# taz.de -- Abwracken von Autos: „Umweltprämie“ soll Diesel retten | |
> Die Autoindustrie bietet Kunden eine Abwrackprämie an. Experten sehen | |
> dahinter die Stabilisierung des Marktes, nicht den Umweltschutz. | |
Bild: Schrottig: Die Abwrackprämie hilft nur der Industrie | |
Hamburg taz | Acht Jahre nach der großen Weltwirtschafts- und Finanzkrise | |
gibt es in Deutschland wieder eine sogenannte Umweltprämie für das | |
Abwracken von Autos. Statt von der Bundesregierung kommt die Prämie diesmal | |
von der Automobilindustrie. Doch zumindest diesmal spricht einiges dafür, | |
dass mit dieser Bezeichnung nur Etikettenschwindel betrieben wird. „Ich | |
würde das eher eine Marktstabilisierungsprämie als eine Umweltprämie | |
nennen“, sagt Florian Hacker vom Freiburger Öko-Institut. | |
Am Dienstag hatte Volkswagen „eine Umweltprämie von bis zu 10.000 Euro beim | |
Kauf eines neuen EU6-Pkw mit Diesel, Benzin oder Erdgasantrieb, bei | |
Verschrottung eines älteren Diesel der Abgasstandards EU1 bis EU4“ | |
angeboten. Ähnliche, aber niedrigere Rabatte und Zuschüsse hatten zuvor | |
bereits Ford, BMW und Toyota angekündigt. Daimler will 2.000 Euro | |
nachlassen. | |
Der Umstieg auf Autos mit der Euro-6-Abgasnorm soll den durchschnittlichen | |
Stickoxidausstoß der Dieselflotten senken, um weiteren Fahrverboten in | |
Großstädten zu entgehen und die Öffentlichkeit sowie die Kundschaft zu | |
besänftigen. Denn die Dieselmotoren stoßen unter realen Betriebsbedingungen | |
ein Vielfaches des erlaubten Stickoxids aus. | |
Beim Dieselgipfel mit der Bundesregierung hat die Branche vergangene Woche | |
versprochen, die Software der Fahrzeuge so nachzurüsten, dass der | |
NOx-Ausstoß sinkt. Das Bundesverkehrsministerium rechnet mit 40 Prozent, | |
die Umweltverbände halten aber nur 25 Prozent für möglich. Damit wären die | |
Euro-5- und Euro-6-Pkws aber nur wenig besser als Euro-3- und | |
Euro-4-Diesel. „Die alten Fahrzeuge abzuschaffen ist bei dieser | |
Umtauschaktion höchst fragwürdig, weil die neuen real oft nicht wesentlich | |
besser sind“, sagt Hacker vom Öko-Institut. | |
## Autoindustrie fördert veraltete Technik | |
Bei der Abwrackprämie der Bundesregierung hatte das Heidelberger | |
Ifeu-Institut 2009 einen positiven Effekt auf die Umwelt ermittelt – | |
zumindest was den Kraftstoffverbrauch, die Luftschadstoff- und die | |
Lärmemissionen betraf. „Die neuen Fahrzeuge sind den ersetzten alten | |
Fahrzeugen in Umweltbelangen so überlegen, dass sie eine ‚ökologische | |
Restschuld‘ aus einer vorzeitigen Verschrottung in deutlich kürzerer Zeit | |
als einem Jahr abtragen“, bilanzierte das Institut. | |
Das gute Ergebnis kam zustande, weil die verschrotteten Wagen durch | |
überwiegend viel kleinere Fahrzeuge ersetzt wurden, die viel weniger | |
Schadstoffe ausstießen als die alten. Bei der Rechnung wurde der gesamte | |
Lebensweg betrachtet. Die Herstellung fiel dabei je nach Schadstoff und | |
Fahrzeug unterschiedlich ins Gewicht: bei der Kohlendioxidemission mit bis | |
zu 20 Prozent, bei Stickoxiden bis zu 50 Prozent. Den Abfall, die | |
Reststoffe, Abwärme und Abwässer, die bei der Extraktion und Verarbeitung | |
der Rohstoffe anfallen, hat das Ifeu-Institut allerdings nicht mit | |
bilanziert. | |
Florian Hacker vom Öko-Institut findet auch aus einem weiteren Grund, dass | |
es sinnvoll sein kann, seinen alten Diesel weiterzufahren. Er rechnet | |
damit, dass der Diesel durch die technische Entwicklung in den nächsten | |
Jahren obsolet werden könnte. Schon heute hätten Elektrofahrzeuge eine | |
bessere CO2-Bilanz als Diesel. Die Autoindustrie [1][fördere eine veraltete | |
Technik]. | |
Das bestätigte VWs Deutschland-Vertriebschef Thomas Zahn in einer | |
Telefonkonferenz am Dienstag indirekt: „Damit entlasten wir den Markt.“ Mit | |
der Prämie nehme man Fahrzeuge aus dem Umlauf, das hebe tendenziell die | |
Preise. | |
9 Aug 2017 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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