# taz.de -- Deutsch-amerikanische Beziehungen: Showdown in Hamburg | |
> Die großen Konflikte mit US-Präsident Trump bringen die Bundesregierung | |
> in Bedrängnis. Am meisten wird über Klimawandel und Welthandel | |
> gestritten. | |
Bild: Da kommt Ärger geflogen: US-Präsident Donald Trump geht an Bord der Air… | |
BERLIN taz | Die Deutschen hatten eine Zeit lang die Idee, Donald Trump zu | |
behandeln wie ein großmäuliges Kind, das durch freundliche Anleitung zur | |
Vernunft gebracht werden könnte. „Der Versuch Merkels, den US-Präsidenten | |
mit Lob, Andeutungen und vorsichtigen Belehrungen quasi zu erziehen, ist | |
gescheitert“, sagt nun Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der | |
SPD-Fraktion. „Wir sollten uns eingestehen, dass man damit nichts erreicht | |
hat.“ Aber was ist die Alternative? | |
Donald Trump hat die deutsch-amerikanischen Beziehungen in eine Eiszeit | |
gerüpelt. Und die Bundeskanzlerin, die nun wirklich nicht zu scharfen Tönen | |
neigt, spricht die unübersehbaren Gräben inzwischen offen an. Wer glaube, | |
die Probleme der Welt mit Isolationismus lösen zu können, unterliege „einem | |
gewaltigen Irrtum“, sagte Merkel vergangene Woche in ihrer | |
Regierungserklärung vor dem Gipfel. Das Klimaabkommen von Paris sei nicht | |
verhandelbar, der Dissenz mit den USA offenkundig. „Und es wäre nur | |
unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden. Das werde ich jedenfalls | |
nicht tun.“ | |
Trump ist so etwas wie der Albtraum des Auswärtigen Amtes. Der Wert eines | |
guten transatlantischen Verhältnisses ist für Deutschland enorm. Zu groß | |
und zu verflochten sind die gemeinsamen Interessen. Die USA kaufen weltweit | |
die meisten deutschen Exporte – Deutschland ist umgekehrt der wichtigste | |
Handelspartner in Europa. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste | |
Nato-Partner, ohne sie wären Deutschland und die anderen militärisch nicht | |
schutzlos, aber doch viel weniger relevant. | |
Wie umgehen mit einem US-Präsidenten, der seine Außenpolitik nach | |
Fox-News-Kommentaren auszurichten scheint? Merkel setzt in manchen | |
Bereichen auf mehr Selbstständigkeit, etwa bei einer gemeinsamen | |
EU-Verteidigungspolitik. Auch dass Merkel das Ziel, zwei Prozent der | |
Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu stecken, vehement puscht, hängt | |
damit zusammen. | |
Der Gipfel in Hamburg könnte auf zwei Feldern zum Showdown werden. Da wäre | |
die Klimapolitik, in der Trump die Welt mit dem Ausstieg der USA aus dem | |
Pariser Klimaschutzabkommen brüskiert hat. Schon beim Treffen der G7 in | |
Taormina ließ er die Beteiligten über seine Pläne im Unklaren. Dass er | |
wenig später den Austritt bekannt gab, war eine klimapolitische Katastrophe | |
– und ein Affront für Merkel und die anderen Staatschefs. Er sei gewählt | |
worden, um Pittsburgh zu repräsentieren, nicht Paris, teilte er lapidar | |
mit. Dass sein Vorgänger das Pariser Dokument unterschrieben hatte, | |
kümmerte ihn nicht. | |
## Nichteinigung beim Welthandel? | |
Merkel steht nun unter Druck. Sie muss ihren starken Worten Taten folgen | |
lassen – und Trump möglichst isolieren. Wird sie versuchen, den Konflikt zu | |
verschärfen? Das fordert der SPD-Politiker Annen. „Ich erwarte, dass Merkel | |
eine 19:1-Mehrheit gegen Trump organisiert.“ Alle G20-Staaten hätten | |
schließlich das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet. Denkbar wäre | |
aber auch eine moderatere Variante, in der am Ende ein gemeinsames | |
Kommuniqué unterzeichnet würde, das die heiklen Punkte ausspart. Beide | |
Optionen sind für Merkel unangenehm. | |
Der zweite, schier unlösbare Konflikt ist die Handelspolitik. Trump lässt | |
keine Gelegenheit aus, um den deutschen Exportüberschuss zu kritisieren. Im | |
Januar drohte er BMW und anderen deutschen Autobauern mit hohen | |
Strafzöllen. Beim G7-Gipfel bekannte sich Trump am Ende zum Freihandel und | |
zu offenen Märkten, doch ob diese Haltung von Dauer ist, ist offen. | |
US-Handelsminister Wilbur Ross schreibt im Moment an einem Bericht zum | |
Schutz der US-Stahlindustrie. Darin solle es auch um die Frage gehen, ob | |
Stahlimporte aus der EU eine Bedrohung seien. Eigentlich wollte sich Ross | |
vergangene Woche mit Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) treffen, | |
um solche Punkte zu besprechen. Das Treffen sagte er jedoch kurzfristig ab | |
– mit Verweis auf einen Termin bei Trump, den er wahrnehmen müsse. | |
All das beobachten Merkels Leute mit Sorge. Eine Nichteinigung beim | |
Welthandel wäre in Hamburg schon blamabel genug. Gäben die USA gleichzeitig | |
bekannt, Strafzölle auf Importstahl zu erheben, wäre das eine Katastrophe. | |
Bei vielen Themen handele Trump unvorhersehbar, sagt SPD-Außenpolitiker | |
Annen. „Bei der Handelspolitik hat er eine klare Agenda, die auf | |
Protektionismus setzt. Deshalb glaube ich nicht, dass der Gipfel hier eine | |
Einigung erzielt.“ Dass mehr Freihandel einmal an den USA scheitern könnte, | |
das hat vor Jahren niemand vorhergesehen. Schließlich verhandeln die | |
Amerikaner mit der EU seit Jahren über das TTIP-Abkommen. | |
Trump allein ist schon schlimm genug. Doch die Strategen der | |
Bundesregierung haben das Problem, dass hinter ihm verlässliche Profis | |
fehlen. So fehlen den Deutschen zum Beispiel Ansprechpartner im State | |
Department, dem Gegenstück zum deutschen Außenministerium. | |
Trump hat, nachdem er ins Amt kam, viele erfahrene Beamte gefeuert. Die | |
Deutschen müssen deshalb mit Neulingen vorlieb nehmen, denen der Zugang zum | |
Inner Circle um Trump fehlt. Auf dieser Arbeitsebene entwickeln | |
Außenpolitiker normalerweise ein Gefühl für die Interessen und Strategien | |
der anderen Seite. Was sich die Deutschen in puncto Trump überlegen, | |
gleicht deshalb oft einem Blindflug. | |
4 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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