# taz.de -- Umstrittener Kunst-Verkauf: Nussbaum-Haus bangt um Bilder | |
> Die Industrie- und Handelskammer Osnabrück will ihre drei Bilder von | |
> Felix Nussbaum verkaufen – und zwar zu marktüblichen Preisen. Warum? Weil | |
> es geht. | |
Bild: Dauerausstellung im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück: Seit 1998 kann die… | |
Osnabrück taz | „Lasst meine Bilder nicht sterben – zeigt sie der | |
Nachwelt.“ Das hat Felix Nussbaum gesagt. Mit der Eröffnung des Osnabrücker | |
Felix-Nussbaum-Hauses 1998 wurde sein Wunsch wahr. Drei Nussbaum-Bilder, | |
die in dem Museum hängen, gehören der Industrie- und Handelskammer (IHK) | |
Osnabrück. Die will die zwei Selbstbildnisse und das Stillleben nun | |
verkaufen. Das wurde bereits Ende März bei einer Vollversammlung mit nur | |
einer Gegenstimme beschlossen, aber erst Anfang der Woche durch einen | |
Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung bekannt. | |
Verkaufen will die IHK unter anderem das „Selbstbildnis mit Geschirrtuch“, | |
das zu den Schlüsselwerken Nussbaums zählt und in der Dauerausstellung | |
hängt. Felix Nussbaum malte das Bild um 1936 herum im belgischen Exil. Die | |
IHK kaufte es in den 70ern für 4.000 DM, für ebenso viel wie für das | |
„Selbstbildnis mit Hut“ von 1937, das sich im Depot des Nussbaum-Hauses | |
befindet. Auf dieses Bild erhebt allerdings auch der Museums- und | |
Kunstverein Ansprüche. Im Werkverzeichnis ist es als „Dauerleihgabe des | |
Museums- und Kunstvereins Osnabrück“ aufgeführt, das mit „Mitteln der | |
Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland“ 1975 erworben wurde. | |
Erst 2000 kaufte die IHK das „Stillleben mit Zinnteller“ von 1926. Für alle | |
drei Bilder zusammen zahlte die Kammer, so schreiben sie auf ihrer | |
Internetseite, insgesamt 38.000 Euro. Der heutige Marktwert der Bilder | |
dürfte deutlich höher liegen. Denn Felix Nussbaum, der in den 1970ern | |
wiederentdeckt wurde, zählt inzwischen zu den bedeutendsten Künstlern des | |
Holocaust. Seine Bilder werden weltweit ausgestellt. | |
Nils-Arne Kässens, Leiter des Nussbaum-Hauses, hofft, dass die Bilder im | |
Museum bleiben. Für besonders aussagekräftig hält er die Selbstporträts: | |
„Felix Nussbaum hat das Grauen des Holocaust nicht direkt gemalt, aber sie | |
sehen es auf diesen Bildern in seinen Augen.“ | |
Die IHK betonte erst am Mittwoch, sie sei „sich der Bedeutung der | |
Kunstwerke und des Künstlers, insbesondere für die Stadt Osnabrück, | |
bewusst“. Sie wollten daher einen Käufer finden, der die Bilder dem | |
Nussbaum-Haus weiter zur Verfügung stelle, erklärt IHK-Sprecher Frank | |
Hesse. Den Vorwurf, die Kammer wolle mit dem Verkauf der Bilder Gewinn | |
machen, weist er zurück. Verschenken oder zum damaligen Verkaufspreis | |
abgeben will die IHK die Bilder allerdings auch nicht. Man orientiere sich | |
am Marktwert, sagt Hesse. | |
Das kritisiert Heiko Schlatermund, Geschäftsführer der | |
Felix-Nussbaum-Gesellschaft in Osnabrück. Seine Gesellschaft kann sich | |
vorstellen, die drei Bilder zu kaufen – aber nicht zu marktüblichen | |
Preisen. „Unser oberstes Ziel ist es, dass die Bilder in Osnabrück | |
bleiben“, sagt Schlatermund. | |
Aber warum will die IHK die Bilder überhaupt verkaufen? Sprecher Hesse | |
beruft sich auf eine „Änderung der Rechtsauffassung der letzten 15 Jahre“, | |
nach der es nicht Aufgabe der IHK sei, Kunst und Kultur durch Käufe zu | |
fördern. Er beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster | |
von 2003. Dabei ging es aber um einen Kredit in Höhe von sechs Millionen | |
