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# taz.de -- Verleger über Lesungen als Popevent: „Für Autoren wie Weihnacht…
> Tausende Besucher kommen zu den immer beliebter werdenden
> Live-Leseevents. Davon profitieren auch die Autoren, sagt der Verleger
> Helge Malchow.
Bild: Die finnische Autorin Katja Kettu auf dem Literaturfestival Lit.Cologne i…
taz: Herr Malchow, die 17. Lit.Cologne ging am Wochenende zu Ende. 110.000
Besucher, 200 Veranstaltungen, fast alle ausverkauft. Auch das Lesefest
„Leipzig liest“ während der Leipziger Buchmesse wird immer beliebter. Warum
sind Leseevents so erfolgreich?
Helge Malchow: Menschen gehen heute auch häufiger ins Fußballstadion als
früher. Ich glaube, dass dieser Wunsch nach unmittelbarem Erleben von
politischen, sportlichen und eben auch kulturellen Ereignissen, dieser
Livecharakter also, eine Antwort ist auf eine gesellschaftliche
Entwicklung: Heute wird alles nur noch medial vermittelt. Und da ist
gewissermaßen eine Sehnsucht nach Authentizität entstanden.
Nun ist Lesen ja eigentlich ein sehr persönliches Erlebnis. Dennoch kommen
über 1.500 Menschen, wenn Martin Suter sein neues Buch vorstellt.
Ja, das Literaturerlebnis ist erst einmal ein intimer Dialog zwischen Autor
und Leser, das stimmt. Aber es hat auch eine öffentliche Seite. Das ist
kein neues Phänomen. Autoren wie Thomas Kling oder Charles Bukowski
beispielsweise haben sich inszeniert. Bukowski hatte immer 10 Bierbüchsen
auf dem Tisch stehen und hat sich während der Lesungen sehr unterhaltsam
betrunken.
Autoren werden wie Filmstars behandelt …
… das ist aus meiner Sicht als Buchverleger extrem erfreulich. Warum soll
ein Schriftsteller eine geringere öffentliche Rolle spielen als ein
Filmschauspieler oder ein bildender Künstler? Diese Gleichstellung wird der
Bedeutung von Literatur sehr gerecht.
Trotzdem gibt es Kritik an der „Eventisierung“ der Literatur. Können Sie
das nachvollziehen?
Ich kann nichts Negatives daran erkennen. Die Bandbreite ist ja groß: Von
hochintellektuellen Veranstaltungen bis hin zu unterhaltsamen Abenden. In
Deutschland wurde historisch schon immer dieser Gegensatz aufgemacht
zwischen „Kultur“ und „Unterhaltung“. Zwischen Kultur und Kommerz. Wenn…
von diesen Einwänden Kollegen aus den USA oder Großbritannien erzähle,
fragen die drei mal nach, worin eine solche Kritik besteht.
Wie erleben Autoren solche Veranstaltungen?
Die sind durchgängig begeistert. Sie kennen häufig nur herkömmliche
Lesungen. Manchmal sieht es ja hart aus: Buchhandlung an der Ecke,
wackliger Tisch, das Mikro geht nicht. Und danach in ein schlechtes
griechisches Restaurant. Für die Autoren ist die Lit.Cologne wie
Weihnachten. Zumal hier der Großteil des Publikums kommt, um den Autor und
sein Werk kennenzulernen, nicht weil sie ihn schon kennen.
Das liegt auch daran, dass viele Lesungen mit prominenten Schauspielern
besetzt werden. Steht dann noch das Buch im Mittelpunkt, oder wollen die
Leute nur mal Iris Berben live sehen?
Ein paar kommen bestimmt auch wegen bekannter Schauspielernamen. Aber es
findet ja dann ein Transfer statt, und man wird über Iris Berben mit einem
Buch konfrontiert, das Interesse weckt.
Nun ist nicht jeder Autor ein Bühnenmensch. Ist das ein Problem, wenn
Live-Leseevents bedeutender werden?
Nicht jedem Autor liegt es, sein Werk öffentlich zu inszenieren. Niemand
muss sich verpflichtet fühlen. Aber manche kommen durch solche Auftritte
auch auf den Geschmack. Und sie lernen ihr Publikum kennen.
Seit 25 Jahren gibt es während der Buchmesse „Leipzig liest“. Über 3.000
Veranstaltungen in der Stadt, aber bei Weitem nicht mit der Besucherzahl
wie in Köln. Woran liegt das?
Es ist schon beeindruckend, was da in Leipzig passiert. Aber es ist eher
eine riesige Zahl nebeneinander existierender Lesungen. Es gibt kaum eine
Fokussierung, inhaltlich oder kompositorisch. Das ist etwas anderes als ein
kuratiertes Festival wie in Köln.
Leipzig gilt als Publikumsmesse, Frankfurt als Branchenmesse. Erleben Sie
das auch so?
Ja. Frankfurt ist im klassischen Sinne eine Messe. Der Akzent liegt etwa
auf dem internationalen Austausch von Lizenzen. Es kamen zwar in den
vergangenen Jahren auch immer mehr Publikumsveranstaltungen dazu, aber im
Kern geht es ums internationale Lizenzgeschäft. In Leipzig dagegen sind
andere Aspekte wichtiger. Die Messe hat sich immer mehr zu einem großen
Treffen von Lesern entwickelt, was für uns als Verlag auch wichtig ist. Ich
kann darüber hinaus dort viel mehr mit Autoren ins Gespräch kommen und mit
Kollegen aus anderen Verlagen oder aus den Medien. Leipzig bietet mehr Raum
für diese inspirierende, informelle Seite der Bücherwelt.
25 Mar 2017
## AUTOREN
Paul Wrusch
## TAGS
Literatur
Lesung
Gegenwartsliteratur
Martin Suter
Öffentlicher Raum
Literatur
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Buch
Hörbuch
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