# taz.de -- Martin Suter im Stichwort-Interview: „Geld ist da, um es auszugeb… | |
> Früher Werber, heute sehr erfolgreicher Schriftsteller im | |
> deutschsprachigen Raum: Martin Suter. Hier antwortet der Schweizer in | |
> maximal drei Sätzen. | |
Bild: Geiz ist Geil – „der mit Abstand dümmste Spruch in der Geschichte de… | |
Erste Erinnerungen | |
Ein zischender roter Rasensprenger und ein Mann, der uns Kinder fragt, wer | |
es wage, sich draufzusetzen. Ich wagte es. Der Mann bekam es mit meiner | |
Mutter zu tun. | |
Kindheit | |
Je länger sie zurückliegt, desto glücklicher kommt sie mir vor. | |
Linkshänder | |
Wir waren acht in der ersten Klasse bei Fräulein Hauser. Ich war der | |
Einzige, der Linkshänder geblieben ist. | |
Die Tragik, am 29. Februar Geburtstag zu haben | |
Das war nie eine Tragik. Das war immer eine Besonderheit, die mir gefiel. | |
Mutter-Sohn-Beziehung | |
Wir sind uns sehr sympathisch. | |
Vater-Sohn-Beziehung | |
Sie war etwas scheu, aber liebevoll. | |
Collège St. Michel im schweizerischen Fribourg | |
Das war damals keine besonders gute Schule. Aber es war eine tolle Zeit. | |
Studium | |
Ein Jahr als Hörer an der Uni Basel eingeschrieben. Ich kann mich nur an | |
eine einzige Vorlesung erinnern, oder war es ein Seminar? „Brecht. Baal und | |
Trommeln in der Nacht.“ Hat mich geheilt von meinem Wunsch, Germanistik zu | |
studieren. | |
Reise nach Afrika | |
Das war ein großes Abenteuer. Im Landrover von Basel nach Nairobi. Am | |
Schluss habe ich gedacht: Jetzt das Ganze nochmals, aber diesmal ohne | |
Angst. | |
„Wunderkind der Werbung“ | |
So hat mich mal jemand genannt. Ich weiß nicht, wie freundlich es gemeint | |
war. | |
Ihr bester Werbespruch | |
Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten, Sie arbeiten schließlich auch für | |
Ihr Geld. | |
Ihr schlechtester Werbespruch | |
Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten, Sie arbeiten schließlich auch für | |
Ihr Geld. | |
Drehbücher | |
Drehbücher sind Rohmaterial, Romane sind Endprodukte. Deswegen schreibe ich | |
lieber Romane. | |
Schönste Filmszene aller Zeiten | |
Wenn in „Magnolia“ von Paul Thomas Anderson alle Darsteller „It’s not g… | |
to stop“ singen, kommen mir noch immer die Tränen. | |
Schreiben | |
Seit ich sechzehn Jahre alt war ist das Schreiben mein Traumberuf. | |
Deutsch als Fremdsprache | |
Das ist einer der Gründe, weshalb wir Schweizer langsamer sprechen. Wir | |
sind alle Simultanübersetzer vom Schweizer- ins Hochdeutsche. Das hat auch | |
Vorteile. Man muss länger überlegen, bevor man etwas sagt. | |
Vorwurf: Triviale Unterhaltungsliteratur | |
Bei „trivial“ fühle ich mich nicht angesprochen. Bei „Unterhaltung“ ab… | |
schon. Somerset Maugham hat gesagt: „Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es | |
nicht unterhält.“ | |
Literarische Vorbilder | |
Dreimal dürfen Sie raten. Somerset Maugham, natürlich. | |
Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt | |
Friedrich Dürrenmatt. Weil es für ihn keine Begründung braucht. | |
Der schönste Satz in der Literatur | |
„Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen | |
Lande, als flöge sie nach Haus.“ Aus Joseph Freiherr von Eichendorff, | |
„Mondnacht“. | |
Realität | |
Sie ist das, was ich in meiner Fiktion herzustellen versuche. | |
Fiktion | |
Sie wird glaubwürdiger, wenn sie fest in der Realität verankert ist. Der | |
Drehbuchlehrer Robert McKee sagt: „Das Realistische macht das Unmögliche | |
plausibel.“ Eine meiner Lieblingsfaustregeln. | |
Literaturkritiker | |
Lieber sie als ich. | |
Erfolg | |
