zu genießen. | |
Die Stege und Plattformen entlang des Bergmassivs bieten wechselnde Blicke | |
auf die stürzenden Wassermassen. Gebaut aus Beton mit Geländern aus Metall. | |
Der nackte Fels ist manchmal nicht vom Beton zu unterscheiden. Die | |
Ausblicke sind spektakulär und schwindelerregend. Trotzdem stehen nirgends | |
Schilder: Nicht über das Geländer lehnen“ oder „Klettern verboten“. | |
„Die norwegische Natur flößt Respekt ein“, sagt Per Ritzner, Pressesprech… | |
der Landschaftsrouten. „Und man muss ihr verantwortlich gegenüber treten. | |
Wir bieten die notwendigen Sicherheitsstandards, aber wir können die | |
Besucher nicht vor selbst gesuchten Gefahren schützen, zu stark | |
reglementieren. Wir setzen auf Eigenverantwortung. Das Thema Sicherheit | |
spielt eine große Rolle, aber es führt nicht zur Abschottung der Natur. Sie | |
steht im Vordergrund.“ Das Verhältnis zur Natur scheint in Norwegen | |
unmittelbarer zu sein, selbstbestimmter, vielleicht selbstverständlicher. | |
29 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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