| # taz.de -- Kolumne Eier: Männliche Lebensmittelveredelung | |
| > Echte Männer wissen: Grillen ist mehr als nur eine Form der | |
| > Nahrungszubereitung. Am kokeligen Fleisch klebt der Geschmack von | |
| > Freiheit. | |
| Bild: Würstchen für Würstchen | |
| Man hat mich zum Grillen eingeladen, und während ich traurig die | |
| Blätterteigpastete mit Jakobsmuscheln in den Müll werfe, die ich eigentlich | |
| hatte essen wollen, muss ich an Männer denken. Männer und das Grillen. | |
| Grillen ist ohne Zweifel das männlichste Lebensmittelveredelungsverfahren, | |
| das zwischen April und September zur Verfügung steht – beziehungsweise, | |
| hallo, natürlich auch in den Wintermonaten. Was ein echter Mann ist, das | |
| kauert im Januar in der fetten Outdoorjacke unter einer Plastikplane und | |
| wendet Nackensteaks. Grillen, das ist Kämpfen gegen die Elemente. Grillen, | |
| das ist Freiheit. Unabhängigkeit. Blankes Überleben ohne moderne Geräte und | |
| bürgerliche Dekadenz. | |
| Ich persönlich sautiere lieber ein paar Schweinemedaillons mit grünem | |
| Spargel in der Pfanne, bevor ich versuche, umständlich Kohle zum Glühen zu | |
| bringen, um dann im entscheidenden Moment doch nicht hinzugucken und die | |
| Grillfackeln zu verkokeln, während meine Gäste vorsorglich die Beilagen | |
| aufgefuttert haben. | |
| Trotzdem sehe ich ein, dass Grillen einen Reiz ausübt – und zwar nicht nur, | |
| aber besonders auf Männer. Das geht zumindest aus dem Beef!-Magazin hervor, | |
| das ich mir in Vorbereitung auf den Abend gekauft habe (es kostet leider so | |
| viel wie Schweinemedaillons und grüner Spargel für vier Personen). | |
| Dieser Gruner-und-Jahr-Geniestreich, der sich irgendwo zwischen Foodporn | |
| und männlicher Selbstbestätigung bewegt, gibt seinen Lesern (aus Gründen | |
| der besseren Lesbarkeit wurde auf das Gendern verzichtet, Frauen dürfen | |
| sich mitgemeint fühlen) das Gefühl, dass Fleischzubereitung an | |
| schöpferischer Höhe alles in den Schatten stellt, was Kochende für | |
| gewöhnlich so in der Küche vollbringen. Zumindest lassen offenbar sich alle | |
| zwei Monate 170 Seiten problemlos mit Rezepten, Erfahrungsberichten und | |
| High-Tech-Geräte-Tests füllen. Ich respektiere das. | |
| Im Heft erfahre ich, wie ich mir eine Grilltonne selbst bauen kann. Warum | |
| ich so etwas brauche, steht da nicht, dafür aber, dass man zuerst | |
| 3-D-Skizzen auf dem Computer machen sollte. Mir ist schleierhaft, warum ich | |
| erst Technik des 21. Jahrhunderts in Anschlag bringen muss, um dann mein | |
| Essen à la Neolithikum zuzubereiten – aber für kulturhistorische | |
| Überlegungen fehlt mir die Zeit, ich muss Fleisch einkaufen. | |
| Eine Grillgut-Anzeige im Heft führt mich zu Edeka (wie praktisch), dort | |
| konfrontiert mich am Eingang ein Plakat mit der Frage, auf welcher Seite | |
| des Grills ich denn stünde – beim „Männergrillen“ (Steak und Wurst) oder | |
| beim „Frauengrillen“ (Hähnchenbrust, Garnelenspieß, Zucchini)? Da ich mich | |
| gerne aus Trotz Entweder-oder-Entscheidungen verweigere, kaufe ich eine | |
| Packung Fleischkäse, Blumenkohl und eine Salami. Ach, und Wattestäbchen. | |
| Bei der Grillparty angekommen, finde ich die Gäste im Wohnzimmer vor. Neben | |
| dem Grill und dem Grillenden selbst hatte auf dem Balkon nur noch die | |
| Spiritusflasche und ein halber Raucher Platz, weswegen die erste Party des | |
| Sommers nun drinnen stattfindet. Aber immerhin schmeckt das Fleisch nach | |
| Freiheit. Und Benzin. | |
| 8 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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