# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Fiktion auf dem Smartphone | |
> In der norwegischen Serie „Skam“ begleitet man das Leben der Figuren in | |
> der Hartvig-Nissen-Schule in Echtzeit. Das Format ist erfrischend. | |
Bild: Noora, Vilde, Sana, Chris und Eva (v.l.n.r.) könnten kaum unterschiedlic… | |
„Mädchen, die andere Mädchen als ‚Schlampen‘ bezeichnen, stecken sich z… | |
Prozent wahrscheinlicher mit Chlamydien an.“ Diesen ikonischen Spruch haut | |
Noora in der ersten Folge von „Skam“ raus. Der Serientitel heißt übersetzt | |
„Scham“ und ist zugleich Leitmotiv der norwegischen Jugendserie von Julie | |
Andem. | |
Staffelweise wechselnd erzählt sie aus den Perspektiven ihrer Figuren vom | |
Erwachsenwerden. Erfrischend ist dabei nicht nur der Umgang mit Themen wie | |
sexualisierte Gewalt, Essstörungen, Homofeindlichkeit oder Rassismus – | |
sondern auch das Format selbst. | |
Im Jahr 2015 startete „Skam“ zunächst als Webexperiment. Anstatt | |
wöchentlich eine volle Episode auszustrahlen, setzte der Norwegische | |
Rundfunk (NRK) auf soziale Medien. Die Folgen erscheinen aufgeteilt als | |
kurze Videoclips über die Woche hinweg. Man begleitet das Leben der Figuren | |
in der Hartvig-Nissen-Schule sozusagen in Echtzeit. Aber das ist noch nicht | |
alles. | |
Die Facebook- und Instagram-Accounts oder Spotify-Playlisten der fiktiven | |
Charaktere existieren auch in den „realen“ sozialen Netzwerken und werden | |
parallel aktualisiert. Gibt es also Montags an der Schule Gossip über die | |
Party am Freitag, dann bekommen wir davon gleichzeitig mit. Chatnachrichten | |
werden nicht nur in den Folgen zum Mitlesen eingeblendet, sondern lassen | |
sich auf der Webseite der Serie nachlesen. All das schafft ungewohnte Nähe | |
zwischen Zuschauer_innen und Protagonist_innen. | |
Wieder zu ganzen Folgen zusammengefügt strahlt NRK „Skam“ mittlerweile | |
einmal die Woche im linearen Programm aus. Wem das konstante Dranbleiben | |
also zu mühselig ist, der kann sich einen Schritt von den Figuren entfernen | |
und aus gewohnter Distanz zuschauen. Für viele Fans machen aber gerade die | |
Multimedialität und die konstante Spannung den Reiz an der Serie aus. | |
## Suche nach Zugehörigkeit | |
Der Hype um die Serie ist groß. So groß, dass norwegische Jugendliche | |
inzwischen angefangen haben, jeden Clip umgehend auf Englisch zu | |
untertiteln und so ihre Lieblingsserie mit dem Rest der Welt zu teilen, | |
während diverse Länder noch mit NRK um die Rechte verhandeln. | |
Wie so oft versuchen sich die Macherinnen an einer authentischen Abbildung | |
ihrer diversen Figuren. Da ist etwa Eva, die bei ihrer alleinerziehenden | |
Mutter lebt. Seit dem Streit mit ihrer besten Freundin fühlt Eva sich | |
einsam. Auf ihrer Suche nach Zugehörigkeit lernt sie vier Mädchen kennen, | |
die unterschiedlicher nicht sein könnten. | |
Die schlagfertige und selbstständige Feministin Noora lebt als Einzige | |
schon in einer WG. Die taffe Sana weiß auf fast alles eine Antwort und | |
könnte mit ihrem dunklen Make-up und ihrer schwarzen Kleidung direkt aus | |
einem Berliner Szeneclub laufen – wäre sie nicht erst 16 und trüge sie | |
nicht einen Hidschab. Und der wird nicht nur an Clubeinlässen zum | |
Ausschlusskriterium. Für Chris wiederum schließen sich Selbstbewusstsein | |
und Dicksein so gar nicht aus. Und während Vilde zunächst an die Karikatur | |
der Oberstufenzicke erinnert, überrascht auch sie immer wieder. | |
Ob das mit den Chlamydien so stimme, fragt Eva Noora bei ihrem ersten | |
Gespräch. „Nein“, grinst Noora, mit der sie bald befreundet ist, „aber es | |
wäre cool, wenn es so wäre.“ | |
31 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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