# taz.de -- Internet im ländlichen Niedersachsen: Millionen für schnelleres N… | |
> Niedersachsen investiert 120 Millionen für den Breitbandausbau in | |
> ländlichen Regionen. Der FDP-Opposition ist das nicht innovativ genug. | |
Bild: Noch viel zu tun auf dem Land: Ein Arbeiter verlegt Glasfaserkabel. | |
HANNOVER taz | Internetmäßig ist Elvershausen tot. Nur rund 700 Einwohner | |
leben in dem niedersächsischen Örtchen. Und ob bei denen ein gestreamter | |
Film ruckelt, hängt davon ab, wie weit sie von der Ortsgrenze entfernt | |
wohnen. „Direkt dort, wo das DSL in den Ort kommt, schafft es zehn | |
Megabit“, sagt Christian Pryor. Der Softwareentwickler lebt mit seiner | |
Familie in Elvershausen – aber leider ein paar Häuser weiter. „Da kommen | |
vielleicht noch sieben Megabit an.“ Das ist nervig. Richtig ärgerlich aber | |
ist die schlechte Internetverbindung für die Firma seiner Familie. | |
Der Unternehmenssitz stehe zwar am Ortseingang, die schwache Leitung sei | |
trotzdem ein Problem, sagt Pryor. Die Firma Color Lite entwickelt | |
Farbmessgeräte für die Industrie. Die zwanzig Mitarbeiter, die hier an | |
moderner Technik arbeiten, können nicht einmal online Back-Ups machen, weil | |
die Datenmengen zu groß sind. „Deshalb müssen wir jeden Tag manuell | |
Festplatten rumtragen“, sagt Pryor. Zudem müsse eine externe Firma ihre | |
Webseite hosten. Für eigene Server reicht das Netz nicht. | |
Solche blinden Flecken gibt es bei der Versorgung mit schnellem Internet | |
überall in Niedersachsen. Laut dem Landwirtschaftsministerium haben zwar | |
rund 81 Prozent der Gebäude eine Leitung, die 30 Megabit überträgt und rund | |
73 Prozent der Gebäude sogar 50 Megabit, was heute angestrebt wird. Doch im | |
ländlichen Raum liegt die Zahl der Gebäude mit einer 50 Megabit-Leitung nur | |
bei 39 Prozent. Die restlichen Anschlüsse liegen irgendwo darunter. | |
Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) will das ändern und den | |
„Anschluss ans Turbointernet“ ermöglichen. Fast 390 Millionen Euro aus | |
verschiedenen Förderprojekten der EU, des Bundes und des Landes fließen nun | |
in den Breitbandausbau in Niedersachsen. 120 Millionen davon aus Töpfen des | |
Landes. | |
Landkreise können sich um eine Förderung bewerben – entweder, um eigene | |
Breitbandstrukturen zu schaffen oder um es für | |
Telekommunikationsunternehmen finanziell attraktiv zu machen, in ein | |
wirtschaftlich eher unrentables Gebiet zu investieren. | |
## 16 Megabit-Leitungen reichen nur normalen Nutzern | |
Es gibt allerdings unterschiedliche Voraussetzungen für die verschiedenen | |
Förderprojekte. Während die Kommunen beim „Europäischen | |
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes“ Leitungen, | |
die mindestens 50 Megabit schaffen, verlegen müssen, um Geld zu bekommen, | |
sind es bei der vom Bund und Land geförderten „Gemeinschaftsaufgabe | |
Agrarstruktur und Küstenschutz“ nur 16 Megabit – auch wenn das | |
Landwirtschaftsministerium betont, dass es in der Regel mehr sind. | |
Doch darüber, ob 16 Megabit als Breitbandverbindung ausreichend sind, gibt | |
es unter Experten unterschiedliche Meinungen. „16 Megabit stellen einen | |
normalen Nutzer, der keine großen Filme herunterlädt, zufrieden“, sagt | |
Manfred Krause, der Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Informatik an der | |
Hochschule Hannover. Dennoch sei es besser, wenn die Kommunen beim Ausbau | |
gleich größere Bandbreiten vorsehen würden. Gerade Unternehmen, die ihre | |
Prozesse à la Industrie 4.0 automatisieren wollten, benötigten größere | |
Bandbreiten. | |
Karolin Varner vom Chaos Computer Club in Hannover hält 16 Megabit hingegen | |
auch für Privatpersonen für nicht zumutbar. „Das würde ich gar nicht als | |
Breitband bezeichnen“, sagt die Programmiererin. Deutschland sei noch immer | |
ein Internetentwicklungsland. Es sei wichtig, Glasfaserkabel in jedes Haus | |
zu legen. „Das ist zwar teuer, aber eine Investition für die nächsten | |
Jahre“, sagt Varner. Immer mehr Menschen wollten Daten über das Internet | |
nutzen. „Deshalb sollte ein Gigabit pro Haushalt unser Ziel sein“, sagt | |
Varner – nicht 16 Megabit. | |
Auch Jörg Bode von der oppositionellen FDP waren die Vorschläge Meyers | |
nicht innovativ genug. Es fehle ein Konzept zum Ausbau des mobilen | |
Internets. „Wenn wir auch im ländlichen Raum von moderner Technologie wie | |
dem autonomen Fahren profitieren wollen, dann benötigen wir eine | |
LTE-Verbindung bis in den letzten Winkel des Landes“, sagt Bode. Dafür gebe | |
es jedoch keine Fördergelder. | |
Meyer betonte hingegen, dass bereits jetzt 400.000 Haushalte durch die | |
Förderung „auf einer schnellen Datenautobahn“ surfen würden. „Wir lassen | |
ein Abkoppeln unserer ländlichen Räume nicht zu“, verspricht Meyer, der | |
auch einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet vom Bund fordert. Dieser | |
müsse eine gute Breitbandversorgung „endlich als Universaldienstleistung | |
wie Post, Strom, Müllabfuhr, Wasser und Telefon definieren“. | |
Davon würde auch Christian Pryor aus Elvershausen profitieren. Er wünscht | |
sich, dass Glasfaserkabel in seinem Ort verlegt werden. Das sei | |
zukunftssicher. „Aber mal gucken, was daraus wird.“ | |
19 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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