Ich geb’s gerne zu: Ohne ihn würde ich aufhören zu schreiben. | |
Guatemala | |
Ein wunderbares Land voller Probleme und einer liebenswürdigen, aber leider | |
desillusionierten Bevölkerung. Meine Frau und ich haben während über | |
zwanzig Jahren die Hälfte des Jahres dort verbracht, und ich habe die | |
meisten Romane dort geschrieben. | |
Weinanbau | |
Einen großen Teil der übrigen Zeit haben wir auf Ibiza gelebt und dort auch | |
etwas Wein angebaut, einen einfachen Tischwein. Um die Reben hat sich der | |
Bauer gekümmert, das Keltern habe ich besorgt. Übrigens keine Hexerei, wenn | |
man damit nicht in Parker’s Wein Guide kommen will. | |
Olivenernte | |
Das war immer ein Fest während unserer Jahre auf Ibiza. Über vierzig | |
Freunde und Bekannte kamen da zusammen und ernteten schwatzend und lachend | |
in ein paar Stunden eine Tonne oder mehr Oliven ab. Und die kam dann sofort | |
in die Zentrifuge und wurde zum besten Olivenöl verarbeitet, das ich kenne. | |
Fondue oder Raclette | |
Das ist kein Gegensatzpaar wie Stones oder Beatles, Frisch oder Dürrenmatt. | |
Wer heißen Käse verträgt, liebt beides. Ab und zu. | |
Zürich | |
Zürich ist eine überschaubare Weltstadt mit sehr hoher Lebensqualität, die | |
den zusätzlichen Vorteil hat, dass sie meine Heimatstadt ist. Wir haben | |
nach über zwanzig Jahren als Auslandsschweizer unseren Lebensmittelpunkt | |
dorthin verlegt. | |
Steuersünder-CDs | |
Ein Geschäftsmodell, für das heute wohl kaum eine Schweizer Bank zu | |
begeistern ist. | |
Schweizer Höflichkeit | |
Ich glaube nicht, dass sich Höflichkeit national verorten lässt. Aber ich | |
weiß, dass ich Unhöflichkeit jeder Nationalität unerträglich finde. | |
Der vergessene Honigtopf | |
Ach, diese Geschichte. Ich besuchte 1975 einen Freund auf Ibiza, und der | |
bat mich, einer gewissen Margrith, die am Vortag abgereist war und wie ich | |
damals in Basel wohnte, einen Topf ibizenkischen Honig mitzubringen. Diese | |
gewisse Margrith wurde dann meine Frau. Und ist es noch immer. | |
Liebe | |
It’s not all you need – aber fast. | |
Die Ehe | |
Wir waren schon vierzehn Jahre zusammen, als wir heirateten. Und es war | |
tatsächlich noch eins oben drauf gesetzt. | |
Erotik | |
Das, was vor dem Sex kommt. Und mit etwas Glück auch danach. | |
Sex | |
In der Literatur schwierig, sonst nicht so. | |
Seitensprung | |
Kommt in meiner Gebrauchsanweisung für eine langjährige Beziehung nicht | |
vor. | |
Vatersein | |
Ist ein großes Glück, aber kein unbeschwertes. | |
Kostbare, maßgeschneiderte Anzüge | |
Geben nicht wärmer als die von der Stange. Aber sitzen besser. | |
Nach hinten gegelte Haare | |
Ich benütze kein Gel, nur Öl oder Wachs. Es ist eine recht brauchbare | |
Methode, einen Lockenkopf im Zaum zu halten. | |
Geld | |
Wurde erfunden, um es auszugeben. Der mit Abstand dümmste und tatsächlich | |
verheerendste Spruch in der Geschichte der Werbung ist „Geiz ist geil“. | |
Luxus | |
Ich gebe zu, ich bin ihm manchmal zugetan. Mein allfälliges schlechtes | |
Gewissen beruhige ich damit, dass es eine wirtschaftsfördernde Schwäche | |
ist. Und um ein Vielfaches geiler als Geiz. | |
Utopien | |
Ist das Totschlagwort für Träume, Ideen, Pläne und Ideale. Man sollte sich | |
in Acht nehmen vor Leuten, die es benutzen. | |
Europa | |
Keine Utopie. | |
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
Wenn man davon ausgeht, dass das Erinnerungsvermögen erst nach dem fünften | |
Lebensjahr einsetzt, wird Angela Merkel nach ihrer nächsten Amtszeit die | |
einzige deutsche Regierungschefin sein, an die sich die bis | |
Einundzwanzigjährigen erinnern können. | |
