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# taz.de -- Österreichs Bundeskanzler Christian Kern: „Wir waren immer Avant…
> Warum sind europäische Mitte-links-Parteien in der Krise? Österreichs
> Bundeskanzler Christian Kern sagt: Uns ist der Gesellschaftsentwurf
> abhandengekommen.
Bild: Bundeskanzler Christian Kern, im Hintergrund Pressesprecher Nikolai Moser
Wien, Dienstagmorgen, es sind schon 30 Grad in der österreichischen
Hauptstadt. Bundeskanzler Christian Kern kommt uns im Poloshirt entgegen:
„Soll ich für die Fotos einen Anzug anziehen?“ Der taz reicht das Shirt.
Mit Kern, der 2016 Werner Faymann ablöste, hatte die SPÖ wieder einen
populären Kanzler. Das Problem: Seit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP)
seine Kandidatur angekündigt hat und auf der rechtspopulistischen Klaviatur
spielt, liegt er in den Umfragen zur Wahl im Oktober vorne. Die SPÖ hat
deshalb am Donnerstag vorzeitig ihren Wahlkampf gestartet. Schwerpunkt:
soziale Themen.
taz.am wochenende: Herr Kern, die Sozialdemokratie ist in der Krise. In
Frankreich hatten die Sozialisten bei der letzten Wahl noch 7 Prozent, die
Sozialdemokraten in den Niederlanden knapp 6, in Deutschland 26. Warum?
Christian Kern: Die klassischen Bindungen und Milieus lösen sich auf. Diese
Entwicklung haben wir – und damit meine ich die sozialdemokratischen
Bewegungen in Europa – viel zu lange ignoriert. Ich habe kürzlich mit einer
großen Runde von Betriebsräten eines Stahlwerks zusammengesessen. Wenn du
die fragst: „Wer von euch fühlt sich als Arbeiter?“, hebt kaum einer die
Hand in die Höhe. Obwohl sie sozialrechtlich als Arbeiter eingestuft sind.
Die verdienen gut, sind Maschinenbauer, Schlosser, Mechatroniker,
Elektriker. Sie haben andere Erwartungen an Politik als noch das klassische
Arbeitermilieu. Es gibt keine Bestandsgarantien für sozialdemokratische
Parteien. Deshalb müssen wir uns ernsthaft mit der Frage beschäftigen: Wie
können wir die Idee, dass alle Menschen das Recht auf ein glückliches Leben
und gleiche Rechte haben, wieder in moderne Politik gießen?
Die Politik von Tony Blair und Gerhard Schröder war doch ein Versuch, auf
diese Veränderungen zu reagieren. Aber das war langfristig auch nicht
erfolgreich.
Wir leben in Zeiten großer Veränderungen. Deren Treiber sind Globalisierung
und Technologieentwicklung. Sozialdemokraten sind immer daran gemessen
worden, ob wir einen gesellschaftlichen Gesamtentwurf präsentieren – und
der ist uns abhandengekommen. Konservative Parteien hatten es da immer
einfacher. Die kommen mit weniger durch.
Die Globalisierung hat zwar in der Summe weltweit alle reicher gemacht,
aber die unteren Mittelschichten in Europa haben verloren. Die
Technologieentwicklung hat dieselben Auswirkungen: Bisher gab es die
Konkurrenz zum chinesischen, vielleicht osteuropäischen Fabrikarbeiter,
jetzt ist der Roboter die Konkurrenz. Die Sozialdemokratie war immer
gesellschaftliche Avantgarde. Wir Sozialdemokraten müssen uns heute an die
Spitze der Veränderungen stellen. Wenn das nicht gelingt, werden wir
ersetzbar.
Deutsche Sozialdemokraten bekommen glänzende Augen, wenn sie an Österreich
denken, vor allem wegen der weit sozialeren Wohnungs- und Rentenpolitik.
Dennoch haben 2016 bei den Präsidentenwahlen 72 Prozent der Arbeiter den
FPÖ-Kandidaten gewählt. Warum?
