| # taz.de -- Martin Suters neuer Roman: Zwei Blüten und ein Videojournalist | |
| > Mit „Montecristo“ schreibt Suter den Gesellschaftsroman der Saison: | |
| > Banken- und Bandenkriminalität vor alpiner Kulisse. | |
| Bild: Der Autor Martin Suter. | |
| Martin Suter ist der erfolgreichste Gegenwartsschriftsteller der Schweiz. | |
| Sein neuer Roman „Montecristo“ steht auf Platz 1 der Bestsellerlisten der | |
| Schweiz, Österreichs und Deutschlands. Ende Februar veröffentlicht, | |
| Startauflage 150.000 Exemplare, kommt gerade die dritte Auflage heraus. | |
| Martin Suter, Liebling der Massen. Ein Phänomen, das das Feuilleton nicht | |
| immer zu schätzen weiß, auf das es zuletzt („Allmen“-Serie, „Der Koch�… | |
| teils kräftig eindrosch. | |
| Doch was ein Martin Suter in Hochform zu schaffen vermag, beweist er allen | |
| Skeptikern zum Trotz mit „Montecristo“ eindrucksvoll. Mit diesem Roman, | |
| dieser schriftstellerischen Finesse und Eleganz, schließt er an große Werke | |
| wie „Small World“ oder „Die dunkle Seite des Mondes“ an. Dabei ist auch | |
| „Montecristo“, wie immer bei diesem Autor, Unterhaltungsliteratur im besten | |
| Sinne: eine personenbezogene, handlungsgetriebene, tempo- und actionreiche | |
| Erzählung, vielschichtig und abwechslungsreich, die ihre | |
| Gesellschaftsbeobachtung aus Charakteren und Alltagsskizzen zu formulieren | |
| versteht. | |
| Der Plot klingt bei „Montecristo“ zunächst recht simpel: Der Videojounalist | |
| Jonas Brand wird im Intercity nach Basel Zeuge eines „Personenschadens“. | |
| Brand ist erfolgreich-erfolgloser freischaffender Journalist, ein wenig ein | |
| Träumer. Er liefert Rohstoff für Peoplesmagazine, während er seit Jahren | |
| von einem eigenen Spielfilmprojekt fantasiert. | |
| Da wir in der Schweiz sind, also einen gewissen minimalen Lebensstandard | |
| auch für Freelancejounalisten voraussetzen dürfen, regelt seinen Züricher | |
| Altbau-Haushalt eine gewisse Frau Knezevic, die sich im Laufe der Handlung | |
| als mindestens so klug wie die Zürcher Polizei erweist. Bei Brand wird | |
| eingebrochen. „Waren nicht Serben“, wie Frau Knezevic erkennt, denn sonst | |
| wären die Computer auch weg. Brand dämmert bald, was die Einbrecher | |
| suchten. Kurz zuvor lieferte ihm der Zufall zwei „echte“ Schweizer | |
| Hundertfrankenscheine mit gleichen Seriennummern in die Brieftasche. | |
| ## Provinzialität und Internationalität | |
| Materialisiertes Geld in Form von Hundertfrankenscheinen steht bei Suter am | |
| Ende einer Kette, die mit Bankenkrise, Spekulationen und fehlenden | |
| Deckungen zu tun hat. Geldscheine, Druckereien? Mag altmodisch klingen, | |
| erweist sich aber für die Konkretion als vorteilhaft. Schwer verliebt in | |
| die aufregende Marina Ruiz (und ein wenig auch in sein | |
| Never-Ending-Filmprojekt), begreift Jonas Brand erst nach und nach, was die | |
| zwei falschen Hunderter bedeuten. | |
| Die Lizenz zum Geldscheine-Drucken hat nämlich nur eine Druckerei in der | |
| Schweiz. Unverhofft ist Brand so zugleich an Story und Liebe seines Lebens | |
| dran. Irgendwann verknüpft sich beides miteinander. Beulen, Tote, Sex, | |
| Bankkundenberater, CEOs, Filmfonds – ein rothaariger Mann mit Igelfrisur, | |
| eine merkwürdige Promenadenmischung aus Kraftwerk und Sascha Lobo, tritt in | |
| Erscheinung. | |
| Provinzialität und Internationalität, die Schweiz verkörpert beides und | |
| Suter fängt dies in „Montecristo“ mit viel Situationskomik ein, so amüsan… | |
| wie dies sonst nur einem Christoph Marthaler in seinen Bühneninszenierungen | |
| gelingt. Aller Stilsicherheit zum Trotz hat Suter seinem Roman dennoch eine | |
| Nachbemerkung angehängt. Und das ist gut so. In dieser dankt er früheren | |
| Direktoren der Eidgenössischen Finanzverwaltung oder Bundesrat a. D. Moritz | |
| Leuenberger für die Hilfe bei der Recherche. Auf dass die Leichtigkeit beim | |
| Lesen nicht zum Trugschluss verleite, der Autor hätte nicht gebührend | |
| recherchiert oder auf der Suche nach dem richtigen Szenario und beim | |
| Formulieren nicht ausreichend geschwitzt. | |
| 11 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
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