| # taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Harry und Sally mit Chlamydien | |
| > Freunde, die sich zeitverzögert ineinander verlieben – davon erzählt die | |
| > Netflix-Britcom „Lovesick“. Mit Humor, der immer etwas over the top ist. | |
| Bild: Evie (Antonia Thomas), Dylan (Johnny Flynn) und Luke (Daniel Ings) | |
| Das Lustigste an dieser kleinen Britcom, also einer Sitcom aus | |
| Großbritannien, ist der Originaltitel. „Scrotal Recall“ hieß diese Serie | |
| ursprünglich (zu Deutsch etwa „Hoden-Rückruf“), als sie noch auf Channel 4 | |
| lief, was sogar der Hauptdarstellerin Antonia Thomas (Evie) etwas peinlich | |
| war. Aber der Titel zeigt schon irgendwo die Richtung an, die „Lovesick“ | |
| (so heißt die Serie, seitdem sie bei Netflix gelandet ist) nimmt: Es geht | |
| um Dylan, dem Chlamydien diagnostiziert werden, und der sich deswegen auf | |
| die Suche nach der Wirtin machen muss – sprich, alle Sexpartnerinnen der | |
| letzten vier bis fünf Jahre abklappern. Logisch, dass die Serie da mit | |
| Rückblenden arbeitet. Jede Folge erzählt die Geschichte einer Frau. | |
| Das ist vielleicht ein bisschen wie schon mal gesehen oder gehört. „High | |
| Fidelity“ fällt einem dabei ein, es gibt auch den Sidekick Luke, der an | |
| Barney aus „How I Met Your Mother“ erinnert, also der witzige Aufreißertyp | |
| mit dem Herzen am rechten Fleck. Und die wesentliche Geschichte ist die | |
| zwischen Dylan und Evie, die erst zusammen wohnten, dann aber – schlechtes | |
| Timing – sich zeitverzögert ineinander verknallen. Eine | |
| Harry-und-Sally-Geschichte! Wie sie, das sei gleich dazu gesagt, das Leben | |
| eben nicht allzu oft schreibt. Da scheitern Freundschaften gern einmal an | |
| plötzlich einsetzenden Begehrlichkeiten. Mit denen rechnet man nämlich | |
| nicht. | |
| Mit Chlamydien rechnet man genauso wenig wie mit der einen oder anderen | |
| Wendung. Natürlich gibt es eine Hochzeit, gleich in der ersten Folge, denn | |
| auch in britischen Fernsehproduktionen haben Hollywood und die | |
| klischeeromantische Ideologie längst Einzug gehalten, aber genauso | |
| natürlich fällt bald alles in sich zusammen. | |
| Der Humor ist witzig, siehe Ursprungstitel, schön englisch und immer gern | |
| etwas over the top. Die Musik ist sehr gut, das Setting charmant, kein | |
| Studiogelächter, insgesamt eher was für Twens, aber die sind ja die neuen | |
| Thirtysomethings. Oder war es umgekehrt? | |
| Und um die Liebe geht es ja überall, in allen Facetten. „Lovesick“ nimmt | |
| sich da nicht allzu wichtig, Erklärung hat die Serie keine, neue | |
| Liebesmodelle werden eher en passant behandelt, das Wort Polyamorie ist | |
| hier noch ein Fremdwort. „Lovesick“ verhält sich da ein wenig wie | |
| „Friends“, es geht nämlich viel um Freundschaft, um Loyalität, weniger um | |
| Treue. Es ist nur weniger posh und hat keinen zentralen Ort wie das Central | |
| Perk, sondern spielt einfach irgendwo in England (könnte London sein oder | |
| Hull). | |
| Die sechs kurzen Folgen der ersten Staffel hat man an einem Abend | |
| weggeguckt. Eine zweite ist auch schon gelaufen, sie nimmt den Turn in die | |
| Gegenwart, heißt: anlaufende Beziehungskiste zwischen Dylan und Evie, | |
| gleicht also dann eher „Love“, der Kalifornien-Variante, die etwas kranker | |
| daherkommt, dafür aber am „attractivity gap“ zwischen Protagonist und | |
| Protagonistin leidet. Ha, was man hier alles für Begriffe lernt! Zum | |
| Beispiel Chlamydien, was ist das überhaupt? Googeln Sie bitte selbst. | |
| Netflix hat übrigens Signal gegeben, dass man weiter auf regionale Produkte | |
| setzt. Heißt, „Lovesick“ hat das Biosiegel für UK und halb Europa und kom… | |
| bald in die dritte Staffel. Starttermin steht noch nicht fest. Zeit aber | |
| ist in Zeiten der immer offenen Medienbibliotheken sowieso sehr relativ. | |
| 9 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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