Wir haben in den letzten 13 Monaten versucht, genau hier anzusetzen. Ich
will Sie nicht mit österreichischem Lokalkolorit langweilen, aber wir haben
zuvor zehn Jahre lang die Stipendien für Kinder sozial schwacher Familien
nicht erhöht. Das haben wir jetzt gemacht. Wir haben jetzt versucht, den
über 50-Jährigen zusätzliche Beschäftigungsperspektiven zu geben.
Die Neoliberalen haben Zornesfalten im Gesicht bekommen, weil wir gesagt
haben: Wenn der Markt das nicht tut, dann sorgen wir dafür, dass Menschen
über 50 Jobs bekommen. Wir kümmern uns um Wartezeiten für medizinische
Untersuchungen und viele andere konkrete Fragen, die das Leben der
Mittelschicht besser machen.
Und die Betroffenen wählen dann SPÖ?
Das vermag ich nicht zu prognostizieren. Aber die Kritik „Ihr tut’s nix
für die Arbeiter“ ist vorbei. Im Moment setzt die rechte Seite
ausschließlich auf das Flüchtlingsthema. Das ist der Versuch, den Ärmsten
zu erklären, dass die Allerärmsten an ihrem Schicksal schuld sind. Wir
Sozialdemokraten müssen in der Migrationsfrage Lösungen schaffen, aber wir
werden nie mit dem Finger auf die zeigen, die da sind und sagen: Du bist
schuld an unserem Unglück. Es ist bemerkenswert, wie sich das ganze
Spektrum mit der Migrationswelle nach rechts verschoben hat.
Auch die SPÖ hat sich in der Flüchtlingsfrage nach rechts bewegt. Sie
halten eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen für richtig,
37.500 pro Jahr in Österreich. In Deutschland will so etwas nur die CSU.
Diese Obergrenzendiskussion ist eine rein symbolische. So wie ich es sehe,
auch in Deutschland.
Finden Sie die Obergrenze falsch?
Die Solidarität erodiert. Viele sagen, wir sind nicht mehr bereit,
Flüchtlinge mitzufinanzieren. In diesem Diskurs hat das linke und
linksliberale Spektrum keine Hoheit. Wir können aber argumentieren: Wir
haben humanitäre Verpflichtungen, die wir bis an die Grenzen unserer
Möglichkeiten erfüllen. Wir sind aber nicht bereit, über diese Grenzen
hinauszugehen.
Das sind diese 37.500?
Ja. Aber unser Ziel muss vor allem sein, die Integration derer, die da
sind, zu schaffen, die Migration von Wirtschaftsflüchtlingen auf null zu
reduzieren und die Menschen, die illegal da sind, so rasch wie möglich
wieder in ihre Herkunftsländer zu bekommen.
Warum sagen Sie nicht: Migration in großer Zahl ist ein Problem, aber wir
werden es kurzfristig nicht völlig lösen können, zumindest nicht in
moralisch befriedigender Weise?
Das habe ich mehrfach getan. Aber dann bekommst du sofort den Vorwurf: Ihr
verfolgt einen Zickzackkurs. „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ ist
ein Satz, über dessen Richtigkeit ich mittlerweile ernsthaft sinniere.
Viele wollen hören: „Wir schließen die Mittelmeerroute.“ Punkt. Obwohl
niemand weiß, wie das von heute auf morgen gehen kann, ohne dass wir unsere
moralischen Werte mit Füßen treten. Kein vernünftiger Mensch will illegale
Migration über das Mittelmeer, aber es gibt kein Patentrezept, sie von
heute auf morgen zu stoppen.
Wie könnte es denn funktionieren?
Wir brauchen Verfahrenszentren in Afrika, wo man in geordneter Form
Asylanträge stellen kann. Wir brauchen in den Transitländern eine
funktionierende Küstenwache. Wir brauchen eine sinnvolle Verteilung. Wir
brauchen vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern.
Das sagt sich leicht. Aber das bedeutet auch, uns über die Handelspolitik
Europas den Kopf zu zerbrechen. Wir haben einen Beitrag dazu geleistet,
dass die Lebensgrundlagen in diesen Ländern zerstört werden. Beispiel
Nigeria: Einer der größten Fleischproduzenten Afrikas ist heute
Fleischnettoimporteur, weil es billiger ist, aus den USA und Europa Fleisch
dorthin zu schaffen.
