Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Gemeinschaftsgarten in Berlin: Grüner Wedding, guter Wed…
> Das „Himmelbeet“ soll einem Fußballprojekt für benachteiligte Kinder
> Platz machen. Der Bezirk will gern beides. Wie soll das gehen?
Bild: Kein Platzproblem, sagen die Gärtner*innen vom Gemeinschaftsgarten Himme…
Rote-Bete-Suppe, Gartenstulle mit Hummus oder veganer Apfelrosenkuchen –
die Gerichte auf der Tageskarte des Himmelbeet-Cafés werden teils aus dem
zubereitet, was gleich nebenan wächst.
Schon seit 2013 werden im interkulturellen Garten „Himmelbeet“ auf einer
Brachfläche mitten im Wedding an der Ecke Schulstraße und Ruheplatzstraße
300 Hochbeete, mit Erde gefüllte Kästen aus Holzpaletten, bepflanzt. Ein
Teil des erntefrischen Obsts und Gemüses landet in den Kochtöpfen des
nachhaltigen Cafés, das selbst aus Europaletten gebaut wurde und in dem
möglichst wenig Verpackungsmüll verursacht werden soll. Doch seit einiger
Zeit klebt inmitten der Tafel mit den Tagesgerichten ein Zettel mit der
Aufschrift „Himmelbeet in Gefahr“.
Erst vor drei Wochen eröffnete der Gemeinschaftsgarten seine fünfte Saison
mit einem Nachbarschaftsfest. Die Freude wurde jedoch von der Sorge
getrübt, dass dies vorerst die letzte Saison für das Kiezprojekt sein
könnte.
Denn die Gärtner*innen sehen die Existenz des Himmelbeets durch ein
Vorhaben bedroht, das den Namen „Safe-Hub“, sicherer Ort, trägt.
Verantwortlich für dieses Projekt sind der in München ansässige Verein
„Amandla EduFootball“ und die Stiftung des ehemaligen Nationaltorhüters
Oliver Kahn. Sie wollen im Wedding ein Fußballprojekt umsetzen, mit dem
sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche gefördert werden sollen.
Vorbild dafür sind drei Safe-Hubs, die der Verein bereits in Südafrika
realisiert hat. Das Projekt soll von der Oliver-Kahn-Stiftung und anderen
Investoren finanziert werden.
Deshalb startete das Gartenteam die Onlinepetition „Himmelbeet muss
bleiben“. Diese wurde inzwischen von über 40.000 Unterstützer*innen
unterschrieben.
## Ein Leuchtturm für den Wedding
Getragen wird das gemeinnützige Projekt Himmelbeet von zwölf Personen, die
sich um das Tagesgeschäft kümmern. Altersmäßig und von den Hintergründen
sei das Team bunt gemischt, erzählt Johannes Rupp, einer der
Ehrenamtlichen.
Interessierte Hobbygärtner-*innen können die Kästen entweder saisonweise
für einen kleinen Betrag pachten oder auf Gemeinschaftsbeeten kostenlos
mitgärtnern. Unter den Pächter*innen finden sich unter anderem
Student*innen, Familien und Senior*innen. Ausgewählte soziale Initiativen
bekommen kostenfrei Beete zur Verfügung gestellt. So sollen Projekte mit
Geflüchtetenorganisationen und Behindertenwerkstätten ermöglicht werden.
Offiziell gilt der Gemeinschaftsgarten als Zwischennutzung. Für das
bezirkseigene Grundstück ist Carsten Spallek (CDU), der Stadtrat für Schule
und Sport im Bezirk Mitte, zuständig. Seine Vorgängerin hatte dem Verein
Amandla im Dezember 2015 versichert, dass „die Zielsetzung des Bildungs-
und Beratungszentrums sowie die Schaffung eines vielseitigen Sport- und
Freizeitangebotes von uns voll umfänglich unterstützt“ würde.
Drei Fußballplätze und ein einstöckiges Bildungszentrum sollen auf der
insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Fläche nahe dem Leopoldplatz entstehen,
auf der auch das Himmelbeet angesiedelt ist. Eine Projektbeschreibung des
Vereins Amandla von April 2016 erklärt, warum der Wedding als Standort
ausgewählt wurde: Soziale Herausforderungen wie die hohe Kinderarmut,
Jugendarbeitslosigkeit und Integrationsprobleme hätten zu der Entscheidung
beigetragen.
Seit zwei Jahren wurden immer wieder Gespräche über eine gemeinschaftliche
Flächennutzung zwischen Himmelbeet, Amandla und Spallek geführt. Doch in
seiner Onlinekampagne beklagt das Team vom Himmelbeet, dass es von den
letzten Verhandlungen ausgeschlossen worden sei und dass Spallek dem Verein
Amandla in einer Absichtserklärung vom 7. April eine Fläche von 4.100
Quadratmeter zum 1. Januar 2018 zugesichert habe.
Dabei waren Himmelbeet, Amandla und das Bezirksamt erst Anfang März als
eins von zwölf Modellvorhaben für das bundesweite Forschungsprogramm „Green
Urban Labs“ ausgewählt worden. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung nominierte Projekte, die sich mit dem Zugang zu urbanem Grün
und Umweltgerechtigkeit beschäftigen.
„Das ist eine einmalige Chance für den Bezirk und für Berlin, bundesweite
Sichtbarkeit zu kriegen und hier einen Leuchtturm zu schaffen“, sagt
Johannes Rupp. Die mit dem Forschungsprogramm verbundenen Fördermittel
könnten dafür eingesetzt werden, ein Konzept für die gemeinsame Nutzung der
Fläche zu entwickeln. „Wir wollen hier keinen Rabatz machen. Wir wollen die
Fläche gemeinschaftlich gestalten“, erklärt Rupp die Entscheidung des
Teams, mit der Petition an die Öffentlichkeit zu treten. Doch mit der
Absichtserklärung seien Fakten geschaffen worden, „und wir werden nicht
gehört“.
