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# taz.de -- Trumps Besuch in Europa und Nahost: Der große Knall blieb aus
> Nahöstliche Potentaten, Israelis und Europäer wissen nun, woran sie beim
> neuen US-Präsidenten sind. Die Erkenntnisse sind nicht beruhigend.
Bild: Tschüss: Trump kehrt von seiner ersten Reise zurück in die USA
Acht Tage war Donald Trump auf Nahost- und Europatrip, von Riad über Tel
Aviv, Rom und Brüssel zum G-7-Gipfel im sizilianischen Taormina. Man könnte
es wohl eine Bildungsreise nennen – allerdings weniger eine für den
US-Präsidenten als für seine Gesprächspartner aus ungefähr 60 Nationen
ebenso wie für die Weltöffentlichkeit. Nein, nirgendwo wurden Gespräche
unter- oder gar diplomatische Beziehungen abgebrochen, nirgendwo kam es zu
größeren Eklats – und doch wissen nunmehr alle, woran sie wirklich mit The
Donald sind.
Allen voran wissen es jene sechs Staatenlenker, die sich wenigstens einmal
im Jahr, beim G-7-Gipfel, mit den USA auf Augenhöhe wähnen. Im schönen
Taormina sorgte Trump vor allem für eines: schlechte Laune bei den anderen
sechs Staatenlenkern. Taormina hat beste Chancen, als Gipfel der langen
Gesichter in die Geschichte einzugehen, und zum frostigen Klima passte der
Totalausfall von Pressekonferenzen, gar von gemeinsamen Auftritten des
US-Präsidenten mit den europäischen Frontleuten.
Zwar feierte der Gastgeber, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni, am
Ende die gemeinsame Erklärung zum Kampf gegen den Terror als „den größten
Erfolg“ – auch so kann man umschreiben, dass Erfolge auf allen anderen
Feldern weitgehend ausgeblieben sind. Gewiss, auch Kanzlerin Merkel freute
sich am Ende über die „vernünftige Lösung“ zur Handelspolitik, und am En…
gelang selbst Donald Trump auf dem Gruppenfoto dann doch wieder ein
Lächeln. Immerhin gab es ein Bekenntnis gegen Protektionismus, für die
„regelbasierten internationalen Handelssysteme“ (Merkel) – zugleich aber
auch gegen unfaire Handelspraktiken.
Keinen Millimeter dagegen rührten sich die USA bei der Flüchtlingsfrage,
und als der italienische Ministerpräsident Gentiloni über Afrika sprach –
schließlich waren auch fünf Staatschefs von dort zur Samstagssitzung des
Gipfels angereist –, sah es so aus, als höre Trump gar nicht zu: Ein
Kopfhörer, mit dem er dem Dolmetscher hätte lauschen können, war jedenfalls
nicht zu sehen.
## Zum Verhandeln war Trump nicht gekommen
Keinen Millimeter auch rührte sich Trump beim Klimawandel, was denn auch
Merkel mit einem „sehr unzufriedenstellend“ quittierte. Ein Bekenntnis zum
Pariser Klimaschutzabkommen? Fehlanzeige. Dem Präsidenten war nur zu
entlocken, nächste Woche werde er Näheres wissen lassen. Gutes verheißt das
nicht – sonst hätte er wohl schon in Italien den sechs anderen
Staatenlenkern die Freude gemacht, wenigstens eine Spur von
Kompromissbereitschaft zu zeigen. Aber zum Verhandeln, dies wurde so
endgültig deutlich, war er schließlich nicht gekommen.
Im gleichen Geist hatten schon die anderen europäischen Etappen gestanden,
der Besuch beim Papst in Rom, dann der Abstecher ins „hellhole“, ins
„Höllenloch“ (Original-Ton Trump) Brüssel zur Nato und zur EU. Zwar
lächelte Trump bei Papst Franziskus in Rom nach Kräften, zwar erlaubte er
sich den kleinen Scherz, dem Heiligen Vater eine Sammlung von Büchern
Martin Luther Kings zu überreichen, zwar dürften ihm auch die mächtigen
Wehrmauern gefallen haben, die den Vatikan schützen, zwar teilte Trump nach
der Begegnung mit, er werde die Worte des Papstes „nie vergessen“.
Dass die beiden sich beim Thema Flüchtlinge und Mauern oder beim
Klimawandel einig geworden oder auch nur nähergekommen wären, ist
allerdings nicht überliefert, und so dürfte Trump es sehr begrüßt haben,
dass Papst Bergoglio sich am Ende aufs Pastorale konzentrierte und schnell
noch den Rosenkranz der Präsidentengattin Melania segnete.
In Brüssel wiederum schien es ganz so, als wolle Trump wenigstens seinen
eigenen kleinen Beitrag zum Kampf gegen die Erderwärmung leisten, denn er
trat dort chronisch unterkühlt auf. Auf dem Nato-Gipfel war zwar vom in
seinem Wahlkampf an die Wand gemalten Ausstieg aus dem Nordatlantikpakt
nicht mehr die Rede, wohl aber von den schweren Versäumnissen der anderen.
Gleich 23 der 28 Mitgliedstaaten kämen halt nicht auf Verteidigungsausgaben
von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, dozierte er, „sie schulden enorm
viel Geld aus den vergangenen Jahren“, das sei einfach „nicht fair“
gegenüber den US-Steuerzahlern. Da überraschte es nicht, dass Trump sich
nicht explizit zur Beistandsklausel des Nato-Vertrags bekennen mochte –
doch wenigstens das neue Hauptquartier der Allianz fand er als „beautiful“.