Der Politologe Wolfgang Merkel spricht von Kosmopoliten und
Kommunitaristen. Kosmopoliten hätten mit der Globalisierung gute
Erfahrungen gemacht und verstünden jene nicht, die gegen unbeschränkte
Migration sind. Bei den Kommunitaristen sei es umgekehrt. Muss man auf
beide Seiten einwirken, damit sie die Sicht der anderen noch verstehen?
Im Grunde kann es nur eine Antwort geben. Wir Sozialdemokraten müssen uns
damit beschäftigen, wie wir Wohlstand schaffen können, nicht nur für die
nächsten zehn Jahre. Wir müssen Digitalisierung und Globalisierung als
Chance begreifen und dafür sorgen, dass unsere Länder erfolgreiche
Ökonomien werden. Wir können nicht mit der Verteilungsfrage beginnen. Aber
wenn wir erfolgreich sind, geht es um die Frage, wer von dem Wohlstand
profitiert.
Das sozialdemokratische Zeitalter ist nicht zu Ende, es hat gerade
begonnen. Die Digitalisierung führt zur größten Umverteilung in der
Geschichte – aber von unten nach oben, wenn wir sie nicht aktiv gestalten.
Plötzlich treten Leute wie Bill Gates für ein bedingungsloses
Grundeinkommen ein …
… weil die Digitalisierung viele Arbeitsplätze kosten wird und ein
Grundeinkommen nötig werden könnte, um die ohne Beschäftigung bei Laune zu
halten.
Am Ende werden wieder mehr Arbeitsplätze entstehen. Das Problem ist die
Übergangsphase. Du wirst aus einer Verkäuferin nicht gleich eine
Raketenwissenschaftlerin machen können. Und aus einem Buchhalter nicht so
leicht eine Pflegekraft, wenn er mal ein gewisses Alter hat. Für diese
Übergangsphase werden wir uns gute Konzepte überlegen müssen.
Wir haben zum Beispiel jetzt neue Angebote für die Requalifikation unserer
Facharbeiter geschaffen. Wenn du Schmied bist und feststellst, Mechatronik
ist angesagt, vergeben wir Stipendien. Im Moment funktioniert das wegen der
hervorragenden Konjunktur schon ganz gut, aber wir brauchen in einem
Zeitraum von zehn Jahren grundlegende Antworten auf diese Fragen.
Befürworten Sie denn das Grundeinkommen?
Nein, aber ich finde die Diskussion über Alternativen richtig. Wir haben
unseren Sozialstaat bisher vor allem über die Lohnquote finanziert. Und
diese Lohnquote sinkt in Deutschland und Österreich, gemessen am
Volkseinkommen, schon seit den Siebzigern und wird dramatisch weitersinken.
Darauf werden wir eine Antwort brauchen. Die Roboterisierung ist Realität,
wir stehen erst am Beginn der Entwicklung.
Sie haben eine Wertschöpfungsabgabe gefordert, womit die Sozialbeiträge von
Unternehmen nicht mehr an die Zahl der Beschäftigten gekoppelt wären. Damit
sinkt der Anreiz, Beschäftigte durch Roboter zu ersetzen.
Wir brauchen eine Finanzierung unseres Gemeinwesens, die nicht so stark auf
Lohnsteuern und -abgaben setzt. In Italien gibt es eine solche
Wertschöpfungsabgabe schon, Teile des Sozialstaats werden so finanziert.
Wir würden sie gerne auch in Österreich einführen und einmal probieren,
welche Auswirkungen das hat. Dabei ist die Balance zu wahren: Die
Steuerbelastung insgesamt muss sinken …
… auch für Unternehmen?
Auch für die Unternehmen. Wir dürfen deren Steuerbelastung angesichts des
Wettbewerbs nicht steigern. Aber dann ist die Frage, wer die
Verpflichtungen einer Gesellschaft trägt. Wenn man Arbeitseinkommen
entlasten will, geht das über Ökosteuern, über Vermögensteuern oder über
die Wertschöpfungsabgabe. Diese drei Möglichkeiten gibt es.
