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# taz.de -- Türkischstämmige Österreicher: Der Doppelpass-Verdacht
> Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Österreich nicht erlaubt. Die
> rechtspopulistische FPÖ behauptet, Zehntausende hätten sie trotzdem.
Bild: Nach dem türkischen Verfassungsreferendum kochte die Doppelpass-Debatte …
Wien taz | Werden illegale Doppelstaatsbürger Österreichs Nationalratswahl
am 15. Oktober entscheiden? Die rechtspopulistische FPÖ drängt jedenfalls
darauf, dass die Behörden noch vor der Wahl jene Personen aus der Liste der
Wahlberechtigten streichen, die sich nach ihrer Einbürgerung
unzulässigerweise den Pass ihres Ursprungslandes zurückgeholt haben.
Am 17. Mai hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache dem Innenministerium eine
Liste von rund 100.000 Namen von Wahlberechtigten übergeben, bei denen
dieser Verdacht bestehen soll. Derzeit spricht die FPÖ von 20.000
Verdachtsfällen.
Die Diskussion über Doppelstaatsbürgerschaften war im vergangenen April
hochgekocht. In Österreich lebende Türken hatten bei einem Referendum
gerade den umstrittenen Verfassungsänderungen von Präsident Recep Tayyip
Erdoğan zu 73 Prozent zugestimmt. Das ist nicht nur weit höher als bei den
türkischen Communitys in anderen EU-Staaten – sondern auch eine deutlich
höhere Zustimmungsrate als in der Türkei selbst. In Österreich wurde das
allgemein als Zeichen für mangelnde Integration gedeutet.
Wenige Tage nach dem Referendum erklärte Peter Pilz, damals Abgeordneter
der Grünen, ihm sei eine Liste mit 107.877 Namen zugespielt worden, aus der
hervorgehe, dass Tausende türkischstämmige Österreicher einen illegalen
Zweitpass besäßen. Es dürfte sich um dieselbe Liste handeln, die später
auch der FPÖ vorlag.
## Ausnahmen für Kinder
Pilz wollte diese Namen nicht öffentlich machen, solange keine Garantie
bestehe, dass Unschuldige nicht verfolgt werden. FPÖ-Chef Strache warf ihm
vor, zu verschleiern, dass sich zahlreiche Grüne und SPÖ-Abgeordnete auf
der Liste befänden.
Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Österreich grundsätzlich nicht
erlaubt. Es gibt aber eine Reihe von Ausnahmen, allen voran Personen aus
Kunst und Wissenschaft wie die Opernsängerin Anna Netrebko, an deren Arbeit
im Land öffentliches Interesse besteht.
Weitere Ausnahmen gelten für Kinder, deren Eltern bei der Geburt
unterschiedliche Staatsbürgerschaften besaßen. Die müssen sich in der Regel
mit Vollendung des 18. Lebensjahres für eine der Staatsbürgerschaften
entscheiden. Wird jemand eingebürgert, muss er oder sie die alte
Staatsbürgerschaft zurücklegen. Es gibt aber zahlreiche Länder, darunter
die Türkei, die danach unbürokratisch den alten Pass zurückgeben. Medien
berichteten, dass auf türkischstämmige Bürger dahingehend regelrecht Druck
ausgeübt werde.
Das Innenministerium sei für die Vollziehung des Staatsbürgerschaftsrechts
nicht zuständig, so dessen Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Das Ministerium
habe daher die Datensätze an die zuständigen Landesregierungen
weitergeleitet. Ein vom Innenministerium beauftragter Gutachter, der
Wahlrechtsexperte Gerhard Strejcek, erklärte am Mittwoch im Radio Ö1, dass
Massenstreichungen vermeintlicher Doppelstaatsbürger nicht ohne Weiteres
möglich seien. Für jede Streichung müsse ein eigener Antrag gestellt
werden, jeder Fall sei einzeln zu prüfen.
## Konkrete Verdachtsfälle melden
Werner Sedlak, Leiter der zuständigen Abteilung in Wien, bestätigt, dass
nach einem Bereinigungsverfahren rund 18.500 Namen auf der Liste
übriggeblieben seien. Denen würde jetzt nachgegangen. Die türkischen
Behörden gäben keine Auskunft, deshalb seien sie auf Hinweise von anderen
Behörden und Zeugenaussagen angewiesen. Insgesamt würden jährlich zwischen
600 und 700 Feststellungsverfahren eingeleitet, sagt Sedlak: „Und das
betrifft keinesfalls nur Türken.“
Wie überführt man aber jetzt einen Doppelpassträger? FPÖ-Chef Strache hatte
vor dem Türkei-Votum angeregt, man solle den türkischen Wahlberechtigten
vor den Konsulaten auflauern. Das wies Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)
damals zurück. Jedermann kann den Behörden aber konkrete Verdachtsfälle
melden. Die müssen binnen vier Tagen überprüft werden. Sollte sich der
Verdacht als stichhaltig erweisen, dann wird der Verlust der
österreichischen Staatsbürgerschaft festgestellt. Der tritt nämlich
automatisch ein.
Im vergangenen Jahr hatte die FPÖ, deren Kandidat knapp unterlegen war, die
zweite Runde der Bundespräsidentenwahl wegen kleinerer Unregelmäßigkeiten
erfolgreich angefochten. Doch sowohl Experte Strejcek als auch der
Verfassungsrechtsprofessor Theo Öhlinger halten es aber für wenig
aussichtsreich, eine Wahl wegen unerlaubter Doppelstaatsbürgerschaften
anfechten zu wollen. Öhlinger: „Die Zahl ist wohl kaum so groß, dass sie
für die Frage der Zuteilung eines Mandats eine Rolle spielen könnte.“
10 Aug 2017
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
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