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# taz.de -- Zuschüsse: Kultur auf Schrumpfkurs
> Osnabrück muss sparen. Doch wenn die Stadt ihre derzeitigen Kürzungspläne
> umsetzt, ist die Existenz vieler freier Kultureinrichtungen bedroht. Die
> Leuchtturmprojekte dagegen bleiben unberührt - sie sind wichtig für das
> Stadtmarketing.
Bild: Bleibt ungeschoren, wird sogar erweitert: das Felix-Nussbaum-Haus.
Seit Jahren ist "Krise mit Luise" ausverkauft. Wer eine Karte für das Stück
im Figurentheater Osnabrück haben will, muss sich beeilen. Das Theater
nimmt das Stück zwar immer wieder in den Spielplan auf. Doch kaum hat die
Saison begonnen, sind die Vorstellungen ausverkauft.
Trotz seines Erfolges muss das Figurentheater um die Existenz bangen. Denn
der jährliche Zuschuss von 73.000 Euro, den die Stadt Osnabrück zahlt,
steht auf der Kürzungsliste. Sollte das Geld nicht mehr kommen, "sieht es
schlecht aus", sagt Figurentheaterleiterin Gabriele Mertins. Der städtische
Zuschuss macht den Großteil des jährlichen Etats von 90.000 Euro aus.
Auch die Amateurbühne Erstes Unordentliches Zimmertheater, das
Aktionszentrum 3. Welt und die Stadtteilbibliotheken könnten den Kürzungen
zum Opfer fallen. Denn Osnabrück will seine Neuverschuldung von fast 57
Millionen Euro, wie viele andere Kommunen auch, durch Einsparungen im
kulturellen und sozialen Bereich zurückfahren. Knapp 4,7 Millionen Euro
würden so zusammenkommen.
Betroffen sind im kulturellen Bereich ausschließlich freie Träger. Die
Etats überregional erfolgreicher Institutionen, wie des Theaters Osnabrück
oder des Felix-Nussbaum-Hauses, werden nicht angetastet. Das sorgt für
Unmut - Kritiker sprechen von einer "Leuchtturm-Politik". Sie verweisen auf
ein Strategiepapier zur kommunalen Kulturförderung, das die Stadt im
vergangenen Frühjahr entworfen hat. Darin heißt es, die Stadt könne nicht
alle kulturellen Projekte fördern und müsse Schwerpunkte setzen.
Einer ist das Thema Frieden, das Osnabrück sich als selbst ernannte
Friedensstadt auf die Fahnen schreibt. Kultur trage "in besonderer Weise
zum Profil der Friedensstadt" bei, lautet die Begründung in dem Papier. In
diesem Sinne soll sie die Außenwirkung der Stadt stützen. Kultur wird zum
Instrument des Stadtmarketings.
Der Osnabrücker Grünen-Fraktionschef Michael Hagedorn ist der Meinung, dass
auch über eine Kürzung des Theateretats geredet werden müsse. Am
Jahresanfang führte das zum Streit mit Theaterintendant Holger Schultze,
der Hagedorn scharf angriff. Mit solchen Vorschlägen drohe das Theater
wieder in seinen Status der Provinzialität zurückzufallen.
Derzeit sucht die Stadt nach einem Nachfolger für den Intendanten, der im
kommenden Jahr nach Heidelberg wechselt. Einen gleichwertigen Ersatz werde
sie mit Kürzungsdebatten nicht finden, warnt Schultze. Michael Hagedorn
hält dagegen, dass es höchstens um eine Kürzung von einem Prozent gehe.
Schon mit 100.000 Euro könnten gleich mehrere Einrichtungen gerettet
werden.
Andererseits würde sich beim Theater auch ein kleiner Einschnitt bemerkbar
machen, denn für jeden Euro, den die Stadt dem Theater zahlt, schießt das
Land Niedersachsen einen weiteren Euro zu. De facto hätte das Theater also
200.000 Euro weniger. "Dann gibt es bei der Hälfte aller Produktionen kein
Bühnenbild und keine Kostüme mehr", sagt Holger Schultze. Denn auch wenn
der Gesamtetat von 16 Millionen Euro nach viel Geld klingt, gehen 80
Prozent davon für Fixkosten drauf. Der Rest ist für den künstlerischen Etat
vorgesehen.
Einen ganz anderen Vorschlag macht der ehemalige Osnabrücker
Kulturdezernent Siegfried Hummel. Im Kulturhaushalt dürfe gar nicht gekürzt
werden, sagt er. "Die Kultur musste schon oft herhalten, um Finanzlücken zu
schließen." Wie stark ihr Anteil an den Ausgaben gesunken ist, macht Hummel
an Zahlen fest: Als er 1987 seinen Posten als Osnabrücker Kulturdezernent
aufgab und nach München ging, waren 6,3 Prozent im Haushalt für die Kultur
vorgesehen. Heute sind es 4,5 Prozent. Hummel verweist zudem auf die
vergleichsweise kleine Summe, die die Stadt mit den Kürzungen spart. 4,7
Millionen seien im Vergleich zur Gesamtneuverschuldung "wie eine Mücke im
Weltall".
Doch über einen Großteil ihrer Ausgaben können die Städte gar nicht frei
entscheiden. In Osnabrück etwa liegt der Anteil freiwilliger Leistungen bei
gerade elf Prozent. Michael Hagedorn sieht dennoch alternative
Einsparpotentiale. So spricht seine Partei sich etwa gegen den Bau der
Osnabrücker Westumgehung aus. Über die Verkehrsumgehung wird seit Jahren in
der Stadt debattiert. Auch an dem teuren Ausbau des Flughafens
Münster-Osnabrück hat Hagedorn Zweifel.
Mitte Februar wird der Stadtrat über die Kürzungen entscheiden - und damit
über die Vielfalt der Osnabrücker Kulturlandschaft.
26 Jan 2010
## AUTOREN
Anne Reinert
## TAGS
Kunstmarkt
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