## Bedeckter Himmel über dem Beet
Vergangenen Freitag fand ein Schlichtungsgespräch statt, an dem
Vertreter*innen vom Himmelbeet und von Amandla, der Bezirksbürgermeister
von Mitte Stephan von Dassel (Grüne) und Bezirksstadtrat Spallek
teilnahmen. Bei einer Pressekonferenz im Anschluss erklärte der
Bezirksbürgermeister, dass in Medienberichten ein falscher Eindruck
vermittelt worden sei.
Deshalb sei mit Himmelbeet und Amandla Stillschweigen über die laufenden
Verhandlungen vereinbart worden. „Natürlich gibt es Nutzungskonkurrenzen“,
so von Dassel. Nun müsse geschaut werden, was für die Parteien verhandelbar
sei. Zu einer Einigung sei es bisher noch nicht gekommen. Eine Fortsetzung
des Schlichtungsgesprächs ist an diesem Freitag geplant.
Er sei zuversichtlich, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden könne,
sagte der Bezirksbürgermeister. Dem Himmelbeet sei angeboten worden, auf
den Teil der Brachfläche zu ziehen, auf dem der Bezirk eigentlich eine
Turnhalle errichten wollte. „Das bedeutet allerdings einen Umzug für
Himmelbeet.“
„Wir wollen die Fläche nicht für uns alleine, wir wollen einen Kompromiss�…
sagt auch Sophie Scheytt. Die 25-jährige Juristin und Himmelbeet-Pächterin
schätzt die Situation dennoch weniger zuversichtlich als der
Bezirksbürgermeister ein. Am Samstag nach dem Schlichtungsgespräch habe sie
das Himmelbeet-Team sehr besorgt erlebt.
Dabei liege die Lösung auf der Hand: Der Bezirk müsse den
Fördermittel-Antrag für die Teilnahme am Modellvorhaben „Green Urban Labs“
einreichen. Dann könnte ein unabhängiges Architekturbüro damit beauftragt
werden, einen Kompromiss zu finden. Dieser kann in Scheytts Augen jedoch
nicht in der Nutzung der Turnhallen-Fläche bestehen, weil dies langfristig
einen weiteren Umzug für das Himmelbeet bedeuten würde. Außerdem sei das
Grundstück dort zu schattig zum Gärtnern.
Erst eisiger Wind mit Nieselregen, dann Sonne, plötzlich Hagel, wieder
Sonnenschein und zum Schluss ein Regenschauer. Das Wetter spiegelt derzeit
die Ungewissheit der Himmelbeet-Gärtner*innen wider.
„Für mich ist das Himmelbeet ein Projekt, das den Bezirk aufwertet. Hier im
Wedding gibt es davon nicht viel“, erklärt Ärztin und Pächterin Anne Naab.
„Das sind hier alles Leute, die das neben ihrer Arbeit freiwillig machen.
Ich verstehe gar nicht, wieso man ein laufendes Projekt, das sich selber
trägt, infrage stellt.“ Vielleicht wird das geplante Gespräch am Freitag
für mehr Klarheit sorgen.
4 May 2017
## AUTOREN
Saida Rößner
## TAGS
Stadtentwicklung
Stadtplanung
Berlin-Wedding
Zwischennutzung
Urban Gardening
Berlin-Wedding
Kunst Berlin
Berlin
Urban Gardening
Urban Gardening
Berlin-Wedding
Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kieze im Wandel: Jetzt auch noch der Wedding?
Zwei aktuelle Romane widmen sich dem Wedding. Einem Ort, der sich wandelt,
aber auch so bleiben möchte, wie er ist. Ein literarischer Kiezrundgang.
Zwischennutzung in Berlin-Kreuzberg: Wenn sich Investoren anrobben
Bevor er dort neu baut, lässt ein Investor das ehemalige Gelände von Robben
& Wientjes als Kunstraum nutzen. Doch die Zwischennutzung stößt auf Kritik.
Berliner Gemeinschaftsgärten: In der Existenz bedroht
Urbane Gärten tragen viel zu einem guten Stadtklima bei – sowohl in Bezug
auf Luft als auch Lebensgefühl. Doch der Kampf um Freiflächen wird härter.
Streit um Brache in Berlin-Mitte: Tucholskys Gärtner hoffen
Der Künstler Thomas Demand baut ein neues Atelier und braucht dafür eine
Brache, die von Gartenaktivisten genutzt wurde. Der Streit könnte
versöhnlich enden.
Streit in Mitte um eine Brache: Künstler bricht Gartenstreit vom Zaun
Seit Dienstagabend ist ihr Gelände gesperrt: Urban Gardening Aktivisten
durch Fotokünstler Thomas Demand verdrängt – offenbar ohne Rechtsgrundlage.
Gegen zu volle Klassen: Weddinger Eltern machen Schule
Die Klassen sind zu voll, finden Elternvertretungen von acht Weddinger
Schulen. Deshalb erklären sie jetzt dem Senat, wo neue Schulen entstehen
könnten.
Inklusives Gärtnern: Hopfen aus dem Hafen
Das Bremer Urban-Gardening-Projekt „Gemüsewerft“ expandiert: Neuerdings
baut es auch in Hochbeeten im Europahafen Hopfen und Zucchini an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.