# taz.de -- Berliner Wochenkommentar II: Warum bloß diese Aufregung? | |
> Ein neues und dazu noch nobles Hotel im Kiez, das sorgt in Kreuzberg | |
> allemal für Erregung. Am Oranienplatz eröffnete das Orania. | |
Bild: Neues Hotel und alte Parolen: das Orania mit Protestnote am Oranienplatz | |
Das Verblüffende an Kreuzberg ist, dass die politischen Reflexe hier länger | |
und zuverlässiger funktionieren als im Rest der Stadt, respektive der | |
Republik. Als vor vielen Jahren der erste McDonald’s in den Kiez zog, | |
drohte nichts weniger als der Untergang des Kreuzberger Abendlands. | |
Gleiches galt für Zalando und Co. Und nun soll das in dieser Woche | |
eröffnete Hotel Orania am Oranienplatz Quell alles kommenden Übels sein. | |
Woher nur dieser Alarmismus? | |
Mal angenommen, nicht der Münchner Unternehmer Dietmar Mueller-Elmau hätte | |
das ehemalige Jugendstilhaus von 1913 mit seiner eleganten Sandsteinfassade | |
saniert, sondern eine Billighostelkette. Statt 120 Euro das | |
Standard-Doppelzimmer also 65 Euro, dafür aber vielleicht nicht 40 Zimmer | |
wie das Orania, sondern 80. Was wäre dann mit dem Kiez? Alles schick, weil | |
alles billig? | |
Wenn etwas die Oranienstraße in den vergangenen Jahren verändert hat, waren | |
es die rasant steigenden Mieten auf der einen und der jugendliche | |
Massentourismus auf der anderen Seite. Ihm hat sich die Gewerbestruktur der | |
Straße angepasst. Billig- und Fast-Food, wohin das Auge blickt, statt einer | |
Mischung, zu der auch Waren des täglichen Bedarfs gehören. Ist das nicht | |
ebenso Gentrifizierung wie die Verdrängung durch teure Mieten? | |
Die paar Kulturtouristen, die nun am Oranienplatz absteigen, werden | |
niemanden verdrängen. Aber vielleicht sitzt das Geld bei ihnen nicht nur in | |
den angesagten Clubs locker, sondern auch beim Bummeln in der Straße, beim | |
Buchladen gegenüber oder bei Kisch & Co. oder auch bei der Boutique | |
Luzifer, deren Inhaber schon mal aus dem Chor der ewigen Nörgler | |
ausgestiegen ist. Er freue sich auf das Hotel, sagte er. Vielleicht sind es | |
ja die betuchten Gäste, die die Oranienstraße oder das, was von ihr übrig | |
geblieben ist, retten, während sie das Billigpublikum weitgehend kaputt | |
gemacht hat. | |
Übrigens hat der Betreiber des Hotels erklärt, gute Löhne zahlen zu wollen. | |
Das wird man nach einiger Zeit überprüfen müssen. Aber einzuwenden ist | |
dagegen nichts. Oder tragen auch fair bezahlte Beschäftigte zur | |
Gentrifizierung bei, weil sie nicht nur in Kreuzberg arbeiten, sondern auch | |
leben wollen? | |
27 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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