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# taz.de -- Wahl in Österreich: Die Liste mit dem Glamourfaktor
> Die Opernballorganisatorin, eine Ex-Stabhochspringerin und andere
> Quereinsteiger: ÖVP-Chef Kurz setzt bei der Bundesliste auf Promis.
Bild: ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz
Wien taz | Am Montag um Mitternacht endete die Frist für die Einreichung
der Bundeslisten für die auf 15. Oktober vorgezogenen Wahlen in Österreich.
Besonders auffällig ist die von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der von seiner
Vollmacht bei der Listenerstellung großzügig Gebrauch gemacht hat. Außer
ihm selbst hat keiner der Auserwählten je auf einer ÖVP-Liste kandidiert.
Der künftige Nationalrat wird nicht nur jünger sein als der bisherige – er
wird sich wohl auch durch einen gewissen Glamourfaktor auszeichnen.
Jüngste Kandidatin ist die 24-jährige ehemalige Stabhochspringerin Kira
Grünberg, die gleichzeitig auf der Bundesliste und als Spitzenkandidatin in
Tirol antreten wird. Sehr zum Groll des lokalen Arbeiter- und
Angestelltenbundes (AAB): „Wir vertreten zwei Drittel der ÖVP-Wähler“,
protestierte dessen Chefin. Früher war der AAB auf einen Fixplatz für ein
Mandat abonniert. Damit ist Schluss, seit Kurz der alten Tante ÖVP ein
hippes Image verpasst.
Auf dem Stimmzettel steht nicht mehr ÖVP, sondern „Liste Sebastian Kurz –
die neue Volkspartei“. Die dröge Parteifarbe Schwarz wurde durch Türkis
ersetzt. Und statt Parteisoldaten, die nach der Ochsentour mit einem Mandat
belohnt werden wollen, sollen prominente Quereinsteiger die Konservativen
im Parlament vertreten. Kira Grünberg, die seit einem Trainingsunfall im
Rollstuhl sitzt, soll als künftige Behindertensprecherin ihre Erfahrungen
mit Barrierefreiheit einbringen.
Als Wissenschaftssprecher ist der Mathematiker Rudolf Taschner vorgesehen.
Der hat nicht nur sehr erfolgreiche populärwissenschaftliche Bücher
publiziert, sondern sich auch mit einer wöchentlichen Kolumne in der
Tageszeitung Die Presse einen Namen gemacht. Das könnte im Wahlkampf noch
peinlich werden, wenn der politische Gegner Taschners Plädoyer für
körperliche Züchtigung als „Gewitter mit dem kurzen, reinigenden Schmerz“
ausgräbt.
## Kritik an der blamablen Klimabilanz
Seine Kollegen in der Wissenschaft werden ihm vorhalten, dass er die
Warnungen vor dem Klimawandel mit den Worten abqualifiziert hat, diese
seien ein „risikoloses – wer wird eine Klima-Kassandra in hundert Jahren
zur Rechenschaft ziehen? – und außerordentlich profitables Geschäft“. Das
SPÖ-nahe [1][Kontrast-Blog] tat es schon nach seiner Nominierung.
Und Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Grünen, nützte den Moment für
eine Kritik an der blamablen Klimabilanz der Regierung: „Jetzt auch noch
den deklarierten Klimawandel-Leugner Rudolf Taschner als Kandidat für den
ÖVP-Wissenschaftssprecher zu nominieren, ist eine Verhöhnung der Opfer des
Klimawandels. Mit diesem Kandidaten treibt Kurz seine Klima-Ignoranz auf
die Spitze.“
Der ehemalige Rechnungshof-Präsident Josef Moser, einstiger Vertrauter von
Jörg Haider und Klubdirektor der FPÖ, soll nicht nur Kurz’ Forderungen nach
einem schlanken Staat Glaubwürdigkeit verleihen, sondern wohl auch frühere
FPÖ-Wähler umgarnen.
Mit dem ehemaligen Grün-Politiker Efgani Dönmez, einem in der Türkei
geborenen Islamkritiker, deckt Kurz den in seinem Wahlkampf zentralen
Bereich Integration und Zuwanderung ab. Der Wiener
Landespolizei-Vizepräsident Karl Mahrer steht für die vom ÖVP-Chef offensiv
vertretene Law-and-Order-Politik.
## Frauen besetzen die Hälfte der Listenplätze
Für die Liste nutzt Kurz das sonst nur bei den Grünen angewandte
Reißverschlusssystem, sodass Frauen die Hälfte der Listenplätze besetzen.
Neben der Opernballorganisatorin Maria Großbauer kandidieren mehrere
ehemalige Schönheitsköniginnen, die in neckischen Posen mit dem Parteichef
zum Fotoshooting antraten.
Der Konkurrenz bleibt nur Fassungslosigkeit. SPÖ-Bundesgeschäftsführer
Georg Niedermühlbichler setzte sich gehörig in die Nesseln, als er sich von
Kurz’ Liste zu einem Machospruch hinreißen ließ: „Bleibt zuletzt die Frag…
welche politischen Konzepte eine Miss Burgenland, eine Ex-Miss-Austria und
eine Weinkönigin einbringen können.“ Niedermühlbichler musste daraufhin
wegen frauenfeindlicher Äußerungen Selbstkritik üben – und konnte doch
nicht den erzürnten Parteiaustritt der prominenten Psychotherapeutin
Rotraud Perner verhindern.
Positiver sehen das die Medien: So heißt es in der österreichischen
Tageszeitung Die Presse, die meisten Kandidaten des 31-jährigen Kurz seien
„taktisch gut gewählt. Sie stehen für eine simple politische Botschaft“.
Trotzdem heißt es: „Quereinsteiger sind ein kurzfristiger Stimmenmagnet,
aber kein politischer Erfolgsgarant.“
29 Aug 2017
## LINKS
[1] http://www.kontrast-blog.at/rudolf-taschner-oevp-nationalratswahl
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
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