## „Very bad“ vs. „very amazing“
Auf seine Weise gemäßigt gab sich der Präsident dann auch beim Meeting mit
den Spitzen der EU. Immerhin hatte er noch vor wenigen Monaten den Brexit
bejubelt und den früheren Ukip-Chef Nigel Farage zum Dinner empfangen. Gute
Laune bereitet der europäische Verein ihm allerdings immer noch nicht.
„Offen“ seien die Gespräche gewesen, hieß es hinterher, und offen war
wenigstens Trump selbst nach Kräften. Vorneweg bekam der EU-Klassenerste
Deutschland sein Fett ab. Einfach „bad, very bad“ sei es mit seinem enormen
Handelsüberschuss, tönte Donald. Anschließend bemühte sich keiner um ein
Dementi, stattdessen betrieb EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Exegese: „bad“ heiße doch gar nicht böse, sondern einfach nur „schlecht…
Dabei hatte die Tour durch den Nahen Osten und Europa so schön angefangen.
Zu Besuch bei Freunden: So könnte man die erste Etappe nennen, den Besuch
bei den von jeglichen demokratischen Vorstellungen unverdächtigen Saudis.
In den mit Blattgold reich geschmückten Palästen von Riad zeigte sich Trump
bester Laune, ließ sich sogar dazu hinreißen, das Krummschwert in der Hand,
mit einer Gruppe Säbeltänzer ein paar Schritte zu wagen. Das passte,
schließlich ging es vorneweg um Waffen – die USA und Saudi-Arabien
unterzeichneten eine Vereinbarung über die Lieferung von Kriegsgerät im
Wert von 110 Milliarden Dollar an die Scheichs. „A great day!“, konnte da
Trump nur jubeln, schließlich stünden jetzt „wahnsinnige Investitionen“ in
den USA an, und das heiße „Jobs, Jobs, Jobs“.
Unter Freunden wähnte er sich auch auf dem Gipfel mit den islamischen
Ländern, zu dem Vertreter aus 50 Staaten angereist waren. Gewiss,
Diktatoren waren reichlich vertreten, ein paar von ihnen im Verdacht,
Terroristen zu unterstützen. Ihnen gegenüber korrigierte Trump allzu harte
islamfeindliche Töne aus dem Wahlkampf. Nein, es gehe nicht um einen „Kampf
zwischen verschiedenen Religionen“. Erst recht dürfte es seine Zuhörer
erfreut haben, dass er ihnen keine „Lektion“ erteilen wollte, dass er nicht
gekommen war, „um anderen Leuten zu sagen, wie sie zu leben, was sie zu
tun, was sie zu sein haben“.
## Ein Donald in Yad Vashem
Eine Lektion gab es dann allerdings doch noch, für ein islamisches Land,
das auf der Konferenz nicht vertreten war – für Iran. Die Ajatollahs
bleiben die Bösewichte, mit ihrer Regierung, die zwar mit dem IS schier gar
nichts zu tun hat, die aber angeblich der Terrorhelfer Nummer eins in der
Region ist. Klarer konnte die Parteinahme für die Saudis ebenso wie für
Israel im Nahen Osten nicht ausfallen. Irans Außenminister Mohammed
Dschawad Zarif lästerte in einem Tweet, sein Land werde ausgerechnet in
Saudi-Arabien, „in jener Bastion der Freiheit und der Demokratie, vom
US-Präsidenten attackiert“.
Entsprechend herzlich fiel andererseits der Empfang auf der nächsten Etappe
aus, in Jerusalem. Zwar redete Trump unablässig von „peace“, mit Benjamin
Netanjahu genauso wie mit dem Palästinenserführer Mahmud Abbas, doch so
hässliche Worte wie „Zweistaatenlösung“ oder „Siedlungsbau“ nahm er n…
ein einziges Mal in den Mund, ebenso wenig wie Erläuterungen, welche
Vorstellungen denn nun die Trump-Administration zu jenem Friedensprozess
hat, der seit 2014 komplett blockiert ist. Das stieß den Palästinensern
sauer auf, das freute die Israelis – und die verziehen ihm denn auch den
Donald-mäßigen Auftritt in Yad Vashem. In der Holocaust-Gedenkstätte
hinterließ der Präsident einen Eintrag im Gästebuch, mit dem er auch einen
Nachmittag im Vergnügungspark hätte würdigen können: „Eine große Ehre“…
es ihm, „hier mit allen meinen Freunden zu sein“, „so amazing“ –
„fantastisch“ – „+ das werde ich nie vergessen!“
Am Sonntag in aller Frühe ist Trump nach Washington zurückgekehrt und damit
auch zu dem gegen ihn eingesetzten Sonderermittler, den ungeklärten
Verbindungen nach Moskau und all den anderen Unannehmlichkeiten
amerikanischer Innenpolitik. Doch er fand noch die Zeit, seine Reise via
Twitter zu würdigen: „Bin gerade zurück aus Europa. Reise war ein
großartiger Erfolg für Amerika. Harte Arbeit, aber große Resultate!“
So kann man das natürlich auch sehen.
28 May 2017
## AUTOREN
Michael Braun
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