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# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Ein bisschen Geld
> Im Leben geht es um mehr als um Geld, das greifen „The Last Panthers“ und
> „Fargo“ auf. Leider läuft bald die letzte „Fargo“-Folge.
Bild: Skyline von Fargo, North Dakota
Noch wenige Tage bis zur letzten Folge der dritten Staffel von „Fargo“ (ab
Donnerstag, 22.6., auf Netflix), und es könnte sein, dass es die letzte
ist. Schnüff. Wie immer in dieser Serie und bei den Coen-Brüdern ist alles
eine Mischung aus sinistren Typen, schwarzem Humor, surrealen Momenten,
menschlichen Abgründen, großen Kriminellen und kleinbürgerlicher Tristesse
vor trister und trotzdem großer Kulisse. In der dritten Staffel geht es um
die Brüder Emmit und Ray Stussy, von denen der eine Parkplatzkönig ist, der
andere Bewährungshelfer.
Der Bewährungshelfer gilt als Versager, weil er kein Geld hat. Er fährt
eine verrostete rote Corvette und hat eine smarte und sexy Freundin, die
ihn dazu überredet, Geld von seinem Bruder zu erpressen. Der Parkplatzkönig
gilt als Gewinner, weil er reich ist. Er hat eine spießige Kleinfamilie,
ein florierendes Unternehmen und ein großes Haus. Aber er kriegt ein
Problem: Ein bulimischer Stalin-Fan erpresst ihn und bringt nackte Gewalt
in Firma und Familie.
Dieser so eklig und genial von David Thewlis gespielte Stalinist VM Varga
verkörpert das Prinzip Kapitalismus: Er ist die personifizierte
ursprüngliche Akkumulation, deren treibende Kraft nach Karl Marx
„Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt“ ist. Er frisst nur, um es
anschließend wieder auszukotzen.
Die beiden Hauptrollen, Emmit und Ray Stussy, werden von ein und demselben
Schauspieler gespielt. Auch hier könnte man mit Karl Marx sprechen und zwar
von den „Charaktermasken“, die „Personifikationen der ökonomischen
Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten“
## Post-jugoslawische Gangster
Einer der beiden Handlanger von VM Varga ist der kaltblütige Killer Yuri
Gurka. Er soll Russe sein, hat aber gar keinen russischen, sondern einen
serbokroatischen Akzent und wird tatsächlich gespielt von Goran Bogdan,
einem kroatischen Schauspieler. Der wiederum spielte eine der Hauptrollen
in der völlig untergegangen europäischen Serie „The Last Panthers“. In
dieser geht es um das letzte Mitglied der real existierenden Diebesbande
Pink Panthers, einer Gruppe serbischer, kroatischer, bosnischer,
montenegrinischer Räuber, die in den Jahren nach dem blutigen Zerfall
Jugoslawiens wie eine im Dunkeln weiterexistierende post-jugoslawische
Vereinigung Juwelen im Wert von 500 Millionen Euro erbeutet haben sollen
und das recht brutal.
In „The Last Panthers“ geht es aber nicht vordergründig um diese Bande,
sondern um andere Bande: die im Dunklen liegenden innereuropäischen
Verbindungen. Ein Polizist in Marseille, der seinem arabischen Ghettoimage
entfliehen will, eine britischen UN-Mitarbeiterin, die von ihrem Chef
drangsaliert wird, und der kriegstraumatisierte bosnische Diamantenjäger,
sie alle haben über mehrere Ecken miteinander zu tun, obwohl sie sich nicht
kennen. Sie teilen eine Vergangenheit: Sie wurden Zeugen und Komplizen von
brutaler Gewalt, die sich verselbstständigt hat, aber ursprünglich damit
begann, an ein bisschen Geld zu kommen.
## Wir alle wissen, dass Geld nicht alles ist
Im Film „Fargo“, Grundlage der Serie, sieht man in einer der letzten Szenen
die Polizistin im Auto mit dem kaltblütigen Auftragskiller Gaear sitzen,
der gerade eine Geisel erstickt, vier Unschuldige erschossen und seinen
Komplizen mit einer Axt ermordet hat, den er in Teile hackt und in einer
Holzhäckselmaschine zu Bluthäckseln verarbeitet, weil der ihm ein paar
Dollar von der Beute verweigert. Die Polizistin sagt zu dem Killer: „Es
gibt mehr im Leben als ein bisschen Geld. Wissen Sie das nicht?“
Wir alle wissen das. Und trotzdem wachen wir nicht jeden morgen auf und
fragen uns, warum wir jenes oder dieses machen, obwohl es doch mehr im
Leben gibt als ein bisschen Geld. Sollte man öfter tun. Bevor es zu spät
ist.
22 Jun 2017
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Serien
Die Couchreporter
Joel und Ethan Coen
Jugoslawien
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