DM, den die IHK Duisburg-Kleve-Wesel 2001 zugunsten einer Museumsgründung | |
aufgenommen hatte. | |
Hesse verweist weiter auf die Prüfung anderer niedersächsischer | |
Handelskammern. Tatsächlich hat der Landesrechnungshof bereits mehrere | |
Kammern geprüft. Gerügt wurde nur eine Kammer, die sich eine große | |
Kunstsammlung zugelegt hatte. Um welche Kammer es sich handelt, will der | |
Rechnungshof nicht sagen, verweist nur darauf, dass diese IHK nicht „zum | |
Verkauf von Gemälden oder Skulpturen“ aufgefordert wurde. | |
Die IHK in Osnabrück wurde nicht geprüft. Verkaufen wollen sie trotzdem. | |
Zeitnot gebe es nicht, gibt Hesse zu. Die „konkrete Situation in Osnabrück“ | |
kann der Rechnungshof nicht beurteilen. Von dort heißt es: „Wenn die | |
Osnabrücker IHK zu der Selbsteinschätzung kommt, dass ihre Kunstsammlung | |
die Grenzen einer zulässigen Vermögensbildung überschreitet, muss sie | |
sorgfältig abwägen, an wen und zu welchen Bedingungen sie verkaufen will.“ | |
6 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Anne Reinert | |
## TAGS | |
Kunstmarkt | |
Osnabrück | |
Kunst | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Streetart | |
Biennale | |
Theater Osnabrück | |
Holocaust-Gedenktag | |
Osnabrück | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Kunst von Friedrich Einhoff: Ausweglose Einsamkeit | |
Der Mensch, gefangen in stummer Qual: Verstörend entleerte Zeichnungen und | |
Gemälde von Friedrich Einhoff sind in Osnabrück zu sehen. | |
Nazi-Vergangenheit: Verrätselte Erinnerung | |
Die Villa Schlikker in Osnabrück war Sitz der NSDAP. Mit der Geschichte des | |
„Braunen Hauses“ setzt sich die Ausstellung „Es wird gewesen sein“ | |
auseinander. | |
Prominenz in Osnabrück: Besuch von Dalí, Lindenberg und Björk | |
Kunst braucht Demokratisierung: Die italienische Street-Art-Künstlerin Roxy | |
in the box konfrontiert das Osnabrücker Rosenplatzviertel mit fremden | |
Welten | |
Osnabrück zeigt türkische Biennale: Heimat ist, wo mein Fetisch ist | |
Nach einer Rufmordkampagne gegen die Kuratorin wurde die Biennale von | |
Çanakkale erstmal abgesagt. Jetzt läuft sie doch – in Niedersachsen. | |
Interdisziplinärer Totentanz in Osnabrück: Wiederbelebte Wichtel | |
Das Projekt „Danse Macabre“ widmet sich Bildern vom tanzenden Tod vom | |
Mittelalter bis in die Gegenwart – mit Tanz, Ausstellungen und | |
Installationen in vier Häusern | |
„Kunst aus dem Holocaust“ in Berlin: Zeugnisse des Leids | |
Jetzt im Deutschen Historischen Museum in Berlin: „Kunst aus dem Holocaust“ | |
– 100 Werke aus der Gedenkstätte Yad Vashem. | |
NS-„Rassereferent“ rettete Tausende Juden: Calmeyers Tricks | |
Ein neues Buch zeigt, wie der Osnabrücker Hans Calmeyer Tausende Juden vor | |
der Deportation bewahrte. Idealisert wird er dabei nicht. | |
Holger Schultze, Intendant des Osnabrücker Theaters: Der Aufbau-Arbeiter | |
Als Intendant in Osnabrück hat Holger Schultze sein Haus aus der | |
künstlerischen Bedeutungslosigkeit geholt. Nach sechs Jahren furioser | |
Arbeit wechselt er zum Ende der Spielzeit nach Heidelberg. | |
Stargast in Osnabrück: Kresniks Schatten | |
Osnabrück bestaunt den österreichischen Regisseur Johann Kresnik, der am | |
Stadttheater ein Stück über den jüdischen Maler Felix Nussbaum inszenieren | |
wird. Nussbaum wuchs in Osnabrück auf, 1944 wurde er in Auschwitz ermordet. | |
Zuschüsse: Kultur auf Schrumpfkurs | |
Osnabrück muss sparen. Doch wenn die Stadt ihre derzeitigen Kürzungspläne | |
umsetzt, ist die Existenz vieler freier Kultureinrichtungen bedroht. Die | |
Leuchtturmprojekte dagegen bleiben unberührt - sie sind wichtig für das | |
Stadtmarketing. |