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# taz.de -- Graphic Novel „Der Magnet“: Thriller in der Therme
> Eine elegante Graphic Novel: In Lucas Hararis „Der Magnet“ wird die
> Schweizer Therme Vals zum Schauplatz einer Verfolgungsjagd.
Bild: Lucas Harari entspinnt um den realen Bau des Schweizer Architekten Peter …
Ein Thermalbad ist kein besonders aufregender Ort. Per Definition dient er
der Entspannung meist älterer Herrschaften. Keine leichte Sache, sich dort
einen Thriller vorzustellen. Schon gar nicht, wenn sich das Thermalbad in
einer Alpenlandschaft der Schweiz befindet. Dem jungen französischen
Zeichner und Autor Lucas Harari ist das jedoch erstaunlich gut gelungen.
Seine erste Graphic Novel, „Der Magnet“, erschien kürzlich auf Deutsch im
Verlag Edition Moderne und zeigt in simplistischer Manier: Auch eine Therme
kann zum Schauplatz eines Krimis werden.
Doch zurück zum Anfang der Geschichte. Alles beginnt in den verregneten
Straßen von Paris. Ein Mann im Trenchcoat flüchtet sich in eine Bar. Er
trifft dort zufällig auf einen seiner ehemaligen Studenten, einen jungen
Mann mit Namen Pierre. Die beiden Männer trinken einen Kaffee. Während der
Regen an die Fensterscheiben trommelt, erzählt Pierre, wie er über seinen
Studien zu besagter Therme fast den Verstand verlor. Nach diesem Einstieg
ist klar: Irgendetwas stimmt mit dieser Therme gewaltig nicht.
Während Pierre ein zweites Mal versucht, dem Geheimnis auf die Spur zu
kommen, passieren merkwürdige Dinge. Ein mysteriöser Raser bedrängt ihn auf
einer engen Bergstraße. Ein Stein vom Berg, aus dem die Therme ihr Wasser
speist, entwickelt ein magnetisches Eigenleben. Und ein alter Mann faselt
von einem Soldaten, der Steine schweben lässt und angeblich vom Herz des
Berges verschlungen wurde.
Diese Passagen sind so schnell vorbei, wie sie gekommen sind, verfehlen
allerdings nicht ihr Ziel. Man fühlt sich nach und nach in einen
Hitchcock-Film versetzt. Der Thriller nimmt endgültig Fahrt auf, als Pierre
eine geheime Tür in der Therme entdeckt. Plötzlich hat er einen ehrgeizigen
Wissenschaftler mit wenig Skrupel auf den Fersen und muss zusehen, wie er
seine Haut rettet.
Lucas Harari entspinnt um den realen [1][Bau des Schweizer Architekten
Peter Zumthor] eine fiktive Geschichte, die sich mehr und mehr ins
Abstrakte wandelt. Das passiert jedoch so unauffällig, dass man am Ende
nicht mehr weiß, was nun eigentlich wahr ist und was nicht. Das sei genau
so gewollt, erklärt Harari: „Ich mag es, wenn das Ende offen bleibt, wenn
man weiter darüber nachdenkt. Der Leser soll einen Zwiespalt fühlen.“
## Extreme Schlichtheit der Hauptperson
Der gebürtige Pariser stammt aus einer Architektenfamilie, brach wie seine
Hauptfigur das Architekturstudium ab, um einen Abschluss an der
renommierten Kunsthochschule Arts Déco in Paris zu machen. Seine Affinität
für Gebäude und Perspektiven fällt sofort ins Auge. Der Thermalbau ist
nicht nur sehr präzise nachgezeichnet. Harari fängt auch seine Weite und
Eleganz ein, und erzeugt über die Papierseiten hinweg das Gefühl, gegenüber
diesem Bau ganz klein zu sein.
Dazu bedient er sich eines klassischen Stils aus der französisch-belgischen
Comictradition: die sogenannte Ligne claire. Der Name kommt von einer
markanten schwarzen Linie mit gleichbleibender Stärke. Dekor und
Hintergrund sind meist realistisch gezeichnet, während die Hauptpersonen
vereinfacht dargestellt werden. Hergé zeichnete seine „Tim und
Struppi“-Bände in diesem Stil. Harari überträgt die Ligne claire in ein
eigenes grafisches Universum, indem er fast nur Blau- und Rottöne
verwendet.
Diese Bichromie wird jedoch nicht langweilig, sondern hilft dabei, sich
aufs Wesentliche zu konzentrieren. Harari selbst meint über seinen Stil:
„Ich bin mit Hergé aufgewachsen, habe aber genauso seine Nachfolger
gelesen, die den Stil ironisch genutzt haben. Ted Benoît (Blake & Mortimer)
war ein großes Vorbild für mich. Und die Arbeiten von Charles Burns und
Daniel Clowes. Das habe ich alles eingearbeitet und versucht, etwas Eigenes
draus zu machen.“
Ein klassisches Element der Ligne claire ist die extreme Schlichtheit der
Hauptperson Pierre. Dessen Gesicht gleicht dem eines Strichmännchens.
Lediglich Punkt, Punkt, Komma, Strich. Selbst ein Profil bekommt er nicht.
Dadurch wirkt der Protagonist kühl, resigniert. Das macht es schwer, sich
in seine Gedankenwelt hineinzuversetzen. Erst bei einem nächtlichen
Spaziergang zur Therme fühlt man sich ihm nah. Als der Vollmond am
Sternenhimmel überm schneebedeckten Berg steht und Pierre Atemwolken in die
Luft pustet, möchte man am liebsten in die Graphic Novel reinschlüpfen und
diese Stille mit ihm gemeinsam erleben.
Solche Momente, die grafische Eleganz und eine spannende, wenn auch
manchmal undurchsichtige Geschichte machen „Der Magnet“ zu einer besonderen
Graphic Novel. Vielleicht ist es doch an der Zeit, den Badeanzug zu suchen
und der Therme Vals einen Besuch abzustatten. Nur so. Um sich zu
vergewissern, dass es die geheime Tür wirklich nicht gibt.
27 Oct 2018
## LINKS
[1] /Felsentherme-von-Vals/!5082168
## AUTOREN
Klara Fröhlich
## TAGS
Graphic Novel
Reiseland Norwegen
Reiseland Schweiz
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