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump | |
Die logische Konsequenz der Vulgarisierung unserer Gesellschaft. | |
Christoph Blocher | |
Christoph wer? | |
Humor | |
Ich versuche, mir die Leute, die keinen haben, vom Leib zu halten. | |
Träume | |
Meinen Sie die wachen oder die schlafenden? Erstere lasse ich mir nicht | |
nehmen, Letzteren messe ich keine besondere Bedeutung zu. | |
Ängste | |
Sind schreckliche Spielverderber. | |
Feinde | |
Der Versuch, sich keine zu machen, verdirbt den Charakter. Ich weiß, wovon | |
ich red. | |
Glück | |
Davon gibt es bekanntlich zwei Sorten: Das, das man auch „Schwein“ nennt. | |
Und das, in dem man schwelgen kann. Ich habe in meinem Leben viel von | |
beidem gehabt, aber auch gelernt, dass man sich auf beide nicht verlassen | |
soll. | |
Der größte Verlust | |
Der eines geliebten Menschen. | |
Älterwerden | |
Ein verfluchtes Privileg. | |
Grabsteinspruch | |
Martin Suter und zwei hoffentlich weit auseinanderliegende Jahreszahlen. | |
Gott | |
Ich beneide alle, die vorbehaltlos an ihn glauben können. | |
13 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Alem Grabovac | |
## TAGS | |
Martin Suter | |
Schriftsteller | |
Schweiß | |
Ex-Jugoslawien | |
Lesestück Interview | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
Literatur | |
Schweiß | |
Kunst | |
Schweiß | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Alem Grabovac im Stichwort-Interview: „Ich habe ein Talent für Heimat“ | |
„Das achte Kind“ ist Alem Grabovacs erster Roman. Ein Austausch über | |
verschiedene Väter, das ehemalige Jugoslawien, Ajvar und Maradona. | |
Wolf Wondratschek über das Schreiben: „Ich bin nur der, der tippt“ | |
Poet, Box-Fan und ein Münchner, den es nach Wien zog: Wolf Wondratschek. | |
Hier antwortet er auf Stichworte zu Männern und Frauen, Luxus und Erfolg. | |
Herzenskapriolen im Alter: Amore über Sechzig | |
Von einem, der auszieht, aber keine mehr auszieht. Und sich auch nicht: Die | |
Geschichte eines Mannes, der auf der Suche nach der Liebe ist. | |
Verfilmung von Martin Suter-Romanen: Bestseller in primetimetauglich | |
Die ARD zeigt die beiden ersten Detektivromane von Martin Suter. Es ist | |
eine armselige Verfilmung mit Fehlbesetzung. | |
Verleger über Lesungen als Popevent: „Für Autoren wie Weihnachten“ | |
Tausende Besucher kommen zu den immer beliebter werdenden Live-Leseevents. | |
Davon profitieren auch die Autoren, sagt der Verleger Helge Malchow. | |
Schriftsteller Martin Suter: „Ich habe Geschichten ausprobiert“ | |
Martin Suters neuer Roman „Montecristo“ behandelt einen Finanzskandal in | |
der Schweiz. Ein Gespräch über Provinzialität, Steuerbetrug und | |
Feindbilder. | |
Letzter Rundgang auf der Buchmesse: Suche nach dem Hype | |
Romane, Gedichte, Mischformen. Was wird das nächste große literarische | |
Ding? Vermeintliche Hippes wirkt oft besonders altbacken. | |
Martin Suters neuer Roman: Zwei Blüten und ein Videojournalist | |
Mit „Montecristo“ schreibt Suter den Gesellschaftsroman der Saison: Banken- | |
und Bandenkriminalität vor alpiner Kulisse. | |
Baseler Zeitung in der Krise: Rechtspopulist wechselt Strohmann aus | |
Millionär Christoph Blocher sichert seinen Einfluss auf die "Basler | |
Zeitung". Er installiert einen rechtsliberalen Politiker als Verleger. | |
Abonnenten wollen dagegen demonstrieren. | |
Diogenes-Verleger Daniel Keel gestorben: Ein alter Fuchs in der Bücherwelt | |
Der Gründer des renommierten Schweizer Diogenes-Verlages, Daniel Keel, ist | |
im Alter von 80 Jahren gestorben. Bis zuletzt hat er die Verlagspolitik | |
mitbestimmt. |