# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Träume, Nazis, verschwundener Bart | |
> „The Last Tycoon“ ist eine Hollywood-Serie über Hollywood – ein Ort | |
> harter Arbeit und traumhaft schön. Bis die Deutschen kommen. | |
Bild: Monroe Stahr (Matt Bomer, links) im Streit mit seinem Boss Pat Brady (Kel… | |
Hollywood, die Traumfabrik, ist ein Dorf. Nehmen wir die Posse um Henry | |
Cavills Schnurrbart. Den hatte sich der Schauspieler eben erst für eine | |
Rolle in Paramounts „Mission: Impossible“-Sequel wachsen lassen. | |
Da fiel den Kollegen von Warner Bros. plötzlich ein, dass sie Cavill noch | |
einmal für einen Nachdreh zu ihrem [1][zuvor abgedrehten Superheldenfilm | |
„Justice League“ brauchen]. Als Superman, ohne Bart, weil Superman mit | |
Hipster-Bart: undenkbar. Undenkbar wiederum für Paramount: falscher Bart in | |
einem Film, der sonst nur aus falschen Effekten besteht. Großes Gezeter. | |
Nun wird der Bart wohl bleiben und hinterher für einen Millionenbetrag aus | |
dem Superman-Gesicht wegretuschiert. | |
Von solchen CGI-Blüten hatten die Filmschaffenden zu Zeiten des Golden Age | |
der 1930er Jahre noch keinen Schimmer. Was nicht heißt, dass sie sich nicht | |
auch schon unter Niveau befehden konnten. Pat Brady, Chef von Brady | |
American Pictures, erzählt seiner Frau abends im Bett einen Witz: „Du bist | |
in einem Aufzug. Die Tür geht auf. Rein kommen Mussolini, Hitler und Louis | |
B. Mayer. Du hast zwei Kugeln in deiner Pistole. Was machst du? – Ganz | |
einfach: Du schießt zweimal auf Mayer!“ | |
Louis B. Mayer war der [2][Chef von Metro-Goldwyn-Mayer], dem | |
profitabelstem Filmstudio der Welt, dem mit dem Löwen. Brady American | |
Pictures hingegen hat es nie gegeben. Außer in einem unvollendeten Roman | |
von F. Scott Fitzgerald und jetzt eben Amazons neunteiliger Serienfassung. | |
## Zu schön, um wahr zu sein | |
„The Last Tycoon“ dreht sich um das fiktive Studio Brady American Pictures | |
im Haifischbecken Hollywood. Der letzte Tycoon ist nicht Pat Brady | |
(„Frasier“ Kelsey Grammer), sondern dessen rechte Hand Monroe Stahr, in den | |
sowohl Bradys Frau als auch Tochter (Lily Collins) und überhaupt alle | |
verliebt sind. Vorbild für ihn war Irving Thalberg, Louis B. Mayers rechte | |
Hand, der 1936 im Alter von 37 Jahren starb. Wie er ist auch Monroe Stahr | |
herzkrank, Original und Wiedergänger laufen sich beim Kardiologen über den | |
Weg. | |
Die Fälschung ist viel zu schön, um wahr zu sein – Matt Bomer wäre die | |
erste Wahl für den Ken in jeder „Barbie“-Verfilmung. Es hilft auch nicht, | |
dass das Drehbuch nicht den kleinsten Abgrund für diesen außerdem viel zu | |
anständigen Kerl bereithält, der nach zwei Jahren der Trauer um seine | |
verstorbene Frau endlich wieder die Liebe findet. Es ist so schön. | |
Es wäre so langweilig, würden nicht, ja, die Deutschen für die ersehnten | |
Störgeräusche in dieser Hollywood-Soap sorgen. Würden nicht die (aus | |
filmhistorischer Perspektive) guten alten Nazis versuchen, sich auch im | |
jüdisch geprägten Hollywood auszubreiten. Würden nicht die Exilanten Fritz | |
Lang und [3][Marlene Dietrich] noch viel verderbter als kultiviert | |
auftreten – das Domizil der Dietrich muss man sich als Sündenpfuhl im | |
Haremsdesign vorstellen, in dem die kaum bekleidete Diva sich die Zeit | |
damit vertreibt, unbekleideten Mädchen beim Liebesspiel zuzuschauen; würden | |
sich nicht ausnahmslos nichtdeutsche Schauspieler so rührig um einen harten | |
deutschen Akzent bemühen und, ein Höhepunkt, in Folge fünf sogar einen | |
komplett deutschen Dialog bestreiten. Denn, ja, Hollywood war und ist: die | |
TraumFABRIK – ein Ort harter Arbeit. | |
3 Aug 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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