Das begeistert weder ÖVP noch FPÖ.
Nein, das wird diffamiert. Die Konservativen sagen dann: Die Roten wollen
die Steuern erhöhen. Das stimmt einfach nicht. Aber es ist eine wirksame
Erzählung, weil natürlich auch die Vermögenden in Österreich Interessen
haben. Mit dem Vorschlag einer Erbschaftsteuer begeistern Sie die
österreichische Oberschicht höchst peripher.
Kann man so eine Debatte in der Sozialdemokratie international führen? Im
Moment bleibt der Eindruck: Die Globalisierung geht so schnell voran, dass
die sozialdemokratischen Parteien kaum hinterherkommen.
Es ist weniger eine Immobilität im Denken, es sind eher die
unterschiedlichen Interessenlagen, die uns behindern. Wir sind zum Beispiel
für einen stärkeren Schutz unserer Wirtschaft: Wenn Investoren aus dem
Ausland unsere Firmen übernehmen, in die wir zuvor Hunderte Millionen Euro
Forschungsgelder gesteckt haben, so wie das in Deutschland bei dem
Maschinenbauer Kuka geschehen ist, wollen wir genau wissen, wer die neuen
Eigentümer sind und was die mit der Technologie und den Jobs vorhaben.
Wenn du das mit den Portugiesen diskutierst, die gerade an chinesische
Investoren Teile ihrer Infrastrukturunternehmen verkauft haben, sind die
nicht so begeistert wie die französischen Freunde. Bei der
Entsenderichtlinie bin ich mit Martin Schulz und Emmanuel Macron einig, was
eine Verschärfung angeht: gleicher Lohn für die gleiche Arbeit auch für
EU-Ausländer. Gleichzeitig wehren sich Bohuslav Sobotka aus Tschechien und
Robert Fico aus der Slowakei dagegen. Bei der Digitalisierung bin ich mir
aber sicher, dass wir uns finden werden. Die Wucht dieser Entwicklung ist
nicht ignorierbar.
Die SPÖ hat den Abschied von der Vranitzky-Doktrin eingeleitet, eine
Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene ist nicht mehr kategorisch
ausgeschlossen. Warum?
Wir haben zuvor Wahlkämpfe geführt, die sich darin erschöpft haben, zu
sagen, wir sind gegen die, bitte wählt uns. Jetzt versuchen wir, einen
anderen Weg zu gehen. Wir haben am Donnerstag ein Wahlprogramm mit 200
Seiten beschlossen. Vielleicht werden das nur wenige lesen. Aber es ist der
Versuch, auf gesellschaftliche Herausforderungen klare Antworten zu geben.
Wir suchen in der besten Tradition von Bruno Kreisky Menschen, die ein
Stück des Weges mit uns gehen, und dann politische Konstellationen, die uns
bei der Umsetzung unterstützen. Ich habe meine größten Zweifel, dass das
mit der FPÖ machbar wäre.
Warum?
Nehmen wir das Thema Erbschaftsteuer, wozu die FPÖ als Vertreter der Haus-
und Großgrundbesitzer eine andere Meinung hat als wir. Dabei haben sich die
Freiheitlichen immer als die Partei des kleinen Mannes hingestellt. Wir
haben ein Angebot, um die Mittelschichten in Österreich zu stärken. Da wird
man sehen, dass die FPÖ auf 90 Prozent der Politikfelder kein Interesse
hat, die Mittelschicht zu stärken. Wir müssen die Auseinandersetzung mit
der FPÖ stärker inhaltlich führen als in der Vergangenheit.
Wie würden Sie die FPÖ denn einstufen? Als konservativ, rechtspopulistisch
oder rechtsextrem?
Mit Sicherheit rechtspopulistisch. Man muss aber sehen, dass die
Rechtspopulisten bei Wahlen in Europa gerade verlieren, aber parallel dazu
Parteien wie CSU oder ÖVP weiter nach rechts gehen. Daher unterscheidet
sich unser alter Koalitionspartner ÖVP in der Migrationsfrage von der
FPÖ nicht mehr allzu sehr.
Also wären Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP auch schwierig?
Das glaube ich auch. Aber Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden.
Wie erklären Sie sich das Phänomen Sebastian Kurz?
Das ist hervorragendes Politikmarketing. Und das Surfen auf der
Antiflüchtlingswelle.
Er hat die alte ÖVP über den Haufen geworfen und eine Art Bewegung
gegründet, die Liste Kurz. Ähnlich wie Macron. Die alten Parteien außer
Acht zu lassen und selbst ernannte Bewegungen zu gründen – ist das eine
Voraussetzung, um heute politisch erfolgreich zu sein?
Macron hat ja wirklich etwas Neues gemacht. Bei der ÖVP geht es nach dem
Motto „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich fast nix“. Natürlich
entsteht der Eindruck: Je weniger Partei, desto besser. Aber auch Macron
hat nach seinem Wahlerfolg eine Partei gegründet.
Und Sie gründen keine „Liste Kern“?
Nein. Der springende Punkt ist: Ich will gar nicht den Eindruck machen,
dass wir neu sind. Wir sind nämlich nicht neu. Wir haben seit 128 Jahren
einen Wertekanon, den wir auf die Herausforderungen der Zeit anwenden. Der
PR-Gag der Liste Kurz wird vielleicht noch ein paar Monate wirken. Aber die
Ernüchterung darüber wird sehr schnell einsetzen.
Kurz kann an Parteiapparaten vorbeiagieren. Beneiden Sie ihn nicht?
Nicht im Geringsten. In den 13 Monaten, seitdem ich Kanzler bin, hat mich
eine Geschichte am meisten berührt. Das war, als ich am 1. Mai in Wien die
Hauptrede gehalten habe. Du stehst dort oben und schaust auf ein Meer von
Menschen, 100.000 waren an dem Tag dabei. Das sind völlig unterschiedliche
Menschen, ganz andere Lebenshorizonte, ganz andere Biografien. Aber alle
miteinander brennen für dieselben Ideen und kämpfen für das Prinzip
Gerechtigkeit. Und wenn du das Privileg hast, Teil einer solchen wirklichen
Bewegung zu sein, ist das etwas, worauf du unglaublich stolz bist.
Sie haben ein Mehrheitswahlrecht vorgeschlagen. Warum?
Ich halte es für richtig, Richtungsentscheidungen zu treffen, das Land klar
zu positionieren. Einen Plan für Österreich vorzustellen und den auch
umsetzen zu können. In Koalitionsregierungen mit zwei großen Parteien ist
das sehr viel stärker ein Ausbalancieren. Das war die Erfolgsgeschichte
Österreichs und auch gut so. Aber die Zeit hat sich geändert. Wenn die
Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft so dramatisch und so schnell
sind, muss sich auch das politische System anpassen.
Sie riskieren, dass die FPÖ gewinnt.
Die Sorge hatte ich nie, aber rein hypothetisch könnte das so sein.
Margaret Thatcher hätte ihren Sozialabbau ohne ein Mehrheitswahlrecht nie
umsetzen können, weil man für ein solches Programm bei einem
Verhältniswahlrecht keine Mehrheit bekommt. Den Sozialstaat in Österreich
hat bislang auch das Wahlrecht gesichert.
Aber wenn wir ein Programm umsetzen wollen, das auf soziale Komponenten
und die Modernisierung Österreichs setzt, braucht es auch klare Mehrheiten.
Nehmen wir die Debatte über ein anderes Steuersystem. Wir müssen Arbeit
entlasten, an den richtigen Stellen sparen und zugleich andere
Einnahmequellen erschließen. In den bisherigen Regierungskonstellationen
war das denkbar schwierig.
Was machen Sie, wenn die Wahlen im Oktober schiefgehen?
Unser Parteigründer Victor Adler hat einmal gesagt, er sei Optimist.
Erstens, weil das sein Wesen sei, und zweitens, weil ohne Optimismus nichts
Großes gelingen könne. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir auch nach
den Wahlen eine sozialdemokratisch geführte Regierung in Österreich haben
werden.
Wir könnten noch einen guten Bahn-Chef in Deutschland gebrauchen.
Der aktuelle macht es schon gut.
8 Aug 2017
## AUTOREN
Martin Reeh
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